Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Zur Personalakte, bitte: Arbeitnehmer geht, Einsichtsrecht bleibt!

21.12.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: PersonalGate.

Das Thema ist häufiger Gegenstand von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, insbesondere wenn es um Inhalt, Vertraulichkeit oder, typischerweise, um die Entfernung einer Abmahnung geht. In der hier besprochenen Entscheidung (Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16. November 2010, Az.: 9 AZR 573/09) wird dagegen die ebenso praxisrelevante Frage des Einsichtsrechts des Arbeitnehmers in die von dem Arbeitgeber geführte Personalakte behandelt.

Einleitung

Anzeige


Expertentipps zur digitalen Personalakte - damit Sie keine arbeitsrechtlichen Risiken eingehen:

Arbeitnehmerdatenschutz aktuell

Neue Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz

Informieren Sie sich hier »
Die Personalakte ist gewissermaßen das „Tagebuch des Arbeitsverhältnisses“. In den verschiedensten Formen, schriftlich oder elektronisch, geführt, dokumentiert sie meist detailliert Beginn, Verlauf und Ende des Arbeitsverhältnisses. Angesichts dieser Bedeutung überrascht es, dass das Thema gesetzlich nur in Grundszügen geregelt ist und insbesondere eine Pflicht zur Führung der Personalakte für den Arbeitgeber nicht besteht. Tut er dies aber, wird der Arbeitnehmer regelmäßig ein erhebliches Interesse daran haben, diesen Vorgang zu verfolgen. Hierzu gibt ihm der § 83 Abs. 1 BetrVG das Recht, Einsicht in die über ihn geführten Personalakten zu nehmen. Der Anspruch bezieht sich auf die Personalakte im materiellen Sinn, d.h. er umfasst alle Unterlagen und Vorgänge, die das Arbeitsverhältnis angehen oder damit im inneren Zusammenhang stehen, unabhängig davon, wo und in welcher Form diese aufbewahrt werden.

Gegenbegriff hierzu ist die Personalakte im formellen Sinn bzw. die qualifizierte Personalakte, die ausdrücklich vom Arbeitgeber als solche bezeichnet und geführt wird. Generell darf die Personalakte nur Angaben enthalten, für die, ähnlich wie beim Fragerecht, ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Hierzu zählen u.a. Bewerbungsunterlagen, Personalfragebogen nach § 94 BetrVG, Eignungstests, Arbeitsvertrag einschließlich späterer Änderungen, Beurteilungen und Zeugnisse jeglicher Art sowie der gesamte Schriftwechsel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gegebenfalls können auch sensible Daten z.B. über Suchterkrankungen, aufgenommen werden, müssen dann aber besonders gesichert werden. Begehrt der Arbeitnehmer nun Einsicht in die Akte, ist diese vollständig zu gewähren. Die Erstellung einer gesonderten und gegebenenfalls um brisante oder vertrauliche Notizen „entschlackten“ Version ist mithin unzulässig.

Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Lesbarkeit der Akte sicherzustellen und dem Arbeitnehmer gegebenenfalls natürlich mitzuteilen, wo sich die Akte überhaupt befindet. Dem Arbeitnehmer ist es dann gestattet, sich neben der Einsicht auch Notizen über den Inhalt der Akte anzufertigen. Die Erstellung einer vollständigen Kopie der Akte wird wohl ebenfalls nicht versagt werden können. Ungeachtet dessen verbleibt es aber bei einem Recht auf „Einsichtnahme“ und nicht auf „Mitnahme“. Die Akte muss dem Arbeitnehmer also nicht zur freien Verfügung überlassen werden. Zeitlich besteht das Einsichtsrecht, gegebenenfalls durch eine Betriebvereinbarung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG konkretisiert, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Denkbar sind aber auch Fälle, in denen ein Arbeitnehmer noch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Existenz seiner Personalakte erfährt oder diese vermutet und bei gegebenem Anlass Einsicht verlangt. Ob und inwieweit sich der Arbeitgeber dagegen zur Wehr setzen kann, hatte das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) in der hier besprochenen Entscheidung zu beurteilen.


Sachverhalt

In dem vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) zu beurteilenden Fall ging es um die Klage eines Mitarbeiters eines Versicherungsunternehmens, der dort vom 01. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Schadensbüroleiter beschäftigt gewesen war. Die Beklagte führte dessen Personalakte auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter. Als es im Nachgang zu einem Zeugnisrechtsstreit kam, teilte die Personalbearbeiterin dem Kläger mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen. Vor diesem Hintergrund verlangte der Kläger Einsicht in seine Personalakte. Nachdem das Arbeitsgericht München (vgl. Urt. v. 11. April 2008 – 39 Ca 14853/07) die Klage vollumfänglich abgewiesen und das Landesarbeitsgericht München (vgl. Urt. v. 14. Januar 2009 – 11 Sa 460/08) die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers mangels schlüssigen Vortrags zurückgewiesen hatte, war die Revision des Klägers beim Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) erfolgreich.


Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) hat der Revision des Klägers mit seiner Entscheidung, von der bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, vollumfänglich stattgegeben und den Arbeitgeber verurteilt, dem Arbeitnehmer Einsicht in dessen Personalakte zu gewähren. Demnach habe der Arbeitnehmer auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Insoweit hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zähle auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dagegen folge der Anspruch nicht aus § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft und Einsicht gölten noch nicht für nur in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten. Ein entsprechendes Änderungsgesetz befände sich aber in der parlamentarischen Beratung.


Praxishinweis

Die Entscheidung liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, wonach bei berechtigtem Interesse des Arbeitnehmers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Anspruch auf Einsichtnahme in seine Personalakte bestehen kann (vgl. BAG, Urt. v. 11. Mai 1994 – 5 AZR 660/93). Das Bundesarbeitsgericht stellt insoweit nunmehr klar, dass dieses Interesse insbesondere dann gegeben ist, wenn der Wahrheitsgehalt der in der Akte enthaltenen Informationen betroffen ist. Für Arbeitgeber ist die Entscheidung daher zunächst mit weiterer Rechtssicherheit verbunden.

Fraglich ist, wie mit dieser in der Praxis speziell im Hinblick auf die Compliance umzugehen ist. Dabei ist insbesondere das Risiko zu berücksichtigen, in ganz anderen Zusammenhängen plötzlich Themen offenbaren zu müssen, die erst nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers zur Akte genommen wurden. Die Frage der „Aktenwahrheit“, die nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts offensichtlich das Recht zur Einsichtnahme auslösen soll, kann insoweit schnell betroffen sein. Schon aus der beiläufigen Erwähnung der Personalakte z.B. in einem späteren Zeugnisrechtsstreit könnte der Arbeitnehmer ein „Recht zur Aufklärung“ ableiten.

Zudem sind mittelbare, erst aus Erkenntnissen der Einsichtnahme folgende Ansprüche, z.B. auf Unterlassung oder Schadensersatz, nicht auszuschließen. Damit stellt sich letztlich die Frage nach Aufbewahrungspflichten des Arbeitgebers. Die Mindestanforderungen hierzu ergeben sich aus den steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben, die in jedem Fall beachtet werden müssen. Besondere Beachtung verdient im Übrigen die vom Bundesarbeitsgericht hier nur am Rande angesprochene Frage des (Arbeitnehmer-) Datenschutzes. Die Brisanz dieses Themas für Arbeitgeber, vor allem im Hinblick auf beabsichtigte gesetzliche Neuregelungen (Beschäftigtendatschutzgesetz), kann nicht unterschätzt werden. Auch im Zusammenhang mit der Personalakte stellen sich dabei bereits jetzt vielfältige Fragen, die hier nicht weiter vertieft werden können. Fest steht aber die zunehmende Bedeutung der Materie, die von Arbeitgebern deswegen sorgfältig im Auge behalten werden sollte.

Quelle: Lars C. Möller (Taylor Wessing Frankfurt)
nach oben