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Zu wenig Mitbestimmungsrechte bei Personalbemessung

12.02.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Längere To-Do-Listen, komplexere Aufgaben, mehr Multitasking, Zeitdruck: Die Arbeit in deutschen Büros, Fabriken und im Servicebereich wird zunehmend verdichtet. In 81 % der Betriebe hat Arbeitsmenge der Beschäftigten zugenommen.

Bei zwei Dritteln davon ist eine zu dünne Personaldecke ein wesentlicher Grund, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Auf der Agenda von Arbeitnehmervertretern steht das Thema seit Jahren weit oben, doch gerade bei der Personalbemessung räumt das Betriebsverfassungsgesetz bislang nur geringe Mitbestimmungsmöglichkeiten ein.

Für ihre Untersuchung hat WSI-Arbeitsschutzexpertin Dr. Elke Ahlers die jüngste Welle der WSI-Betriebsrätebefragung ausgewertet, an der 2018 fast 2300 Arbeitnehmervertreter teilgenommen haben. Sie ist repräsentativ für alle Betriebe in Deutschland mit mehr als 20 Beschäftigten und Betriebsrat. 81 % der Befragten geben an, dass die Arbeitsmenge der Beschäftigten in ihrem Unternehmen in den zwei Jahren vor der Befragung zugenommen hat. Jeweils drei Viertel geben höhere Leistungserwartungen und mehr Multitasking zu Protokoll (siehe auch Abbildung 1 in der Studie; Link unten). Von komplexeren und vielfältigeren Aufgaben berichten 71 %, von mehr gleichzeitig zu bearbeitenden Projekten 65 % und von einer Zunahme der bezahlten Überstunden 62 %.

Auch konkrete Auswirkungen können die Arbeitnehmervertreter benennen: 77 % sehen einen Zusammenhang mit zunehmenden gesundheitlichen Schwierigkeiten unter den Beschäftigten, 68 % nehmen eine Verschlechterung des Betriebsklimas wahr, 47 % gehen davon aus, dass die Qualität der Arbeitsergebnisse beeinträchtigt wird.

Die Betriebsräte machen mehrere Gründe für die steigende Belastung verantwortlich, einer sticht jedoch heraus: 65 % nennen eine unzureichende Personalausstattung als eine wichtige Ursache. Die Engpässe beruhen nach Angaben der Betriebsräte nicht nur auf Krankenstand oder guter Auftragslage, sondern werden oft als Normalfall beschrieben. Weitere häufig genannte Gründe sind Führungsmängel mit 60 %, schlechte Organisation mit 59 % und ungeplante Zusatzaufgaben mit 57 %. Dass die Arbeitsbelastung steigt, lasse sich nicht allein auf technologischen Wandel oder gesellschaftliche Veränderungen zurückführen, sondern sei in vielen Fällen „eine Folge ungünstiger betrieblicher Rahmenbedingungen“, schreibt Ahlers in ihrer Analyse, die in der neuen Ausgabe der WSI-Mitteilungen erscheint. Das gelte auch für einen guten Teil der Fälle, in denen Unternehmen zwar neue Stellen ausschreiben, aber Probleme bei der Besetzung haben, betont die Forscherin: „Gut die Hälfte der Betriebe konnte die ausgeschriebenen Stellen wegen unattraktiver Entlohnung und Arbeitsbedingungen nicht besetzen, vor allem im Dienstleistungsbereich.“

Auf der Agenda der Betriebsräte steht das Thema Arbeitsintensivierung weit oben. Wie drängend es ist, zeigt sich auch daran, dass die Arbeitnehmervertreter in fast allen betroffenen Betrieben mit dem Arbeitgeber in Verhandlungen über Entlastungen stehen. Drei Viertel der befragten Arbeitnehmervertreter haben bei übermäßig langen oder unregelmäßigen Arbeitszeiten schon einmal eingegriffen. Um die Arbeitszeit und die Arbeitsmenge besser zu regulieren, haben 45 % bereits eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. 83 % der befragten Betriebsräte haben beim Management mehr Personal angefordert. Allerdings hat dem nur ein Teil der Arbeitgeber entsprochen: in 44 % der Betriebe wurde Personal eingestellt, oftmals aber temporäre Aushilfen oder Leiharbeiter. „Spürbare Personalaufstockungen“ gab es in lediglich 38 % der Betriebe.

Gerade diese Zahlen deuteten auf eine „Schwachstelle im Betriebsverfassungsgesetz hin“, analysiert die WSI-Expertin: Bislang seien die Mitbestimmungsrechte bei der Personalausstattung schwach. „Hier sollte der Gesetzgeber in der Pflicht stehen, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte zu vergrößern“, schreibt die Wissenschaftlerin. Ziel müsse sein, eine „nachhaltige und präventive Arbeitsgestaltung und -regulierung“ zu erreichen, „die die Beschäftigten selbst mit ihren Leistungsanforderungen und Ressourcen in den Blick nimmt, sowie eine deutlich robustere Personalbemessung, die auch Urlaubs- und Krankheitsphasen übersteht.“

Weitere Informationen:

Elke Ahlers: Arbeitsintensivierung in den Betrieben. Problemdeutungen und Handlungsfelder von Betriebsräten. (pdf) In: WSI-Mitteilungen 1/2020, Schwerpunktheft: Arbeitsintensivierung – ein Merkmal der modernen Arbeitswelt?

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