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Voraussetzungen für die Anordnung einer Außenprüfung bei einem freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen (Kommentar von Udo Cremer)

18.11.2014  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Unser Experte Udo Cremer klärt im folgenden Beispiel die Zulässigkeit der Anordnung einer Außenprüfung.

Der Kläger ist Steuerberater. Nachdem er zunächst selbständig tätig war, übertrug er seine Praxis auf eine von ihm gegründete Steuerberatungsgesellschaft mbH, die er mit Wirkung zum 1.1.2000 veräußerte. Seither ist der Kläger noch im geringen Umfang als Steuerberater selbständig tätig und erklärte in den Streitjahren 2006 bis 2008 jeweils Verluste. Daneben erzielte der Kläger Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung mehrerer Objekte. Für die Jahre bis 1998 wurden beim Kläger mehrere Betriebs- und Sonderprüfungen durchgeführt, zuletzt aufgrund einer Prüfungsanordnung aus dem Jahr 2000.

Am 23.6.2010 wandte sich die Veranlagungsstelle des FA mit einem Prüfungsersuchen an die Betriebsprüfungsstelle des FA. In der Anlage zum Prüfungsersuchen sind verschiedene prüfungswürdige Punkte aufgelistet, z.B. zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit, in denen Gerichts- und Anwaltskosten enthalten seien. Zu klären sei, ob diese im Rahmen des § 17 EStG zu erfassen seien und ob gegebenenfalls die Anwendung des § 3c EStG in Betracht komme. Des Weiteren seien die Abgrenzung der gezahlten Umsatzsteuerbeträge bei zwei der Vermietungsobjekte sowie weitere Punkte bei zwei anderen Vermietungsobjekten zu prüfen. Daraufhin wurde der Steuerfall von der Betriebsprüfungsstelle am 21.6.2010 als prüfungsbedürftig eingestuft und in den Prüfungsplan 2011 aufgenommen. Mit Bescheid vom 18.10.2011 ordnete das FA unter Hinweis auf § 193 Abs. 1 AO eine Betriebsprüfung beim Kläger an, die sich auf die Einkommen- und Umsatzsteuer 2006 bis 2008 erstrecken sollte. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (BFH-Beschluss vom 14.7.2014, III B 8/14). Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen. Ferner fehlt die grundsätzliche Bedeutung u.a. dann, wenn die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob die Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darstellt, wenn eine vollständige Prüfung des dem Prüfungszeitraum zugrundeliegenden Sachverhalts auch durch den Innendienst hätte erfolgen können.

Diese Rechtsfrage ist indes nicht klärungsbedürftig, da sich die Grundsätze über die Zulässigkeit der Anordnung einer Außenprüfung in den in § 193 Abs. 1 AO genannten Fällen aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung des BFH ergeben.

Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung u.a. bei Steuerpflichtigen zulässig, die freiberuflich tätig sind. Zudem folgt aus dem Zweck der Vorschrift, welche die steuerlichen Verhältnisse von Unternehmern für besonders prüfungsbedürftig hält, dass die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Abs. 1 AO geprüft werden, wenn sie ihren Betrieb bereits veräußert oder aufgegeben haben. Daher sind im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig, weshalb auch Kleinstbetriebe "prüfungsrelevant" sind. Auch bei Kleinstbetrieben besteht kein Anspruch auf Einhaltung eines bestimmten Prüfungsrhythmus, da eine zeitlich vorhersehbare Außenprüfung auch dem mit der Außenprüfung verfolgten Ziel, durch ihre präventive Wirkung zur richtigen Steuererhebung beizutragen, widersprechen würde. Im Gegensatz zu dem Fall einer nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO angeordneten Prüfung kommt es im Fall einer Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 1 AO nicht auf die weiteren Voraussetzungen an, ob die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist. Vielmehr hält der Gesetzgeber bei Steuerpflichtigen, die freiberuflich tätig sind, typisierend die Außenprüfung für das geeignete Mittel der Sachverhaltsermittlung. Betriebe dieser Art unterliegen kraft Gesetzes der Außenprüfung und sind daher verpflichtet, die damit verbundenen Eingriffe zu dulden.

Im Übrigen könnte nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden, ob die vollständige Prüfung des im Prüfungszeitraum verwirklichten Sachverhalts auch durch den Innendienst hätte erfolgen können und ob daraus ein Ermessensfehler i.S. des § 102 FGO im Hinblick auf die Anordnung einer Außenprüfung gefolgert werden kann. Auch dies schließt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf diese Fragestellung aus.

Die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage wäre in einem künftigen Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG lagen bei Würdigung der Gesamtumstände keine Anhaltspunkte für ein willkürliches oder schikanöses Verhalten des FA vor. Insbesondere hat das FG eine durch sachfremde Erwägungen geprägte Prüfungshäufung bereits mit Blick darauf verneint, dass die letzte Prüfung im Jahr 2000 und mithin etwa zehn Jahre vor der angegriffenen Prüfungsanordnung angeordnet wurde. An diese Feststellungen wäre der BFH in einem Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Ebenso hat das FG bereits nicht festgestellt, dass eine vollständige Prüfung des dem Prüfungszeitraum zugrundeliegenden Sachverhalts durch den Innendienst hätte erfolgen können. Vielmehr hat es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Klärung auch in anderer Weise möglich gewesen wäre. Gleichwohl hat es die beim Kläger mit der Prüfung einhergehenden Eingriffe im Hinblick auf die die Prüfungsanordnung rechtfertigenden Erwägungen nicht als unverhältnismäßig bewertet. Dies entspricht der gesetzlichen Konzeption des § 193 Abs. 1 AO, wonach ein Fall nicht vollständig im Innendienst ausermittelt sein muss, bevor eine Außenprüfung angeordnet werden darf, sondern eine umfassende Sachverhaltsaufklärung u.a. zur Entlastung der Veranlagungsstelle dient.


Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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