Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Voraussetzungen für die Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe bzw. Betriebsunterbrechung (Kommentar von Udo Cremer)

12.02.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wann liegt eine Betriebsunterbrechung vor? Und wann sind zwei unterschiedliche Betätigungen in einem Betrieb Teilbetriebe? Der BFH hat geurteilt (BFH Urteil vom 18.7.2018, X R 36/17) und Udo Cremer erläutert für Sie die wichtigsten Ergebnisse des Falls.

  1. Eine (die Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe vermeidende) Betriebsunterbrechung liegt vor, solange die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit objektiv möglich ist, der Steuerpflichtige keine Aufgabeerklärung abgibt und die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und nicht wesentlich umgestaltet werden. Ein freies Wahlrecht auf Fortführung "ewigen Betriebsvermögens" besteht allerdings nicht.
  2. Übt der Steuerpflichtige im Rahmen seines Betriebs zwei verschiedene Betätigungen aus, kommt es für die Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht darauf an, dass beide Betätigungen nach der Unterbrechung wieder aufgenommen werden können; vielmehr reicht die Aufnahme einer der beiden Betätigungen aus.
  3. Bei der Würdigung, ob zwei Betätigungen als Teilbetriebe anzusehen sind, tritt die Bedeutung des Merkmals des organisatorischen Zusammenhangs zwischen den Betätigungen im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung deutlich hinter die der anderen Merkmale zurück, wenn der Organisationsbedarf für eine der Betätigungen im konkreten Fall eher gering ist.

Jahr Pachterlöse sonstige Erlöse
2003   45.000 EUR
2004   210.061 EUR
2005 23.600 EUR 7.314 EUR
2006 31.300 EUR 168.579 EUR
2007 50.204 EUR 130.205 EUR
2008 51.550 EUR 67.401 EUR

Zum 31. Dezember 2008 veräußerte der Kläger das gesamte Sachanlagevermögen seines Einzelunternehmens für 175.000 EUR an die GmbH. Über diesen Vorgang existiert nur eine Rechnung des Klägers, aber kein schriftlicher Vertrag. Das FG hat festgestellt, dass der Kläger zu den folgenden Bilanzstichtagen im Einzelunternehmen nur noch die GmbH-Beteiligung bilanzierte. Weitere Feststellungen zum Inhalt der Jahresabschlüsse des Einzelunternehmens ab dem Jahr 2009 (insbesondere zur Höhe der erzielten Erlöse) hat es nicht getroffen. Das FA vertrat die Auffassung, zwischen dem Kläger und der GmbH habe eine Betriebsaufspaltung bestanden. Diese sei 2008 mit dem Verkauf des gesamten Sachanlagevermögens beendet worden. Darin liege eine Betriebsaufgabe des Einzelunternehmens. Im Rahmen dieser Betriebsaufgabe seien die GmbH-Anteile ins Privatvermögen zu überführen. Hieraus ermittelte das FA einen Aufgabegewinn von 364.871 EUR, dessen Höhe zwischen den Beteiligten im Klageverfahren unstreitig geworden ist. Diesen Gewinn erfasste es in dem angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008. Nach Zurückweisung des Einspruchs blieb auch die Klage ohne Erfolg (EFG 2018, 728). Das FG vertrat die Auffassung, das Einzelunternehmen habe nicht aus zwei Teilbetrieben, sondern nur aus zwei unselbständigen Tätigkeitsfeldern bestanden.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (BFH Urteil vom 18.7.2018, X R 36/17). Das FG hat keine Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage getroffen, ob der Kläger seine Bauträgertätigkeit für einen längeren Zeitraum tatsächlich eingestellt hat. Ob eine Betriebsaufspaltung bestanden hat und die sachliche Verflechtung beendet worden ist, ist für die Entscheidung des Streitfalls demgegenüber ohne Bedeutung. Darüber hinaus ist das FG zu den Anforderungen an die Möglichkeit der Wiederaufnahme eines unterbrochenen Betriebs bei Vorhandensein zweier gewerblicher Betätigungen sowie zur Frage der Existenz von Teilbetrieben von fehlerhaften rechtlichen Maßstäben ausgegangen.

Eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt. Die Betriebsaufgabe stellt allerdings einen tatsächlichen Vorgang dar. Daher kann sie nicht durch eine bloße Aufgabeerklärung und die Behauptung eines Aufgabewillens herbeigeführt werden, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, dass es sich um eine lediglich vorübergehende Betriebseinstellung handelt. Ebenso ist umgekehrt der Wille des Steuerpflichtigen, eine Betriebsaufgabe zu vermeiden und Wirtschaftsgüter weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln, unbeachtlich, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass diese Wirtschaftsgüter in absehbarer Zeit nicht mehr betrieblich genutzt oder verwertet werden. In einem solchen Fall werden die noch vorhandenen Wirtschaftsgüter zwingend Privatvermögen, sobald die anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden sind und die betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird. Eine ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung ist dann nicht erforderlich.

An einer (gewinnrealisierenden) Betriebsaufgabe fehlt es indes noch, solange der Betrieb lediglich unterbrochen ist. Eine derartige Betriebsunterbrechung wurde von der älteren Rechtsprechung angenommen, wenn bei Einstellung der werbenden Tätigkeit die Absicht besteht und die Verwirklichung dieser Absicht nach den äußerlich erkennbaren Umständen wahrscheinlich ist, den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleichartiger oder ähnlicher Weise wieder aufzunehmen, so dass der stillgelegte und der wiedereröffnete Betrieb als identisch anzusehen sind. Die neuere Rechtsprechung nimmt demgegenüber eine stärker objektivierende Betrachtung vor und unterstellt die Wiederaufnahmeabsicht, solange die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit objektiv möglich ist und der Steuerpflichtige keine eindeutige Aufgabeerklärung abgibt. Die objektive Möglichkeit zur Betriebsfortführung setzt wiederum voraus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und nicht entscheidend umgestaltet werden. Im zeitlichen Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3b Satz 1 EStG wird in den Fällen der Betriebsunterbrechung eine Betriebsaufgabe nur dann angenommen, wenn der Steuerpflichtige entweder eine ausdrückliche Aufgabeerklärung gegenüber dem FA abgibt oder dem FA alle Tatsachen für das Vorliegen einer Betriebsaufgabe bekannt werden. Diese Regelung ist im Streitfall allerdings noch nicht anwendbar, da sie nur für Betriebsaufgaben nach dem 4. November 2011 gilt.

Der rechtliche Gesichtspunkt, dass bei einem Betrieb, dessen Funktion sich darauf beschränkt, Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu sein, eine Zwangsbetriebsaufgabe anzunehmen ist, wenn die sachliche Verflechtung durch die Veräußerung der bisher an die Betriebs-Kapitalgesellschaft zur Nutzung überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen endet, ist für die Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung. Nicht folgen kann der Senat dem FG auch in dessen rechtlichem Ausgangspunkt, eine (zur Vermeidung der Erfüllung des Betriebsaufgabetatbestands einkommensteuerrechtlich beachtliche) künftige Wiederaufnahme der gewerblichen Tätigkeit setze die volle Identität zwischen der künftigen Tätigkeit und beiden vom Kläger bis Ende 2008 ausgeübten gewerblichen Betätigungen (Bauträgergeschäft und Verpachtung des Sachanlagevermögens) voraus. Das FG hat für diesen (nach Auffassung des Senats zu engen) Maßstab keine Belege aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung anführen können. Im Gegenteil hat der BFH erst kürzlich entschieden, für die Annahme einer Betriebsunterbrechung in Fällen, in denen der Steuerpflichtige im Rahmen seines Betriebs zwei verschiedene Betätigungen entfaltet, komme es nicht darauf an, dass beide Betätigungen nach der Unterbrechung wieder aufgenommen werden; vielmehr reiche die Aufnahme einer der beiden Betätigungen aus.

Unabhängig davon ist das FG-Urteil auch deshalb aufzuheben, weil die Vorinstanz bei ihrer Würdigung, der Kläger habe nicht zwei Teilbetriebe, sondern einen einheitlichen Betrieb geführt, von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist. Dabei geht der Senat davon aus, dass allein derjenige Teil des FG-Urteils tragend ist, in dem das FG das Vorliegen von Teilbetrieben verneint. Zwar befasst sich das FG am Schluss seiner Entscheidung auch mit der Frage, wie der Sachverhalt zu beurteilen sein könnte, wenn die beiden Geschäftsbereiche doch als Teilbetriebe anzusehen wären. Diesen Teil der Entscheidungsgründe hat das FG aber mit dem Begriff "dürfte" eingeleitet, was zeigt, dass es sich hierbei nicht um die endgültige rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts, sondern nur um vorläufige (und daher nicht tragende) Überlegungen handelt.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

Die aktuellen Seminartermine von Udo Cremer finden Sie hier »


nach oben