02.07.2012 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: PersonalGate.
Abmahnungen und Kündigungen sind wohl die brisantesten Themen des Arbeitsrechts. Die komplexe Rechtsgrundlage und die unliebsame Praxis eines Kündigungsgesprächs stellen auch erfahrene Personaler immer wieder vor Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, die relevanten Gesetzestexte zu kennen und die aktuelle Rechtsprechung zu verfolgen.
Wie ist es um Ihr Wissen in diesem Bereich bestellt? Anhand von Urteilen stellen wir Ihre Kenntnisse auf die Probe. Die richtigen Antworten und Gesetzestexte liefern wir Ihnen selbstverständlich gleich dazu.
Fall 1: 1,30 € Grund genug für eine Kündigung?
So genannte Bagatellkündigungen sind uns aus der Presse bekannt. Wie sieht hier aber die Rechtslage aus?
Der Fall: Im Jahr 2010 sorgte der Fall "Emmely" für großes Aufsehen – bestimmt erinnern Sie sich. Eine Kassiererin wurde fristlos gekündigt, da sie ihr nicht gehörende Pfandbons im Wert von 1,30 € zu ihrem eigenen Vorteil einlöste. Das Bundesarbeitsgericht entschied letztlich zu Gunsten der Klägerin.
Was mögen die Gründe des BAG für diese Entscheidung gewesen sein und wie hätte der Arbeitgeber handeln sollen?
Maßgeblich ist hier der § 626 BGB. Demnach kann eine fristlose Kündigung nur aus "wichtigem Grund" erfolgen. Dies kann beispielsweise ein Vertragsverstoß, eine grobe Verletzung des Vertrauensverhältnisses oder wirtschaftliche Schäden sein. In unserem Fall begründete der Arbeitgeber die Kündigung damit, dass sein Vertrauensverhältnis zu seiner Angestellten beschädigt wurde, da sie die ihr nicht gehörenden Pfandbons an sich nahm und einlöste. Das BAG war hingegen der Auffassung, dass das Vertrauensverhältnis, das sich über drei Jahrzehnte entwickelte, durch diesen einmaligen atypischen Vorfall nicht vollständig zerstört werden konnte. Außerdem war der wirtschaftliche Schaden durch diesen Vorfall nahezu unerheblich. Eine Abmahnung wäre in diesem Fall als milderes Mittel angemessen gewesen.
Praxis-Hinweis: Anders hätte es ausgehen können, wenn es einen Nachweis gegeben hätte, dass es bereits in der Vergangenheit zu Schwierigkeiten im Angestelltenverhältnis gekommen ist. Eine vorangegangene Abmahnung hätte in diesem Fall also auch eine Dokumentationsfunktion gehabt. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich folgern, dass auch Ermahnungen und Kritikgespräche in der Personalakte vermerkt werden sollten.
Quelle: VdAA / PersonalGate
Fall 2: Berechtigt eine Beschimpfung als "Arschloch" zur fristlosen Kündigung?
Zugegeben: Dass ein Angestellter seinen Vorgesetzten oder einen Kunden als "Arschloch" bezeichnet, ist glücklicherweise nicht der Regelfall. Was aber, wenn es doch soweit kommt?
Der Fall: Der Kläger war seit mehr als sechs Jahren als Kraftfahrer in einem Logistikzentrum tätig. Er hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach einen bestimmten Kunden über eine sehr enge Einfahrt mit einer sehr knapp bemessenen Durchfahrtshöhe unfallfrei beliefert. Bei einer solchen Anlieferung wurde er eines Tages von einer ihm unbekannten Person, letztendlich dem Liegenschaftsverwalter, nach der Bemerkung "Wie oft wollt ihr jetzt da oben noch gegen fahren?" in gereiztem Ton aufgefordert, nicht weiter zu fahren. Nach seiner Antwort: "Ich liefere hier seit Jahren und jetzt aus dem Weg, du Arsch" ergab sich ein Wortgefecht, in dem der Kläger sein Gegenüber noch mehrfach als "Arschloch" bezeichnet hatte. Der Kläger hatte ihn für einen "Wichtigtuer" gehalten. Der Arbeitgeber kündigte das bisher insoweit unbeanstandete Arbeitsverhältnis fristlos.
Nun ist Ihr Urteil gefragt: War diese Kündigung rechtens? Wie wird das Arbeitsgericht entschieden haben?
Das Landesarbeitsgericht sah ebenso wie bereits das Arbeitsgericht Neumünster keinen ausreichenden Kündigungsgrund.
Danach stellt das grob beleidigende Verhalten des Klägers zwar grundsätzlich einen erheblichen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar. Auch wenn es die Geschäftsbeziehungen des Arbeitgebers gefährde, müsse hier zugunsten des Klägers jedoch berücksichtigt werden, dass er nicht gewusst habe, wer sein Gegenüber war und dass es sich um einen Repräsentanten des Kunden handelte. Auch habe er in der Vergangenheit die beengten Verhältnisse stets ohne Schäden gemeistert. Eine Abmahnung hätte hier ausgereicht, um eine Wiederholung des beanstandeten Arbeitnehmerverhaltens auszuschließen.
Quelle: VdAA / PersonalGate
Fall 3: Die Personalakte, bitte! Einsichtsrecht in die Personalakte auch nach Kündigung?
Die Personalakte ist häufiger Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Insbesondere wenn es um Inhalt, Vertraulichkeit oder um die Entfernung einer Abmahnung geht.
Der Fall: In dem vom Bundesarbeitsgericht zu beurteilenden Fall ging es um die Klage eines Mitarbeiters eines Versicherungsunternehmens, der dort vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Schadensbüroleiter beschäftigt gewesen war. Die Beklagte führte dessen Personalakte auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter. Als es im Nachgang zu einem Zeugnisrechtsstreit kam, teilte die Personalbearbeiterin dem Kläger mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen. Vor diesem Hintergrund verlangte der Kläger Einsicht in seine Personalakte.
Entscheiden Sie: Hat der Arbeitgeber auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Recht, seine Personalakte einzusehen?
Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des Klägers mit seiner Entscheidung vollumfänglich stattgegeben und den Arbeitgeber verurteilt, dem Arbeitnehmer Einsicht in dessen Personalakte zu gewähren. Demnach habe der Arbeitnehmer auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Insoweit hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zähle auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Quelle: Taylor Wessing / PersonalGate
Fall 4: Besonderer Kündigungsschutz auch wenn Schwerbehinderung nicht bekannt war?
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer hat Anspruch auf besonderen Kündigungsschutz. Wie ist es aber darum bestellt, wenn der Arbeitgeber nicht über die Schwerbehinderung informiert wurde?
Der Fall: In einem Unternehmen kam es zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste für Kündigungen. Auf dieser stand auch die Klägerin. Ihr war bereits früher ein Grad der Behinderung von 40 zuerkannt worden, was im Unternehmen allerdings nicht bekannt war. Noch während der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hatte sie einen neuen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte gestellt, dieses aber nicht mitgeteilt. Dies geschah erst mit der Kündigungsschutzklage, die zwar noch rechtzeitig bei Gericht einging, aber dem Arbeitgeber erst knapp vier Wochen nach Ausspruch der Kündigung zugestellt wurde. Kurze Zeit später wurde der Klägerin ein Grad der Behinderung von 50 zugesprochen. Sie hat sich angesichts dessen auf den besonderen Kündigungsschutz sowie darauf zurückzuführende Fehler in der sozialen Auswahl berufen.
Besteht für die Klägerin wirklich ein besonderer Kündigungsschutz? Oder war das Arbeitsgericht auf Seiten des Arbeitgebers?
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Klägerin habe ihrem Arbeitgeber zu spät Mitteilung von der beantragten Schwerbehinderteneigenschaft gemacht. Dieser habe erst nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erfahren, dass ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung existiere. Das sei zu spät. Die Klägerin könne sich nun nicht mehr auf den Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und damit zusammenhängende Auswahlfehler berufen.
Quelle: VdAA / PersonalGate
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