04.06.2019 — Markus Hiersche. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Zugestellte Flure sind ein Ärgernis: Schnell ist das Missfallen der anderen Hausbewohner erregt und der Vermieter alarmiert. Schließlich ist das Abstellen von Gegenständen im Flur meistens nicht vom Mietvertrag gedeckt. Einige der Streitfälle landen dann vor Gericht.
So auch in Dortmund. Hier gestaltete sich der Streit um einen abgestellten Kinderwagen aber deutlich komplexer: Denn anders als bei der Mehrzahl der Verfahren klagte hier nicht ein Vermieter gegen den Mieter, sondern eine Wohnungseigentümerin gegen Mieter einer Mietwohnung im selben Gebäude. Deshalb kam es in diesem Fall auf die Frage des zulässigen vertragsgemäßen Gebrauchs aus dem Mietvertrag nicht an.
Zum anderen hatten beide Parteien nachvollziehbare Argumente auf ihrer Seite: So war die klagende Wohnungseigentümerin altersbedingt auf einen Rollator angewiesen, während die Mieter im ersten Obergeschoss einen Kinderwagen für ihr Neugeborenes benötigen. Der im Eingangsbereich abgestellte Kinderwagen blockiere nach Ansicht der Klägerin nun den Kellerbereich. Ein Unding, wie die Wohnungseigentümerin meinte. Schließlich könne sie aufgrund ihres Rollators nicht mehr ohne Weiteres ihre Einkäufe am Kinderwagen vorbei in den Keller bringen. Die Familie könne ihren Kinderwagen ja in der Garage oder im Keller abstellen. Die Mieter verneinten dies. Man könne nicht erwarten, dass sie jedes Mal zunächst den Kinderwagen in den Hausflur zerren, bevor sie mit ihrem Kind aufbrechen können. Außerdem habe die Eigentümergemeinschaft explizit zugestimmt, dass sie den Kinderwagen im Hausflur abstellen dürfen.
Das zuständige Amtsgericht wies die Klage der Wohnungseigentümerin auf Unterlassung der „Aufbewahrung“ des Kinderwagens im Hausflur ab. Ein Abwehranspruch aus § 15 Abs. 3 WEG bestehe nicht, da es nicht um die Nutzung von im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile gehe. § 15 Abs. 3 WEG gelte außerdem nur im Innenverhältnis, also gegenüber anderen Wohnungseigentümern.
In Betracht kommen deshalb ausschließlich Ansprüche gemäß § 1004 Abs. 1 BGB. Dies setzt voraus, dass die anderen Wohnungseigentümer in ihren absoluten Rechten aus § 903 BGB, § 13 WEG, Art. 14 GG beeinträchtigt werden. Eine solche Eigentumsbeeinträchtigung liegt vorliegend durch das Abstellen des Kinderwagens im Bereich des Zugangs zur Treppe zum Keller aber gerade nicht vor. Bei der Nutzung des Treppenhauses durch das Abstellen eines Kinderwagens handele es sich nicht um die primäre Nutzung des Treppenhauses als Weg zur Wohnung, sondern um eine sekundäre Nutzung, die für das Wohnen nicht unabdingbar erforderlich ist, der aber nach einer grundrechtsbezogenen Wertung eine besonders geschützte Stellung zukomme. Hier greift nach Ansicht des Gerichts nämlich der Grundrechtsschutz der Familie gemäß Artikel 6 GG ein. Zwar sei in diesen Fällen ein Abstellen nicht in jedem Fall zulässig. Im vorliegenden Fall spreche die Abwägung im Einzelfall für die Zulässigkeit des Abstellens des Kinderwagens am hier strittigen Ort. Es handele sich schließlich nicht um den Weg zur Wohnung der Klägerin.
Urteil: AG Dortmund, Az. 425 C 6305/17
Bild: MirelaSchenk (Pixabay, Pixabay License)
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