13.09.2023 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Corona-Krise hat nicht nur die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen komplett auf den Kopf gestellt, sondern auch die Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt. Insbesondere die Möglichkeit, seine Arbeitsleistung nicht nur im Büro, sondern auch im Homeoffice zu erbringen, hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Das Steuerrecht hat sich diesbezüglich noch nicht weitentwickelt und hinkt hinterher. Deshalb wird es noch einige Zeit dauern, bis die steuerlichen Rahmenbedingungen an die neue Lebenswirklichkeit angepasst werden.
Aufgrund der Möglichkeit, seine Arbeitsleistung zunehmend auch im häuslichen Arbeitszimmer zu erbringen, müssen auch im privaten Bereich des Arbeitnehmers die Weichen in eine andere Richtung gestellt werden. Dazu gehören z. B. die Auswahl einer entsprechenden Wohnung mit geeigneten Räumlichkeiten und die steuerliche Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten.
Umzugskosten können im Rahmen der persönlichen Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers steuermindernd als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn der Umzug beruflich veranlasst ist. Alternativ kann der Arbeitgeber die Umzugskosten steuerfrei ersetzen. Im Zeitalter des Fachkräftemangels rückt die Übernahme der Umzugskosten durch den Arbeitgeber zunehmend in den Focus.
Ist der Umzug nicht beruflich, sondern privat veranlasst, können die Aufwendungen des Arbeitnehmers im Umkehrschluss nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden. Soweit der Arbeitgeber die Kosten für einen privat veranlassten Umzug erstattet, handelt es sich um einen geldwerten Vorteil, der sowohl der Lohnversteuerung als auch der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen ist.
Regelmäßig spielen sowohl private als auch berufliche Gründe eine Rolle bei der Wohnsitzwahl. Hinzu kommen die umweltpolitischen Rahmenbedingungen, die Mobilität immer kostspieliger machen. Während Mobilitätskosten grundsätzlich als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden können, sind die Kosten der Wohnung des Arbeitnehmers in steuerlicher Hinsicht grundsätzlich privat veranlasst.
Die Abgrenzung von steuerlich abzugsfähigen Werbungskosten und steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung stellt daher zunehmend eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Nach den derzeit geltenden – nicht gesetzlich geregelten – Rahmenbedingungen liegt eine berufliche Veranlassung bei einem Umzug des Arbeitnehmers u. a. dann vor, wenn der Umzug mit einer Fahrzeitersparnis von mindestens 60 Minuten pro Fahrt verbunden ist.
Das Finanzgericht Hamburg hat sich jüngst mit einem Sachverhalt auseinander setzen müssen, bei dem zwei miteinander verheiratete Arbeitnehmer aufgrund der Notwendigkeit zusätzlicher Räume für ein Homeoffice eine größere Wohnung angemietet haben und die Umzugskosten steuerlich geltend machen wollten. Das Finanzamt hat die steuerliche Anerkennung mit Verweis auf nicht mehr zeitgemäße steuerliche Rahmenbedingungen versagt. Das Finanzgericht Hamburg wies das Finanzamt in die Schranken und ließ die steuerliche Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten zu.
Das Finanzamt vertrat zunächst die Auffassung, eine berufliche Veranlassung läge nicht vor, weil der Umzug nicht mit einer Zeitersparnis von mindestens 60 Minuten verbunden war.
Das Finanzgericht widersprach dem Finanzamt und folgte mit Urteil vom 23.02.23 – 5 K 190/22 der Argumentation der Arbeitnehmer. Danach können Umzugskosten beruflich veranlasst sein, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt. Das Finanzgericht vertritt die Auffassung, dass eine solche Erleichterung für das Streitjahr 2020 auch dann anzunehmen sein, wenn ein Umzug erfolgt, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit diese im Homeoffice ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können.
Damit grenzt sich das Finanzgericht von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ab (vgl. BFH-Urteil vom 16.10.92, VI R 132/88). In diesem Urteil wurde die Auffassung vertreten, dass es für die steuerliche Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei einem Umzug in eine größere Wohnung nicht ausreiche, wenn durch den Umzug lediglich eine Fahrtzeitverkürzung von lediglich 20 Minuten verbunden ist, auch wenn die neue Wohnung wegen der wesentlich größeren Platzverhältnisse die Einrichtung eines Arbeitszimmers erlaubt.
Im hier streitigen Sachverhalt arbeitete ein Arbeitnehmer im Corona-Jahr 2020 an vier Tagen in der Woche im Arbeitszimmer und einmal wöchentlich in den Räumlichkeiten seines neuen Arbeitgebers. Seine Ehefrau arbeitete an vier Tagen in der Woche im Homeoffice und an einem Tag im Büro. Beide Arbeitnehmer benötigten für ihre Tätigkeit einen großen Bildschirm. Mit Beginn der Tätigkeit im Homeoffice nutzten die Arbeitnehmer ihren Esstisch in der alten Wohnung auch als Schreibtisch, auf dem lediglich Platz für einen großen Bildschirm war. Weil die Ehefrau bei ihrer Arbeit durch die vielen Telefonate ihres Ehemannes gestört wurde, wechselten die beiden sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit der Nutzung des Esstisches ab. Dies war möglich, weil sich beide Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit frei einteilen konnten.
Die Arbeitnehmer erkannten, dass die Corona-bedingten Einschränkungen nicht nur kurzfristig sein würden und suchten daher nach einer neuen Wohnung, die es ihnen ermöglichen würde, zwei Arbeitszimmer einzurichten. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Anerkennung der Umzugskosten als Werbungskosten ab, weil die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Nutzung zweier Arbeitszimmer keine berufliche Veranlassung des Umzugs begründe. Zwar habe der Umzug die Einrichtung zweier Arbeitszimmer ermöglicht, aber der Fahrtweg habe sich für beide Kläger hierdurch nicht wesentlich verändert. Zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels sei zudem nicht absehbar gewesen, wie lange Pandemie und Homeoffice-Verpflichtung dauern würden, so dass private Erwägungen den Umzug dominiert haben müssten.
Mehr zum Urteil des Finanzgerichts und den Folgen erfahren Sie kommende Woche in der Fortsetzung dieses Fachartikels!
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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Bild: Liza Summer (Pexels, Pexels Lizenz)
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