18.06.2019 — Udo Cremer. Quelle: none.
Die für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach ständiger Rechtsprechung erforderliche Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen.
Der Kläger führte im Streitjahr (2008) steuerpflichtige Umsätze (Vertrieb von Hard- und Software) aus. Mit seinen Umsatzsteuererklärungen, denen das FA zustimmte, machte er für 2008 und 2009 Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb von Spielkonsolen von dem unter der Fa. J handelnden P geltend. Für das Streitjahr machte er zudem den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von Computerzubehör und Spielkonsolen von der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG geltend.
Die Geschäfte hinsichtlich der den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG zu Grunde liegenden Lieferungen von Computerzubehör und Spielkonsolen wurden abgewickelt, indem der Kläger durch die A-AG Angebote unterbreitet bekam und die Ware entweder direkt vom Lager der A-AG an die Abnehmer des Klägers geschickt wurde oder er diese vom Lager der A-AG abholte. Der Kläger hatte dabei ausschließlich Kontakt mit K, den der Kläger seit 1982 kannte und der sich im Rahmen der streitgegenständlichen Geschäfte ihm gegenüber als Handelsvertreter der A-AG ausgegeben hatte, sowie mit Angestellten der A-AG. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hatte die T-GmbH bis Mai 2008 nicht mit Elektronikbauteilen gehandelt.
Die F-GmbH & Co. KG hatte bis zu diesem Zeitpunkt zwar im geringen Umfang Elektronikartikel angeboten, jedoch ausschließlich als Internetanbieter veräußert. Im Mai 2008 erwarb eine auch als Geschäftsführer auftretende Person unter dem Namen "A. W." (Ausweis war gefälscht) die Geschäftsanteile der beiden Firmen. Der Sitz der Firmen wurde nach Berlin verlegt. Unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift der Firmen in Berlin befand sich ein Büroservice-Center, in dem den Firmen lediglich Ablagefächer bzw. -container zur Verfügung standen. Nach Ansicht des FA waren die beiden Firmen demnach als sog. "missing trader" (= Nichtunternehmer) und der Kläger als sog. "buffer" (Zwischenhändler) in eine Umsatzsteuerbetrugskette im Zusammenhang mit der Lieferung von Elektronikartikeln eingebunden.
Aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009. Dabei versagte es den Vorsteuerabzug in 2008 aus den (angeblichen) Lieferungen der T-GmbH und der F-GmbH & Co. KG. Außerdem erkannte es den Vorsteuerabzug aus Lieferungen der J in 2008 und 2009 nicht an. Der Kläger legte dagegen Einspruch ein und beantragte zudem die Gewährung des streitgegenständlichen Vorsteuerabzugs im Billigkeitswege. Die Einsprüche hatten im Ergebnis keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1741 veröffentlichten Urteil nur hinsichtlich der Vorsteuern aus den Lieferungen der J statt.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH Urteil vom 14.2.2019, V R 47/16). Das FG hat den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG zu Recht versagt, weil die Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die ausgestellte Rechnung muss den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entsprechen, insbesondere Angaben über den leistenden Unternehmer enthalten.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abzug der in einer Rechnung oder Gutschrift ausgewiesenen Umsatzsteuer grundsätzlich nur zulässig, wenn Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer identisch sind. Unionsrechtliche Grundlage sind Art. 167 und Art. 178 Buchst. a der seit dem 1. Januar 2007 geltenden Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Nach Art. 167 MwStSystRL entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige nach Art. 178 Buchst. a MwStSystRL u.a. eine ausgestellte Rechnung besitzen. Diese muss gemäß Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers aufweisen. Nach der Rechtsprechung des EuGH unterliegt das Recht auf Vorsteuerabzug der Einhaltung sowohl materieller als auch formeller Anforderungen und Bedingungen.
Zu den für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts erforderlichen materiellen Voraussetzungen gehört, dass der Betroffene Steuerpflichtiger i.S. der MwStSystRL ist, dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und dass diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden.
Daraus folgt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren. Das setzt nach ständiger Rechtsprechung die Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller voraus. Das entspricht der Rechtsprechung des EuGH, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der T-GmbH und F-GmbH & Co. KG zu versagen. Die Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug sind nicht erfüllt, weil es an der notwendigen Identität von leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller fehlt.
Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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