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Zuordnungswahlrecht bei sonstigen Leistungen (Kommentar von Udo Cremer)

25.01.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer veranschaulicht anhand eines Beispiels das Zuordnungswahlrecht bei sonstigen Leistungen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Gebäudes A-Straße 1 in X (Inland). Der Ehemann der Klägerin ist als Steuerberater selbständig tätig. Das Gebäude A-Straße 1 umfasst eine Hauptwohnung und eine Einliegerwohnung. Letztere umfasst 20 % der Gesamtwohnfläche des Gebäudes und wird von dem Ehemann der Klägerin zum Betrieb seiner Steuerberaterpraxis genutzt. Der Rest des Gebäudes dient als Familienwohnung. Die Klägerin vermietete nach Fertigstellung des Gebäudes zunächst nur die Einliegerwohnung an ihren Ehemann zum Betrieb seiner Steuerberaterpraxis, ordnete das gesamte Gebäude ihrem Unternehmensvermögen zu und versteuerte die Privatnutzung des Gebäudes als unentgeltliche Wertabgabe. Die Klägerin machte den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes einschließlich des als Familienwohnung privat genutzten Teils geltend. Auf die Privatwohnung entfielen Vorsteuern bis zum 31.12.2003 in Höhe von insgesamt 42.978,89 €. Als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe legte die Klägerin bis einschließlich 2006 jeweils 10 % der auf die Privatwohnung entfallenden Herstellungskosten in Höhe von insgesamt 270.226,64 € bis zum 31.12.2003 zugrunde und unterwarf den sich hiernach ergebenden Betrag gemäß § 3 Abs. 9a UStG 2007.

Ab 1.1.2007 vermietet die Klägerin dann das gesamte Gebäude für monatlich 1.500 € zzgl. Umsatzsteuer an ihren Ehemann. Die Nutzungsanteile änderten sich nicht. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin entsprechend steuerpflichtige Vermietungsumsätze in Höhe von insgesamt 18.000 €. Eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a UStG erklärte sie nicht mehr. Der Ehemann der Klägerin ordnete das Nutzungsrecht an dem Gebäude insgesamt seinem Unternehmen "Steuerberaterpraxis" zu und machte den vollen Vorsteuerabzug aus der Anmietung geltend. Hinsichtlich des unverändert privat genutzten Gebäudeteils erklärte er nach § 3 Abs. 9a UStG einer entgeltlichen Leistung gleichgestellte steuerpflichtige Umsätze. Das FA erkannte ab 2007 den Verzicht der Klägerin auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze hinsichtlich des für Wohnzwecke genutzten Gebäudeteils nicht an. Wegen der insoweit steuerfreien Vermietung des Gebäudes nahm das FA eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Höhe von 4.297,89 € bei der Klägerin vor und legte als steuerpflichtige Vermietungsumsätze einen Betrag von 3.600 € zugrunde. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 14.10.2015, V R 10/14). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Berichtigung der Vorsteuerbeträge nach § 15a Abs. 1 UStG erfüllt sind. Ändern sich bei einem Grundstück die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung, so ist gemäß § 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Eine solche Änderung der Verhältnisse liegt hier vor: War die Klägerin im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, so berechtigte sie die Vermietung des gesamten Gebäudes ab 1. Januar 2007 nur noch zu dem auf die als Steuerberatungspraxis genutzte Einliegerwohnung entfallenden Anteil zum Vorsteuerabzug.

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG u.a. die Steuer für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (z.B. zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude - einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils - entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG abziehen. Die Berechtigung der Klägerin zum vollen Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Durch die Vermietung des gesamten Gebäudes ab 1. Januar 2007 ist eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG eingetreten. Die Klägerin nutzte ab diesem Zeitpunkt zwar das gesamte Gebäude zur Ausführung von Vermietungsumsätzen, konnte aber wirksam nur hinsichtlich des auf die Einliegerwohnung entfallenden unternehmerisch genutzten Teils zur Steuerpflicht optieren. Hinsichtlich der Familienwohnung liegen die Voraussetzungen für eine Option nicht vor, weil der Leistungsempfänger (der Ehemann der Klägerin) die bezogene Mietleistung insoweit nicht seinem Unternehmen zuordnen konnte. Dieser Umsatz wurde daher nicht an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt (§ 9 Abs. 1 UStG). Da die Vermietungsumsätze der Klägerin hinsichtlich der privat genutzten Wohnung steuerfrei sind, führen sie gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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