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Vorsteuerabzug im Regelverfahren bei ungeklärter Ansässigkeit und offenem Umsatzsteuerausweis (Kommentar von Udo Cremer)

02.03.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Was beim Vorsteuerabzug bei ungeklärter Ansässigkeit und offenem Umsatzsteuerausweis des Unternehmers zu beachten ist, erklärt Experte Udo Cremer.

Ist unklar, ob ein Unternehmer, der Windkraftanlagen im Inland betreibt, im In- oder Ausland ansässig ist, kann er Vorsteuerbeträge im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen, wenn er trotz möglicher Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt hat und er deshalb ohnehin verpflichtet ist, die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären.

Klägerin ist die "W-KG" (KG). Sie wurde am 1.9.2007 mit Satzungssitz in Deutschland gegründet. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die nach dänischem Recht gegründete Fa. Y mit dänischer Geschäftsanschrift, diese vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten Direktor M, wohnhaft in Deutschland. Kommanditistin ist die ebenfalls nach dänischem Recht gegründete Fa. Z. Nach den Feststellungen des FG verfügt die Klägerin weder in Deutschland noch in Dänemark über ein eigenes Büro oder Personal. Die laufende kaufmännische Geschäftsführung und die laufende Betriebsführung hat die KG an die D-GmbH in Deutschland übertragen. Die Gemeindewerke H-GmbH hatte im Jahre 2003 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der V, einen Vertrag über die Lieferung von Strom geschlossen, in den die Klägerin mit Vertrag vom 14.11.2007 eingetreten ist. Mit Wirkung zum 31.12.2007, 1.4.2008 und 1.7.2008 veräußerte die Klägerin die drei Windkraftanlagen an Gesellschaften mit der Bezeichnung "Windpark H I bis III".

Die Klägerin trug vor, sie habe den Betrieb der Stromerzeugung eingestellt und nehme nur noch die Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben für die neuen Eigentümergesellschaften vor. Sie erteilte jedoch im Streitjahr 2008 ganzjährig Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis an die Gemeindewerke H-GmbH über netto 620.041,21 EUR (Umsatzsteuer darauf 117.807,82 EUR). Am 25.8.2009 reichte die Klägerin im Verlauf einer Betriebsprüfung erstmals eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2008) ein mit Umsätzen von 337.926 EUR, was der Höhe nach den Umsätzen für Januar bis Juni 2008 entsprach, sowie Vorsteuerbeträgen von 29.429,65 EUR, sodass sich eine Umsatzsteuer von 34.776,29 EUR ergab. Der Betriebsprüfer vertrat die Rechtsauffassung, die Klägerin sei nicht als inländische Unternehmerin anzusehen, da sie im Inland keine Betriebsstätte unterhalte, sodass nach § 13b Abs. 4 UStG in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung die Gemeindewerke H-GmbH die Umsatzsteuern einzubehalten habe.

Wegen der Rechnungsstellung mit offenem Umsatzsteuerausweis schulde die Klägerin jedoch Umsatzsteuer nach § 14c UStG, allerdings ohne Vorsteuerabzug, weil sie diesen im Vergütungsverfahren geltend machen müsse. Das FA folgte dem Prüfer und erließ am 27.1.2010 einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 in Höhe von 64.205,94 EUR, was der Summe der Umsatzsteuer für die Umsätze Januar bis Juni 2008 ohne Vorsteuerabzug entsprach.

Das FG setzte die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrag der Klägerin auf 88.378,05 EUR herab und führte zur Begründung seines in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1890 veröffentlichten Urteils aus: Die Klägerin habe in der ersten Jahreshälfte 2008 (Umsatzsteuer darauf = 64.205,94 EUR) als inländische Unternehmerin Stromlieferungen erbracht, da sie über eine feste inländische Zweigniederlassung in Form der Windräder verfügt habe. Die fehlende personelle Ausstattung der inländischen Zweigniederlassung werde durch die starke sachliche Ausstattung kompensiert. Daher finde keine Umkehr der Steuerschuld nach § 13b Abs. 4 UStG statt. Ob die Klägerin im Hinblick auf die Veräußerung der Windkraftanlagen auch in der zweiten Jahreshälfte selbst noch Stromlieferungen erbracht habe, sei wegen der Veräußerungen der Windräder zweifelhaft. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass die Erwerber in den Stromlieferungsvertrag der Gemeinde eingetreten seien. Zudem sei auch nach den Veräußerungen die Klägerin aufgrund der Rechnungsstellung als Leistende aufgetreten. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, da die Klägerin die Umsatzsteuer auch für die zweite Jahreshälfte nach § 14c Abs. 2 UStG schulde. Der Klägerin stehe auch der geltend gemachte Vorsteuerabzug zu, der auf Leistungsbezüge für das erste Halbjahr 2008 entfalle. Die Klägerin sei nicht auf das Vergütungsverfahren zu verweisen, weil sie verpflichtet sei, ihre Umsätze im Regelbesteuerungsverfahren zu erklären.

Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 19.11.2014 - V R 41/13). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Vorsteuererstattung gemäß § 15 Abs. 1 UStG im Besteuerungsverfahren nach § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1 bis 4 UStG hat; das insoweit subsidiäre Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff UStDV kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Hierfür ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin im Inland oder in Dänemark ansässig ist. Denn auch ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge in dieser Steuererklärung geltend zu machen. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung umfasst aber nach § 18 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 4 UStG auch die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten Steuerbeträge. Wie sich aus dem Umsatzsteuerbescheid des FA ergibt, schuldet die Klägerin Umsatzsteuern in Höhe von 117.807,70 EUR. Denn sie hat aufgrund ihrer Stromlieferungen an die Gemeindewerke H-GmbH im Inland steuerbare Leistungen erbracht.

Der Leistungsort richtet sich bei Stromlieferungen an einen Unternehmer nach dem (inländischen) Verbrauchsort. Sollte die Klägerin in der zweiten Jahreshälfte des Streitjahres die Lieferungen wegen der Veräußerung der Windkraftanlagen nicht mehr selbst erbracht haben, obwohl sie sie im eigenen Namen weiter berechnet hat, würde sich die Steuerschuld wegen der Rechnungsstellung mit offenem Umsatzsteuerausweis jedenfalls insoweit aus § 14c Abs. 1 UStG ergeben. Das FG hat zu Gunsten der Klägerin auch zu Recht den Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren gewährt und nicht auf das Vergütungsverfahren verwiesen. Die Klägerin hat aufgrund der Wartungsarbeiten an den Windkraftanlagen dem Grunde und der Höhe nach Vorleistungen mit gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuern von 29.429,65 EUR bezogen, die zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG berechtigten. Nach den Feststellungen des FG stehen diese Vorleistungen auch in Zusammenhang mit den Stromlieferungen, die die Klägerin im ersten Halbjahr 2008 erbracht hat.


Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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