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Zur Informationspflicht über negative Umstände (Thermomix)

16.03.2020  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Muss ein Hersteller über einen geplanten Modellwechsel unterrichten? Dieser Frage ging das Landgericht zum bekannten Thermomix nach. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN, erläutert die Entscheidung.

Am 16.01.2019 kaufte der Kläger einen Thermomix TM5 von der Beklagten für knapp 1.300 Euro. Am 08.03.2019, also nur sieben Wochen später kündigte die Beklagte in der Öffentlichkeit das Nachfolgemodell TM6 mit größerem Display und deutlich erweiterten Kochfunktionen (Fermentieren, Karamellisieren, Rösten und Vakuumgaren) an. Der Bestellung war eine Verkaufsveranstaltung einer Handelsvertreterin vorausgegangen, in der auf das Nachfolgemodell nicht hingewiesen worden war, da auch die Handelsvertreterin hiervon keine Kenntnis hatte. Der Käufer sah sich zum Rücktritt berechtigt. Er hätte in Kenntnis des Modellwechsels noch etwa 6 Wochen abgewartet. Die Beklagte verwies darauf, dass der Kläger ein zum Kaufzeitpunkt aktuelles Modell erworben habe. Eine Hinweispflicht gebe es erst, wenn nach Erscheinen eines neuen Modells ein Auslaufmodell verkauft würde. Da das Modell erst Anfang März 2019 auf dem Markt eingeführt worden sei, habe es sich zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin nicht um ein Auslaufmodell gehandelt. Ein Unternehmen müsse seine Absatzstrategie nicht offenbaren. Wäre ein Unternehmer verpflichtet darauf hinzuweisen, dass möglicherweise oder bestimmt in ferner Zukunft/in Bälde/oder zu einem schon feststehenden Zeitpunkt ein neues Modell auf dem Markt erscheine, würde das die Investitionen, die gemacht wurden, um das neue Modell auf den Markt zu bringen, gefährden.

Das LG Wuppertal sah auch in der Berufung keine Verletzung von Vertragspflichten durch den unterbliebenen Hinweis. Ein Verkäufer muss nicht umfassend über alle schlechten Eigenschaften einer Ware aufklären. Dies hat bereits 1981 der Bundesgerichtshof entschieden (BGH, Urt. v. 06. November 1981 – I ZR 164/79). Zwar sind für die Kaufentscheidung wesentlichen Tatsachen zu offenbaren. Dies gilt vor allem dann, wenn entsprechende Hinweise üblich sind. Allerdings nehmen die Gerichte eine Interessenabwägung vor. Dabei sind die Interessen des Werbenden ebenso zu beachten, wie die Interessen der Verbraucher.

Im vorliegenden Fall sahen die Gerichte noch kein Auslaufmodell im Zeitpunkt des Kaufs. Das neue Gerät wurde im Januar 2019 noch nicht im Sortiment geführt. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die Produktion eingestellt gewesen wäre, hätte aus Sicht des Gerichts keine Hinweispflicht bestanden:

Aus dem Urteil:

Eine uneingeschränkte Hinweispflicht, die auch Modelle umfasst, die noch vor dem Modellwechsel während einer Übergangszeit abverkauft werden, kann nicht angenommen werden. Denn der Verkehr erwartet vernünftigerweise nicht, dass mit dem Tag, an dem der Hersteller seine Produktion ändert oder einstellt, alle noch im Handel befindlichen Geräte der früheren Bauweise als Auslaufmodelle bezeichnet werden. Eine derart weitgehende Hinweispflicht würde die Interessen des Herstellers, die ebenfalls zu berücksichtigen sind, zu weit einschränken. Denn der Hersteller hat ein berechtigtes Interesse daran, die aus dem aktuellen Sortiment erworbene Ware im üblichen Warenumschlags absetzen zu können, ohne bereits auf den die Absatzchancen schmälernden Umstand hinweisen zu müssen, dass alsbald ein neues Modell im Handel sein würde (BGH, Urteil vom 06.10.1999, a.a.O.)

Ob eine solche Pflicht im Einzelfall aufgrund des relativ hohen Preises und der voraussichtlichen Lebensdauer des beworbenen Produktes dann angenommen werden kann, wenn der Modellwechsel unmittelbar bevorsteht, kann dahinstehen. Denn hier lagen zwischen Abschluss des Kaufvertrages und Ankündigung des Modellwechsels nahezu zwei Monate.

Fazit

Rückabwicklungsrechte aus der Verletzung von Hinweispflichten oder Wegfall der Geschäftsgrundlage sind durchaus denkbar. Die Gerichte haben hier nicht erörtert, wie der Umstand zu bewerten ist, dass das Gerät auch mit Software versorgt wird und eine Produktionseinstellung hierauf erhebliche Auswirkungen für die Nutzbarkeit haben könnte. Das Gerät kocht und gart nach Rezeptvorgaben, die aus dem Internet bezogen werden können. Die Beklagte hat zwischenzeitlich weitere Updates bestätigt und es kann sogar Funktionserweiterungen darüber geben. Käufer wären gut beraten, bei Produkten mit schon angejahrtem Lebenszyklus nach einem ausstehenden Nachfolgemodell zu fragen. Dann hätte der Verkäufer wahre Angaben machen müssen.

Das Urteil lässt sich ohne weiteres auf andere Produktbereiche übertragen. Es ist rechtskräftig.

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