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Turbulenzen der Weltwirtschaft: Immer mehr deutsche Unternehmen verfehlen ihre Umsatz- und Gewinnziele

02.02.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Ernst & Young GmbH.

Die starken Schwankungen auf den weltweiten Absatzmärkten führen dazu, dass immer mehr deutsche Unternehmen ihre Umsatz- oder Gewinnprognosen korrigieren müssen – entweder nach unten oder nach oben. Nachdem im Jahr 2014 die Zahl der Gewinn- oder Umsatzwarnungen auf 80 und damit auf den höchsten Stand seit 2011 gestiegen war, mussten die Unternehmen 2015 erneut 80 Umsatz- oder Gewinnwarnungen abgeben1.

Besonders häufig enttäuschten Unternehmen aus der Automobilbranche ihre Anleger: Fast jeder zweite börsennotierte Autobauer oder -zulieferer (46 Prozent) reduzierte seine Gewinnprognose. Keine einzige Gewinnwarnung wurde hingegen von Unternehmen aus den Branchen Immobilien, Medien und Telekommunikation abgegeben.

Auf der anderen Seite schraubten im vergangenen Jahr aber auch so viele Unternehmen ihre Prognosen nach oben wie seit Jahren nicht mehr: Insgesamt 130 sogenannte Gewinn- oder Umsatzerwartungen2 wurden veröffentlicht – ebenfalls ein neuer Höchststand; im Vorjahr hatten nur 30 Unternehmen ihre Umsatz-oder Gewinnprognose nach oben korrigiert.

Von den 306 im Prime Standard notierten Unternehmen wurden damit 2015 insgesamt 210 Prognosekorrekturen veröffentlicht – unabhängig davon, ob positiv oder negativ. Im Jahr 2014 waren nur 110 derartige Meldungen abgegeben worden. Dabei lag die Zahl der Gewinn- oder Umsatzerwartungen2 im vergangenen Jahr mit 130 erstmals (deutlich) höher als die Zahl der Warnungen (80).

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die veröffentlichungspflichtige Korrekturen an Gewinn- und Umsatzprognosen in den Jahren 2011 bis 2015 untersucht hat. Für die Analyse wurden alle Unternehmen aus dem Prime Standard der Frankfurter Börse betrachtet.

„Immer weniger Unternehmen schaffen es, ihre Prognosen tatsächlich einzuhalten“, stellt Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY, fest. Im Jahr 2011 mussten nur 22 Prozent der Unternehmen im Verlauf des Geschäftsjahrs ihren Ausblick korrigieren, im Jahr 2014 waren es 28 Prozent, 2015 bereits 44 Prozent. „Anleger müssen sich darauf einrichten, dass die Halbwertzeit von Prognosen des Unternehmensmanagements immer kürzer wird und dass die Unternehmen bei ihren Umsatz- oder Gewinnprognosen immer häufiger danebenliegen“, so Steinbach. „Offensichtlich tun sich die Unternehmen extrem schwer mit der starken Volatilität der Märkte und werden immer wieder von Marktschwankungen überrascht.“

Einen großen Einfluss auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung hatte im vergangenen Jahr der schwache Euro: In 21 Prozent der Gewinn- oder Umsatzerwartungen des vergangenen Jahres ist ausdrücklich von positiven Währungseffekten die Rede, bei etlichen weiteren dürften Wechselkurse ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben. „Viele deutsche Unternehmen bekommen derzeit massiven Rückenwind von der Währungsentwicklung. Der schwache Euro lässt ihre Produkte im Ausland günstiger werden, und im Ausland erzielte Umsätze werden bei der Umrechnung in die Gemeinschaftswährung deutlich aufgewertet. Diese Entwicklung dürfte angesichts der Zinswende in den USA auch im laufenden Jahr anhalten und gerade der exportstarken deutschen Industrie auf den Weltmärkten zugutekommen“, erwartet Steinbach. Der Euro hat im vergangenen Jahr im Vergleich zum US-Dollar etwa zwölf Prozent und im Verhältnis zum chinesischen Renminbi etwa 15 Prozent an Wert verloren – entsprechend steigen die für diese Regionen ausgewiesenen Euro-Umsätze.

Zahl der Gewinnwarnungen weiter auf sehr hohem Niveau

Viele Unternehmen mussten im vergangenen Jahr einräumen, ihre Ziele nicht erreichen zu können: 80-mal haben deutsche börsennotierte Unternehmen im vergangenen Jahr ihre Gewinn- oder Umsatzprognose nach unten revidiert – im Vorjahr hatte es genauso viele Meldungen gegeben. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 waren nur 41 Gewinn- oder Umsatzwarnungen gezählt worden, im Jahr 2012 waren es 54.

Auch für 2016 rechnet Bernd Richter, Partner bei EY, mit einer hohen Zahl von Prognosekorrekturen. Als Hauptrisiko identifiziert er dabei neben der Konjunkturschwäche in China und anderen Schwellenländern den niedrigen Ölpreis: „Die Neuinvestitionen in der Öl- und Gasindustrie gehen massiv zurück, Ölfirmen und Zulieferer müssen Personal entlassen, das niedrigere Preisniveau führt auch in anderen Branchen wie der Chemie zu Umsatzeinbußen. Zudem hängt der Staatshaushalt etlicher Schwellenländer zu großen Teilen von den Ölverkäufen ab. Diese Länder befinden sich aktuell in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale – und fallen damit auch als Absatzmärkte für die Produkte etwa der deutschen Unternehmen teilweise aus. Obendrein trägt der Ölpreisverfall dazu bei, dass sich die politische Lage in den Ölförderländern destabilisiert.“

Offenbar konnten die meisten Unternehmen die schwache Entwicklung in den Schwellenländern im Jahr 2015 relativ gut verkraften, vor allem dank der positiven Entwicklung in den USA und Teilen Europas. Allerdings rechnet Richter für dieses Jahr mit erheblichem Gegenwind für die deutschen Unternehmen: „Die massiven Schwankungen bei Aktienkursen, Währungen und Rohstoffpreisen zeigen, dass die Weltwirtschaft von einer stabil positiven Entwicklung derzeit weit entfernt ist. Die Zinswende in den USA könnte gerade in den Schwellenländern für zusätzliche Probleme sorgen. Fest steht: Die aktuelle konjunkturelle Situation ist fragil. Und die deutschen Unternehmen tun gut daran, weiter an ihrer Flexibilität und Effizienz zu arbeiten.“

Gewinnwarnungen lassen Kurse purzeln

Im Durchschnitt brachen die Kurse der betroffenen Unternehmen am Tag der Gewinnwarnung um acht Prozent3 ein und konnten sich auch in der Folgewoche nicht wieder erholen: Eine Woche nach Bekanntgabe der Gewinnwarnung lag der Aktienkurs im Durchschnitt um zehn Prozent niedriger als vor der Ad-hoc-Meldung. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Gewinnprognosen ankündigten, führte das im Schnitt nur zu einem Anstieg des Aktienkurses um drei Prozent (am selben Tag) bzw. um sechs Prozent (eine Woche später). „Im Markt wird das Nichterreichen von Zielen stärker bestraft, als das Übererfüllen von Prognosen belohnt wird“, folgert Steinbach.

Dass Unternehmen immer häufiger ihre Ziele verfehlen, führt Richter vor allem auf unzureichende Prognosemodelle der Unternehmen zurück, die offenbar die neuen Realitäten der weltwirtschaftlichen Entwicklung nur unzureichend abbilden können. Ebenfalls eine große Rolle spielten aber die hohe Komplexität und der hohe Internationalisierungsgrad vieler deutscher Konzerne: „In stark schwankenden Märkten und angesichts der großen Bedeutung ausländischer Märkte ist es wichtig, dass die Unternehmensführung immer zeitnah über alle relevanten Ereignisse informiert ist. Nur so können Wareneinkauf, Lieferketten und Vertriebsaktivitäten effizient an Schwankungen angepasst und teure Engpässe oder Überkapazitäten vermieden werden.“

Die Realität in deutschen Unternehmen sehe aber vielfach immer noch ganz anders aus, beobachtet Richter: „Vielfach sind dezentrale Einheiten und Unternehmensteile mangelhaft koordiniert und an die Zentrale angebunden, sodass das Management nur ein unzureichendes und überholtes Bild von der tatsächlichen aktuellen Lage des Unternehmens hat.“ Ebenfalls ein wichtiger Faktor seien veraltete und fragmentierte IT-Systeme, die zu wenig aufeinander abgestimmt seien, sodass viele Prognosen ungenau seien und zu langsam aktualisiert würden.

Autobranche musste 2015 am häufigsten Prognosen senken

Im vergangenen Jahr mussten vor allem Automobilunternehmen ihre Gewinnprognose nach unten korrigieren: Fast jedes zweite Unternehmen der Branche entwickelte sich beim Gewinn schlechter als vom Management erwartet.

Auch Groß- und Einzelhändler, Hersteller von Konsumgütern und Industrieunternehmen haben 2015 ihre Gewinnprognosen relativ häufig nach unten korrigiert – in allen drei Branchen gab jeweils mehr als jedes vierte untersuchte Unternehmen eine Gewinnwarnung heraus. Keine einzige Gewinnwarnung wurde im vergangenen Jahr hingegen von den untersuchten Immobilien-, Telekommunikations- und Medienunternehmen veröffentlicht.

SDAX-Unternehmen mit den meisten Gewinnwarnungen

Besonders häufig mussten im vergangenen Jahr im SDAX gelistete Unternehmen ihre Gewinnziele nach unten korrigieren: Knapp jedes vierte SDAX-Unternehmen (24 Prozent) gab 2015 eine Gewinnwarnung heraus. Im MDAX lag der Anteil bei 22 Prozent, im DAX bei 20 Prozent. Relativ selten verfehlten TecDax-Unternehmen ihre Gewinnprognosen: Nur jedes zehnte TecDAX-Unternehmen gab 2015 eine Gewinnwarnung heraus.

Umgekehrt korrigierten vor allem MDAX-, DAX- und TecDAX-Unternehmen ihre Gewinnprognosen nach oben (28 bzw. jeweils 27 Prozent), während „nur“ 18 Prozent der SDAX-Unternehmen ihre Prognosen anhoben.


1 Die Studie deckt den Zeitraum 2011 bis 2015 ab.

2 Von einer „Gewinnerwartung“ bzw. einer „Umsatzerwartung“ ist die Rede, wenn der Gewinn bzw. Umsatz höher ausfällt als zuvor vom Unternehmen prognostiziert.

3 Die Angaben beziehen sich auf Gewinnwarnungen im Jahr 2015.




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