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Was darf ein ehemaliger Arbeitnehmer im Wettbewerb zum früheren Arbeitgeber?

29.09.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: none.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 11.03.2010 – I ZR 27/08) zur Frage, ob ein Arbeitnehmer Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers abwerben darf und welche Vorgehensweisen hierbei erlaubt sind

Einleitung

Ein Arbeitnehmer unterliegt in einem bestehenden Arbeitsverhältnis einem Wettbewerbsverbot. Untersagt sind alle Betätigungen, die die Interessen des Arbeitgebers gefährden können. Unzulässig ist daher jede Nebentätigkeit, die im Geschäfts- und Marktbereich des Arbeitgebers angesiedelt ist und geeignet ist, dessen Geschäftsinteressen zu gefährden, sofern sie der Arbeitgeber nicht genehmigt.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Arbeitnehmer nur noch den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen. Ein umfassendes nachträgliches Wettbewerbsverbot gilt allenfalls dann, wenn ein solches arbeitsvertraglich vereinbart war und hierfür eine angemessene Karenzentschädigung gezahlt wird. Ist ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht vereinbart, ist es wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der ehemalige Arbeitnehmer versucht, in den Kundenkreis des ehemaligen Arbeitgebers einzudringen. Der ehemalige Arbeitnehmer handelt unlauter und damit wettbewerbswidrig, wenn er das Eindringen in den Kundenkreis während seiner bestehenden Beschäftigung und damit während des Bestehens eines Wettbewerbsverbotes vorbereitet hat. Eine Vorbereitung kann z. B. in der Beschaffung geheimer Geschäftsunterlagen (z. B. der Kundenlisten) liegen. Wettbewerbswidrig ist ein Handeln auch dann, wenn die Abwerbung der Kunden auf „einen Schlag“ geschieht und die Betriebstätigkeit des Mitbewerbers dadurch vollständig zum Erliegen kommt. Drängt der ehemalige Arbeitnehmer jedoch aufgrund eigener, nicht wettbewerbswidrig erlangter Informationen, in die Kundenbeziehungen des ehemaligen Arbeitgebers, ist dies an sich nicht wettbewerbswidrig. Hierbei stellt sich jedoch weiter die Frage, mit welchen Mitteln der ehemalige Arbeitnehmer in wettbewerbsgemäßer Weise die Kunden des ehemaligen Arbeitgebers ansprechen darf.

Mit dieser Frage hat sich kürzlich der Bundesgerichtshof (Urt. v. 11.03.2010 – I ZR 27/08) auseinander gesetzt.


Sachverhalt

Einer der ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin, Dr. P, und Herr M gründeten Ende Januar 2006 ein zu der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen, die Beklagte. Zu dieser wechselten ebenfalls Ende Januar 2006 sechs weitere ehemalige Mitarbeiter der Klägerin. Dr. P und Herr M waren als Vertriebs- und Betriebsleiter bei der Klägerin tätig und hatten in dieser Funktion engen Kundenkontakt. Um die Leistungsangebote und das Personal der neu gegründeten Beklagten am Markt vorzustellen, nahmen deren Geschäftsführer im Februar 2006 Kontakt zu den Kunden auf, die ihnen noch aus ihrer früheren Tätigkeit bei der Klägerin bekannt waren. Zunächst rief Herr M Anfang Februar 2006 den Angestellten F der A-GmbH, sowie den Werksleiter des Unternehmens W an, beides Kunden der Klägerin. Am darauf folgenden Tag, übersandte Herr M an Herrn F eine E-Mail und gab die neuen Kontaktdaten und sein allgemeines Interesse an Aufträgen bekannt. Die Klägerin beanstandete die Telefonanrufe und das Versenden der E-Mail als wettbewerbswidriges Verhalten, mahnte dieses ab und verlangte Auskunftserteilung sowie Schadensersatz.


Entscheidung

Der BGH hielt das Zusenden der E-Mailwerbung für wettbewerbswidrig und sprach der Klägerin den Unterlassungsanspruch, sowie die verlangte Auskunft und den Schadensersatz zu. Das Verhalten beurteile sich gem. § 7 abs. 2 Nr. 3 UWG, der zum damaligen Zeitpunkt eine konkludente Einwilligung der Zusendung der Werbung voraussetzte (heute: vorherige ausdrückliche Einwilligung). Eine konkludente Einwilligung (sich aus den Umständen ergebende Einwilligung) wurde in dem vorab geführten Telefongespräch nicht gegeben. Nach heutigem Maßstab müsste der ehemalige Arbeitnehmer sogar ausdrücklich fragen, ob die Zusendung weiterer Werbung / Informationen gewollt sei und der Kunde müsste dies mit „Ja“ beantworten.

Die vorherigen Telefonanrufe beanstandete der BGH hingegen nicht. Telefonanrufe bei Unternehmen zu Werbezwecken könnten zwar grundsätzlich wettbewerbswidrig sein, weil sie zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen der beruflichen Tätigkeit des Angerufenen führen könnten. Wer einen Telefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält, rechne jedoch mit Anrufen, mit denen der Anrufer ein akquisitorisches Bemühen verfolgt. Im geschäftlichen Verkehr sei daher bereits bei einer mutmaßlichen Einwilligung des Kunden Telefonwerbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG zulässig. Um zu klären, ob eine mutmaßliche Einwilligung vorgelegen habe, komme es darauf an, ob der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüber stehen. Eine solche Annahme sei insbesondere dann gerechtfertigt, wenn die telefonische Werbemaßnahme einen sachlichen Zusammenhang zu einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung aufweise. Eine solche bereits bestehende Geschäftsverbindung bestand vorliegend nicht. Ausreichend sei jedoch auch der bereits bestehende persönliche Kontakt, den die früheren Mitarbeiter der Klägerin im Rahmen ihrer damaligen Tätigkeit zu den Kunden geknüpft haben. Der Kunde habe ein Interesse daran zu erfahren, dass der fragliche Mitarbeiter nun nicht mehr bei der Klägerin tätig ist und dass mit ihm mehrere weitere Mitarbeiter gewechselt sind. Die mutmaßliche Einwilligung umfasse auch die Art der Werbung. Die Beklagte könne davon ausgehen, dass der Kunde mit einem kurzen Telefonat einverstanden sein werde, da die persönliche Kontaktaufnahme zugleich die Möglichkeit biete, sich beim Anrufer nach Einzelheiten zu erkundigen.


Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, dass Arbeitnehmer durchaus befugt sind, in den Kundenkreis ihres ehemaligen Arbeitgebers einzudringen und Wettbewerb zu betreiben. Jedoch muss der ehemalige Arbeitgeber nicht jegliches Werbeverhalten seiner früheren Arbeitnehmer dulden. Einem Außenstehenden ist dabei nicht wirklich erklärbar, dass der frühere Arbeitgeber zwar keine E-Mails (gleiches gilt für automatische Anrufmaschine oder Fax) seines ehemaligen Arbeitnehmers an seine Kunden dulden muss – sofern der Kunde nicht ausdrücklich darum gebeten hat – er jedoch nicht verhindern kann, dass der frühere Arbeitnehmer seine Kunden anruft und ihnen seine neue Selbständigkeit mitteilt. Warum ein Anruf weniger einschneidend sein soll, als eine kurze E-Mail ist nur schwer verständlich, vom Gesetzgeber aber so vorgesehen.

Quelle: Irene Bergmann, LL.M. (Taylor Wessing Berlin)
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