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Zeiterfassungssystem mit Fingerabdruck bedarf der ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer

10.01.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V..

Die Arbeitszeiterfassung durch ein Zeiterfassungssystem mittels Fingerprints ist nicht erforderlich im Sinne von § 26 Abs. 1 BDSG und damit ohne Einwilligung der betroffenen Person nicht zulässig.

Darauf verweist der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter „Bremen“ des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Oktober 2019 — 29 Ca 5451/19.

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Der Kläger wurde abgemahnt, weil er das von dem Arbeitgeber installierte Zeiterfassungssystem ZEUS nicht genutzt hatte. In diesem System meldet sich der Mitarbeiter durch Abgleich seines Fingerabdrucks mit den im Zeiterfassungsterminal gespeicherten Daten im Zeiterfassungsprogramm an und ab. Hierfür werden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters zunächst sogenannte Minutien (individuelle, nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen) mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert. Der Minutiendatensatz wird sodann im Zeiterfassungsterminal gespeichert und zum Abgleich des Fingerabdrucks des Mitarbeiters bei der An- und Abmeldung verwendet. Nicht gespeichert wird grundsätzlich der Fingerabdruck des Mitarbeiters. Aus dem gespeicherten Minutiendatensatz kann der Fingerabdruck des Mitarbeiters auch nicht wieder generiert werden.

Mit seiner Klage begehrte der betroffene Arbeitnehmer u.a. die Entfernung dieser Abmahnung aus der Personalakte. Er trug vor, dass er keine Einwilligung zur Erfassung seines Fingerprints erteilt habe. Inder Vergangenheit habe er seine Arbeitszeiten präzise und konsequent durch das bisher verwendete System erfasst. Außerdem bezweifle er, dass das neue Zeiterfassungssystem vollends einsatzfähig sei.

Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt.

Das Gericht stellte in seiner Entscheidung fest, dass es sich bei dem Minutiendatensatz um biometrische Daten nach Artikel 9 Abs. 1 DSGVO und besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von § 26 Abs. 3 BDSG handele. Diesen Daten sei eigen, dass eine Verarbeitung die Privatsphäre des Mitarbeiters und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im besonderen Maße verletzen können. Die Verarbeitung von biometrischen Daten – und somit auch von Minutiendatensätzen – sei daher nach Artikel 9 Abs. 1 GSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings enthalte Art. 9 Abs. 2 GSGVO mehrere Erlaubnistatbestände, bei deren Vorliegen eine Verarbeitung (ausnahmsweise) doch zulässig sei Arbeitsrechtlich relevant seien insbesondere die Erlaubnistatbestände „Erforderlichkeit“, „Freiwillige Einwilligung“ und „Kollektivvereinbarung“.

Da der Kläger keine Einwilligung erteilt hatte und auch keine Kollektivvereinbarung vorlag, kam es auf die Frage an, ob die Zeiterfassung mittels Fingerprints für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Das Gericht verneinte dies und führt zur Begründung aus, dass diese Art der Zeiterfassung unangemessen in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreife. Ein solcher Eingriff sei nach Auffassung des Gerichts nur dann zulässig, wenn es für eine solche Art von Kontrolle einen Anlass gäbe, etwa wenn das bisherige Zeiterfassungssystem von Arbeitnehmern in nicht unerheblichem Umfang missbraucht worden wäre. Derartiges habe die Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Sie habe weder vorgetragen, dass durch das bisherige „händische“ System der Zeiterfassung erheblicher Missbrauch betrieben worden sei, noch habe sie darlegen können, dass im Fall der Einführung eines anderen Zeiterfassungssystems (ohne die Speicherung biometrischer Daten) Missbrauch in erheblichem Umfang oder auch nur in nennenswertem Umfang zu befürchten sei. Schließlich habe die Beklagten auch nicht dargetan, dass der Kläger in der Vergangenheit durch Falschangaben betreffend seine Arbeitszeit negativ aufgefallen sei.

Aus diesem Grund kam das Gericht zu dem Schluss, dass das Interesse des Klägers das Interesse der Beklagten überwog. Die Abmahnung ist mangels einer Einwilligung des Klägers aus der Personalakte zu entfernen. Faktisch kann der Arbeitgeber das Zeiterfassungssystem ZEUS also nur nutzen, wenn die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der Erfassung ihres Fingerabdrucks zustimmen. Eine so erteilte Zustimmung kann jederzeit mit der Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Arbeitgeber wäre in einem solchen Fall gezwungen, für Arbeitnehmer, die von vornherein keine Einwilligung erteilen oder diese zwar erteilt hatten, sie aber später widerrufen, eine alternative Zeiterfassung vorzuhalten.

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