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Zu den materiellen Merkmalen des Vorsteuerabzugs (Kommentar von Udo Cremer)

26.03.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wer trägt die Darlegungslast für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs? Udo Cremer kommentiert für Sie das Urteil des Bundesfinanzhofs zum Vorsteuerabzug vom 13. Dezember 2018 (V R 65/16).

Für das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trägt der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, die Darlegungslast.

Der Kläger, der im Streitzeitraum (2001, 2002, 2004 bis 2006) hauptberuflich als Angestellter tätig war, hat für sein nebenberuflich betriebenes Unternehmen ("Import u. Export S") in den Umsatzsteuervoranmeldungen 07/04 bis 12/04 Vorsteuer aus insgesamt zwölf Rechnungen der EA-GmbH (EA) in Höhe von insgesamt 168.642 € geltend gemacht. In den Rechnungen der EA wird über die Lieferung von Sportbekleidung und Schuhen abgerechnet. Im Rahmen eines von der Steuerfahndungsstelle des FA gegen den Kläger durchgeführten Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 07/04 bis 12/04 wurde u.a. der Laptop-Rechner des Klägers sichergestellt. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung hatte der Kläger in den Jahren 2001 bis 2004 Beträge für Schuhe und T-Shirts in bar vereinnahmt, jedoch keine Bareinnahmen im Kassenbuch eingetragen. Es handelte sich um Bareinnahmen in Höhe von 1.820 DM (2001), 2.442 € (2002), 395 € (2003) und 1.815 € (2004). Zudem hatte die Steuerfahndung handschriftliche Aufzeichnungen für Bestellungen gefunden. Für diese Bestellungen waren in der Buchhaltung für 2003 keine korrespondierenden Rechnungen als Betriebseinnahmen verbucht.

Bei der Überprüfung der Warenein- und -ausgänge wurde festgestellt, dass der Kläger (lt. Wareneingangs- und -ausgangsrechnungen) mehr verkauft als er eingekauft hat. Auf dem privaten Girokonto des Klägers waren keine Barauszahlungen feststellbar, obwohl dieses das Gehaltskonto der Ehegatten darstellte. Außer für 2003 (Privatentnahmen in Höhe von 33.000 €) sind in den Streitjahren keine Entnahmen gebucht worden, obwohl private Rechnungen durch Barzahlungen beglichen worden sind. Weiterhin unterstützte der Kläger seine Mutter mit monatlichen Barzahlungen in Höhe von 500 €. Der Kläger hat im Jahr 2004 40.250 € von einer Kassenstelle seines Arbeitgebers bar ausbezahlt bekommen, auf seinem Konto hingegen Bareinzahlungen in Höhe von 42.350 € geleistet. Auf dem privaten Girokonto des Klägers wurde am 13. Februar 2006 ein Scheck in Höhe von 326.372,96 € gutgeschrieben. Scheckaussteller war die Firma Z-KG (Z). Der Zahlungsempfänger lt. Scheckkopie war hingegen die Firma Y-GmbH (Y). Von der Gutschrift wurde vom Kläger am 14. Februar 2006 eine Teilsumme von 276.000 € auf ein Termingeldkonto übertragen und ein weiterer Teilbetrag in Höhe von 9.532,50 € per Überweisung an den X e.V. bezahlt. Am 22. Februar 2006 wurde von dem genannten Termingeldkonto ein Betrag von 260.000 € auf das Girokonto des Klägers zurückgebucht. Am 23. Februar 2006 überwies der Kläger mittels zweier Überweisungsaufträgen 40.000 € an "P-Spielertr./PL." und 220.000 € an "Q-Spielertr./PL.". Als Verwendungszweck ist jeweils "Spielertransfer Polen" angegeben.

Nach Überzeugung der Prüferin verblieb dem Kläger nach dieser Geschäftsabwicklung ein Nettobetrag von 49.000 €, den sie als Provisionseinnahme für die Vermittlungsleistung im Rahmen eines Spielertransfers ansah und als Umsatz zum Regelsteuersatz erfasste. Wegen der Einreichung des Schecks ist der Kläger wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Die Fahndungsprüferin schätzte in den Streitjahren Umsätze zum Regelsteuersatz in folgendem Umfang zu: 34.000 DM (2001), 26.000 € (2002), 25.850 € (2004), 17.250 € (2005), 17.250 € (2006). Des Weiteren hat die Prüferin die Umsätze aus unentgeltlichen Wertabgaben in 2004 geringfügig erhöht. Das FA erkannte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der EA nicht an und änderte auch im Übrigen die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend den Feststellungen der Fahndungsprüfung.

Das FG wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren ab. Dem Kläger stehe aus den Rechnungen der EA kein Vorsteuerabzug zu. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (BFH Urteil vom 13.12.2018, V R 65/16). Das FG hat zu Recht sowohl die Umsatzhinzuschätzungen als auch die umsatzsteuerliche Erfassung der Scheckeinlösung bestätigt. Das FG hat dem Kläger im Ergebnis auch zu Recht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der EA versagt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das FG zwar zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger der Vorsteuerabzug bereits deshalb zu versagen sei, weil an der auf den Rechnungen ausgewiesenen Anschrift der EA zum Zeitpunkt der angeblichen Lieferungen keine geschäftlichen Aktivitäten mehr stattgefunden hätten. Nach dem EuGH-Urteil Geissel und Butin (EU:C:2017:867), das das FG bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, ist für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht erforderlich, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Der Vorsteuerabzug steht dem Kläger aber dennoch nicht zu, weil es an der materiellen Voraussetzung nach § 15 Abs. 1 UStG, einer Lieferung von einem anderen Unternehmer, fehlt: Nach den Feststellungen des FG hat jedenfalls nicht EA die streitigen Lieferungen ausgeführt. Es konnte nicht geklärt werden, wer Lieferer gewesen ist und ob die Lieferungen überhaupt stattgefunden haben. Hierfür trägt der Kläger die Feststellungslast. Die Würdigung des FG, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob die Lieferungen, aus denen der Kläger den Vorsteuerabzug geltend macht, überhaupt stattgefunden haben und falls dies der Fall gewesen sein sollte, jedenfalls nicht die EA die Lieferungen ausgeführt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das FG hat die festgestellten Umstände umfassend in seine Würdigung einbezogen und dabei u.a. berücksichtigt, dass auf den Rechnungen der EA als Kontoverbindung eine Sparkasse angegeben war, die nach einer Fusion bereits seit 1995 nicht mehr existierte. Zudem befanden sich auf dem Laptop des Klägers Dateifragmente, die den Rechnungen der EA zugewiesen werden konnten. Unterlagen zur Geschäftsanbahnung und -durchführung (Gesprächsnotizen, Angebote, E-Mails, Telefaxe, Telefon- und Faxnummern, etc.) mit der EA wurden dagegen nicht gefunden. Die EA hatte bereits im April 2004 einen Räumungsverkauf abgehalten und Mitte April ihre Geschäftsräume aufgegeben. Der Geschäftsführer der EA hat ab dem Voranmeldungszeitraum Mai 2004 keine Voranmeldungen für die EA abgegeben mit der Begründung, dass keine Umsätze mehr angefallen seien. Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 06-12/2003 wurden bei der EA keine Einkaufsrechnungen vorgefunden, die sich den vom Kläger geltend gemachten Einkäufen zuordnen ließen. Die EA hat auch keine Vorsteuer für entsprechende Einkäufe geltend gemacht. Das Sortiment der EA wich zu diesem Zeitpunkt substanziell von den auf den strittigen Rechnungen abgerechneten Waren ab. Der letzte im beauftragten Steuerbüro gebuchte Stand ist der 29. Februar 2004. Die Würdigung, dass danach EA nicht die fraglichen Lieferungen ausgeführt hat, ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und weist weder Verstöße gegen Denkgesetze auf noch vernachlässigt sie wesentliche Umstände.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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