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Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung in Pflegeberufen

14.08.2019  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Neue höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Erneut wurde sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob als freie Mitarbeiter in Pflegeberufen eingesetzte Honorarärzte und Honorarpflegekräfte der Sozialversicherungspflicht unterliegen oder ob diese als Selbständige anzusehen sind.

Mit den beiden wegweisenden Urteilen vom 04.06.19, Az. B 12 R 11/18 R und vom 07.06.19, Az. B 12 R 6/18 R hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass Honorarärzte und Honorarpflegekräfte aufgrund der Rahmenbedingungen in Pflegeeinrichtungen regelmäßig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen und entsprechend der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

1. Urteil Bundessozialgericht vom 04.06.19, Az. B 12 R 11/18 R - Honorararzt

2. Urteil Bundessozialgericht vom 07.06.19, Az. B 12 R 6/18 R - Pflegefachkraft

Im ersten streitigen Sachverhalt war eine Fachärztin für Anästhesie in zwei verschiedenen Krankenhäusern im OP-Dienst tätig. Im zweiten Fall war ein staatlich anerkannter Altenpfleger in einem Pflegeheim tätig.

Beiden Fällen gemeinsam ist, dass die Auftragnehmer in nicht unerheblichem Umfang organisatorisch in den Betrieb des Auftraggebers und damit in die strukturellen Arbeitsabläufe eingegliedert waren, z. B. durch Aufnahme in den Dienstplan mit Schichtdienst. Darüber hinaus waren die Auftragnehmer grundsätzlich weisungsgebunden gegenüber der Krankenhaus- bzw. Pflegeheimleitung.

In beiden Fällen waren die Tätigkeiten der Auftragnehmer vergleichbar mit den Tätigkeiten anderer abhängig beschäftigter Arbeitnehmer. Es wurde festgestellt, dass in beiden Fällen charakteristische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit nicht vorgelegen haben. Typische unternehmerische Freiheiten und Dispositionsmöglichkeiten bestanden weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht. Dem steht nicht entgegen, dass die Auftragnehmer in beiden Fällen erheblichem Umfang frei und eigenverantwortlich tätig waren.

Die Patienten, Räumlichkeiten, Einrichtung, Ausstattung sowie Verbrauchsmaterial wurden vom Auftraggeber kostenlos bereitgestellt. Die wesentlichen vertraglichen Beziehungen bestanden nicht zwischen den Patienten bzw. Pflegepersonen und dem Auftragnehmer, sondern zwischen den Patienten bzw. Pflegepersonen und dem Auftraggeber.

Konsequenzen der BGH-Rechtsprechung

Das Bundessozialgericht hat mit den beiden Urteilen vom 04.06.19, Az. B 12 R 11/18 R und vom 07.06.19, Az. B 12 R 6/18 R deutlich klargestellt, dass in Kernbereichen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die Beschäftigung nicht sozialversicherungspflichtiger freier Mitarbeiter eher untypischer Art ist. Eine selbständige Tätigkeit liegt nur bei gewichtigen Indizien vor. Ob eine selbständige bzw. nichtselbständige Tätigkeit vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden und kann nicht an das Vorhandensein einzelner Kriterien geknüpft werden.

Die neue höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist grundsätzlich auch auf andere Branchen übertragbar.

Weil die bisherige Rechtsprechung auch in anderen Branchen eher uneinheitlich und für den Laien nur schwer nachvollziehbar ist, empfiehlt es sich, sich bereits im Vorfeld der Beauftragung eines freien Mitarbeiters einen umfassenden Überblick über die Begleitumstände und die daraus resultierenden steuerlichen, sozialversicherungsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu verschaffen. Unterbleibt dies, können erhebliche Steuer- und Beitragsnachforderungen die Folge sein. Daher ist es ratsam, in jedem Einzelfall entsprechende Steuer- bzw. Sozialversicherungsexperten zu konsultieren.

Hilfreich ist es ebenfalls, sich rechtzeitig vor der Beauftragung entsprechende Nachweise über den Status des Auftragnehmers erbringen zu lassen. Dazu gehört z. B., dass sich der Auftraggeber einen umfassenden Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse des Auftragnehmers verschafft. Von Bedeutung ist hierbei, ob der Auftragnehmer eine eigene Organisation seiner beruflichen Tätigkeit nachweisen kann, ob er seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkommt, ob und in welchem Umfang er am Markt auftritt, ob er eigene Räumlichkeiten und eigene Betriebsmittel hat und letztendlich, ob er (versicherungspflichtige) Arbeitnehmer beschäftigt.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen (z. B. Personalengpässe und Mehrfachbeschäftigung) können zwar eine gewisse Erklärung, aber keine Rechtfertigung für eine Umgehung der sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen darstellen.

Einen Überblick über relevante Rechtsprechungen zur Scheinselbstständigkeit erhalten Sie in der Fortsetzung nächste Woche!

Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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Bild: rawpixel.com (Pexels, Pexels Lizenz)

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