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Häusliches Arbeitszimmer eines Selbständigen (Kommentar von Udo Cremer)

15.05.2017  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Unser Experte Udo Cremer wirft einen scharfen Blick auf die aktuelle Rechtsprechung um den Brennpunkt des häuslichen Arbeitszimmers und diskutiert dessen Feinheiten.

  1. Nicht jeder nur in den Abendstunden oder an Wochenenden nutzbare Schreibtischarbeitsplatz in einem Praxisraum steht zwangsläufig als ein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung.
  2. Die Feststellung, ob ein selbständig Tätiger einen Arbeitsplatz in seiner Praxis in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise zumutbar nutzen kann, hat das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu treffen.
  3. Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage und Ausstattung etc.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung der Betriebsräume, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes, zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes) ergeben.

Der Kläger war in den Streitjahren als selbständiger Logopäde mit vier Angestellten in angemieteten Räumen in S. und H. tätig. Im Rahmen seiner Gewinnermittlungen für die Einkommensteuererklärungen machte er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Im Anschluss an eine Außenprüfung erkannte das FA die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG an. Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide wandte sich der Kläger ohne Erfolg mit Einspruch.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, in den Praxen befänden sich ausschließlich durch die Angestellten genutzte Behandlungsräume. Zwar seien diese auch mit Tischen, Computern und teilweise mit Aktenschränken ausgestattet, stünden ihm jedoch nicht zur konkreten Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten zur Verfügung. Die Tische und Aktenschränke enthielten Patientenunterlagen für die laufenden Behandlungen, dienten ausschließlich Behandlungs- und Therapiezwecken und würden nur von den Angestellten genutzt. Während der laufenden Behandlungen seien dort Verwaltungsarbeiten nicht möglich, da sie etwa bei taggenauen Patientenabrechnungen auch während der Praxisöffnungszeiten verrichtet werden müssten. Andernfalls seien vertrauliche Daten dem Zugriff der Mitarbeiter ausgesetzt. Auch sei es nicht zumutbar, die erforderlichen Büroarbeiten immer nach Dienstschluss durchzuführen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den EFG 2016, 1154 veröffentlichten Gründen statt. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 22.2.2017, III R 9/16). Die Entscheidung des FG, dass dem Kläger ein Betriebsausgabenabzug für das häusliche Arbeitszimmer zusteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die geltend gemachten Aufwendungen ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG betreffen, welches nicht den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers darstellt.

Dem Kläger stand kein "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung. "Anderer Arbeitsplatz" im vorstehenden Sinne ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes sind nicht zu stellen. Die Abzugsbeschränkung setzt insbesondere keinen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus.

Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein. Der andere Arbeitsplatz muss aber so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist. Deshalb steht der andere Arbeitsplatz nur dann "für die betriebliche und berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Ist die Nutzung des anderen Arbeitsplatzes hingegen eingeschränkt, so dass der Steuerpflichtige in seinem häuslichen Arbeitszimmer einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit verrichten muss, kommt das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen.

Die Feststellung, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, hat das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu treffen. Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung etc.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes und Zugang zu dem betreffenden Gebäude etc.) ergeben.

Da der Selbständige im Gegensatz zum Arbeitnehmer die konkrete Ausgestaltung und die Art und Weise der Nutzung des anderen (außerhäuslichen) Arbeitszimmers regelmäßig selbst bestimmen kann, ist ein häusliches Arbeitszimmer dann nicht erforderlich, wenn der Selbständige seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit in angemieteten oder in seinem Eigentum stehenden Räumen nachgeht und "es ihm dort zumutbar und auf Grund der räumlichen Situation grundsätzlich auch möglich ist, einen zur Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten geeigneten, büromäßigen Arbeitsplatz einzurichten". Eine etwaige Unzumutbarkeit ergibt sich nicht allein daraus, dass der Steuerpflichtige nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte.

In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist die Entscheidung des FG, dem Kläger stand für seine erforderliche Bürotätigkeit kein "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der BFH als Revisionsgericht kann die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung nur daraufhin überprüfen, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen im Einklang stehen. Ist das zu bejahen, ist die Tatsachenwürdigung selbst dann bindend, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wäre.

Das FG hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zutreffend erkannt, dass bei einem Selbständigen, der grundsätzlich Einfluss auf die Arbeitsplatzgestaltung in seinen Betriebsräumen hat, allein aus dem Vorhandensein eines Schreibtischplatzes in einem Praxisraum nicht zwingend die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass ihm dieser Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Es hat insbesondere in Übereinstimmung mit den Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Tätigkeit des Klägers außerhalb der Praxis, die Größe, die Ausstattung und die konkrete Nutzung der Praxisräume durch die vier Angestellten sowie auf die Vertraulichkeit der für die Bürotätigkeit erforderlichen Unterlagen und den Umfang der Büro- und Verwaltungstätigkeiten abgestellt.

Es hat weiter zu Recht berücksichtigt, dass sich der Kläger in der in H. gelegenen Praxis regelmäßig nicht aufgehalten hatte und die in S. eingerichteten Praxisräume (angesichts der dort tätigen drei Angestellten) nur eingeschränkt für Büroarbeiten nutzbar waren. Dadurch unterscheidet sich der Streitfall von Fällen, in denen ein Selbständiger in seiner Praxis auch über einen ihm regelmäßig allein zur Verfügung stehenden Schreibtischarbeitsplatz verfügt, der für alle Verwaltungsarbeiten genutzt werden kann.

Das FG konnte schließlich auch die besondere Ausstattung der Räume (Therapieräume) und die dadurch eingeschränkte anderweitige Nutzungsmöglichkeit ebenso in seine Gesamtwürdigung einbeziehen wie den Umstand, dass die Lohnabrechnungen für vier Angestellte und die Verbuchung der Einnahmen aus der Praxistätigkeit jährlich einen entsprechenden Verwaltungsaufwand und damit verbundenen Zeitaufwand erforderten und die Praxisräume allenfalls für Bürotätigkeiten in den Abendstunden oder am Wochenende außerhalb der Praxisöffnungszeiten hätten genutzt werden können. Entsprechendes gilt für die Erwägung des FG, dem Kläger sei es aufgrund der Größe der Räume und des vorhandenen offenen Praxiskonzepts nicht zumutbar gewesen, einen weiteren Arbeitsplatz oder einen Raum zur ausschließlichen Nutzung für Büro- und Verwaltungstätigkeiten zu Lasten von Behandlungsmöglichkeiten einzurichten.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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