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WEG fehlt Beschlusskompetenz für Stilllegung eines Schwimmbades im Keller!

04.07.2022  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: IBR Immobilien & Baurecht.

WEG §§ 19, 20: Die Eigentümer können nicht beschließen, ein Schwimmbad und eine Sauna in der Eigentumsanlage zu schließen. Jedenfalls dann nicht, wenn die Teilungserklärung die Instandhaltung dieser Anlagen vorschreibt. (AG Hamburg-Altona, Urteil vom 11.01.2022 - 303c C 10/21)

Tenor:

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft G vom 12.08.2021 zu den Tagesordnungspunkten 9 und 10 werden für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf Euro 7.000,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Ungültigerklärung zweier Beschlüsse, die auf einer Wohnungseigentümerversammlung gefasst wurden. Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. In der Teilungserklärung (Anlage K1, Bl. 7ff d.A.) sind unter § 5 Nr. 6 "das Schwimmbad mit WC, Dusche, Sauna und Filterraum" als gemeinschaftliches Eigentum ausgewiesen. § 7 Nr. 1 der Teilungserklärung lautet: "Die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Sie ist vom Verwalter durchzuführen." Die Eigentümer haben über den Instandsetzungsbedarf hinsichtlich der in der Liegenschaft vorhandenen Schwimmbad- und Saunaanlage beraten. Dabei haben sie in der Versammlung vom 12.08.21 beschlossen, den vorhandenen Instandsetzungsbedarf unerledigt zu lassen und Schwimmbad wie Sauna stillzulegen.

Hinsichtlich des Schwimmbades wurde beschlossen: "Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Stilllegung des Schwimmbades im Keller der Anlage. Die Verwaltung wird ermächtigt, entsprechende Aufträge zu erteilen. Die Kosten für die Stilllegung werden durch eine Einnahme aus der Instandhaltungsrücklage finanziert. Das Budget für die Arbeiten wird auf maximal 3.000 Euro brutto festgelegt." Zur Sauna mit Duschanlage wurde folgender Beschluss gefasst: "Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Stilllegung der Sauna mit Duschanlage im Keller. Die Verwaltung wird ermächtigt, entsprechende Aufträge zu erteilen."

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Stilllegung des Schwimmbades stelle keine Maßnahme zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dar und sei somit rechtswidrig. Der Stilllegungsbeschluss könne nicht als Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung verstanden werden und würde zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen.

Es handele sich um die Aufgabe der Gebrauchsmöglichkeit des gemeinschaftlichen Eigentums, für die der WEG die Beschlusskompetenz fehle. Zudem sei der Beschluss nicht hinreichend konkretisiert, weil der Verwaltung die Gelegenheit eingeräumt werde, etwaige Aufträge auszulösen, ohne dass die Beschlussfassung erkennen lasse, worauf diese Aufträge gerichtet sein sollten. Der wirtschaftliche Aufwand dürfe auch nicht aus der Instandhaltungsrücklage entnommen werden. Für die Stilllegung der Sauna gelte Entsprechendes.

Die Klägerin beantragt, die in der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft G am 12.08.2021 zu den Tagesordnungspunkten

  • TOP 9 Beschlussfassung zur Stilllegung des Schwimmbades und
  • TOP 10 Beschlussfassung zur Stilllegung der Sauna mit Duschanlage im Keller gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, der Stilllegungsbeschluss könne als Grundlagenbeschluss über eine bauliche Veränderung nach § 20 WEG n. F. verstanden werden. Das neue Recht sei wesentlich veränderungsfreundlicher geworden. Vorliegend hätten die Eigentümer lediglich über das "Ob" der baulichen Maßnahme entschieden, nicht über das "Wie". Es liege weder eine grundlegende Umgestaltung noch eine unbillige Benachteiligung einzelner Eigentümer vor. Soweit die Verwaltung ermächtigt wurde, Aufträge zu erteilen, liege keine unzulässige Delegation vor. Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ungültigerklärung der angegriffenen Beschlüsse gemäß §§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 4 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. WEG zu, weil diese nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Die Beschlussfassung durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer findet ihre Grenzen in § 19 Abs. 1 WEG. Danach beschließen die Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung. Zu dieser gehört insbesondere die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Durch die Beschlüsse, die zur Stilllegung von Schwimmbad und Sauna mit Duschanlage führen sollen, wird diese Grenze überschritten.

Die beiden genannten Einrichtungen gehören zum Gemeinschaftseigentum und in der Teilungserklärung unter § 5 Nr. 6 ausdrücklich als solches aufgeführt. In Verbindung mit § 7 Nr. 1 der Teilungserklärung obliegt es daher der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sie instandzuhalten. Dieser aus der Teilungserklärung hervorgehenden Verpflichtung stehen die gefassten Beschlüsse entgegen, so dass sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Denn aus § 19 Abs. 1 WEG ergibt sich weiter, dass die Beschlusskompetenz der Eigentümer voraussetzt, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und die Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt sind. Derartige Regelungen enthalten jedoch die vorbezeichneten Klauseln der Teilungserklärung. Sie sind daher beschlussfest.

Bereits für den alten Rechtszustand ist entschieden worden, dass die Nichtinbetriebnahme einer in der Teilungserklärung als instandzuhalten genannten Einrichtung eine bauliche Veränderung darstellt, die nicht mehrheitlich beschlossen werden kann (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 29. November 2006 - 5 W 104/06 - 39; vgl. auch AG München, Urteil vom 11. Januar 2017 - 485 C 12234/16). Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die beiden vorgenannten Entscheidungen nur entschieden habe, dass die Nutzung nicht durch Mehrheitsbeschluss verboten werden dürfe, wenn dadurch die Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigt werde und eine solche Sachverhaltskonstellation hier nicht vorliege, ist darauf hinzuweisen, dass die Existenz eines Schwimmbades die Kaufentscheidung erheblich beeinflussen kann (so auch AG München, Urteil vom 11. Januar 2017 - 485 C 12234/16) und die Nutzung einer Wohnung durch den Wegfall des im gleichen Gebäude liegenden Schwimmbads (oder einer Sauna) erheblich beeinträchtigt wird. Denn der Vergleichsmaßstab für die Frage der erheblichen Beeinträchtigung sind nicht Wohnungen ohne Schwimmbad und Sauna, sondern Wohnungen, die über beides im gleichen Gebäude verfügen.

Darauf, dass § 20 Abs. 1 WEG erlaubt, Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), zu beschließen, kann sich die Beklagte nicht berufen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Stilllegung einer Einrichtung überhaupt - wie es das Oberlandesgericht Saarbrücken in seiner vorzitierten Entscheidung getan hat - als bauliche Veränderung im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann (wogegen bereits sprechen könnte, dass die Maßnahme "über die Erhaltung hinaus" gehen muss und dementsprechend im Gesetzesentwurf der Bundesregierung stets von "Bauwilligen" die Rede ist, vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 62ff). Auch eine Beschlussfassung über bauliche Veränderungen ist nur in den o. g. Grenzen des § 19 Abs. 1 WEG zulässig. Das folgt bereits aus der Formulierung "Soweit die Verwaltung (...) nicht durch Vereinbarung geregelt sind (...)". Denn § 20 WEG, der die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung über bauliche Veränderungen regelt, setzt nach hier vertretener Auffassung zunächst voraus, dass überhaupt eine Beschlussfassung zulässig ist. Das heißt, dass jede Beschlussfassung, die einer Vereinbarung widerspricht, nicht nach § 20 WEG beurteilt werden kann, sondern gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstößt.

Das folgt zum einen aus dem Zusammenspiel der beiden Vorschriften: § 19 WEG erlaubt keine von der Teilungserklärung abweichende Beschlussfassung über Art und Umfang der ordnungsgemäßen Erhaltung des Eigentums. Eine Regelung in der Teilungserklärung oder durch eine sonstige Vereinbarung, die lediglich die näheren Modalitäten der Instandhaltung und Instandsetzung regelt, greift in die Rechte der einzelnen Eigentümer möglicherweise nur geringfügig ein, steht einer Beschlussfassung jedoch ausdrücklich entgegen. § 20 WEG betrifft Fälle, in denen Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, betroffen sind, also regelmäßig schwerwiegendere Eingriffe. Es wäre widersinnig, diese schwereren Eingriffe, wenn sie gegen Vereinbarungen verstoßen, zuzulassen, obgleich geringfügigere Eingriffe durch Mehrheitsbeschluss nicht möglich wären. Denn beide Vorschriften dienen dem Interessenausgleich der Eigentümer untereinander.

Darüber hinaus galt schon für §§ 21, 22 WEG a.F., die der Struktur nach ähnlich gestaltet waren, dass bauliche Veränderungen im Allgemeinen (nach § 22 Abs. 1 WEG a.F.) nur beschlossen werden durften, wenn dem keine Vereinbarung entgegenstand. Das ergab sich aus § 22 Abs. 2 Satz 2 WEG a.F., wonach im Einzelnen genannte Maßnahmen der baulichen Veränderung selbst dann beschlossen werden durften, wenn dem eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer entgegenstand.

Die angegriffenen Beschlüsse sind nach allem schon deshalb für ungültig zu erklären, weil die Teilungserklärung vorschreibt, dass Schwimmbad und Dusche nebst Sauna durch die Gemeinschaft instandzuhalten sind. Eine Stilllegung ist nur einstimmig möglich. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48, 43 GKG i.V.m. 3 ZPO. Es besteht kein Anlass, von der Schätzung der Klägerin, der die Beklagte nicht entgegen getreten ist, abzuweichen.

Bild: Qimono (Pixabay, Pixabay License)

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