14.07.2015 — Timm Haase. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die nach persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters zu vertreten.
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Die von einem steuerlichen Berater des Klägers gefertigten und im April 2009 beim zuständigen Finanzamt eingereichten Erklärungen zur Einkommensteuer und zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages enthielten für das Streitjahr 2007 Angaben zu diversen Einkünften. Angaben zu einem Verlust aus der Auflösung der Beteiligung an einer liquidierten GmbH enthielten die Erklärungen demgegenüber nicht. Dem steuerlichen Berater des Klägers lagen alle Fakten vor, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen war. Der steuerliche Berater hatte den Verlust persönlich berechnet und beabsichtigte, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen. Allerdings hatte der Berater es schlicht vergessen, den errechneten Verlust in das von ihm genutzte elektronische DATEV-Formular zu übertragen.
Im Jahr 2011 beantragte der Kläger nachträglich, den Verlust noch zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte dies ab, da nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eine Änderung nur möglich sei, wenn den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter kein grobes Verschulden daran treffe, dass die vorgebrachten neuen Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen, erst nachträglich bekannt werden. Im Streitfall sind mit dem Verlust aus der Auflösung der GmbH Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einem höheren Verlustvortrag und mithin zu einer niedrigeren Steuer führen. Strittig war jedoch, ob den Kläger oder seinen Vertreter am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen ein grobes Verschulden trifft.
Der BFH stellte heraus, dass an eine elektronische Steuererklärung grundsätzlich die gleichen Maßstäbe in Bezug auf grobes Verschulden anzusetzen seien, wie sie auch für Steuererklärungen in Papierform gelten. Allerdings seien Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung bezüglich der Übersichtlichkeit bei der Beurteilung des Verschuldens ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder mitunter schwieriger zu erlangen sei, als in einer Steuererklärung in Papierform.
Die Nachlässigkeit, die im Streitfall dazu geführt habe, dass der Verlust erst nachträglich bekannt wurde, habe lediglich darin bestanden, dass der errechnete Verlustbetrag nicht in das elektronische Formular übertragen worden war. Darin liege ein unbewusster Fehler, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen könne. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählten zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkämen und mit denen immer gerechnet werden müsse. Ein grobes Verschulden liege demnach im Urteilsfall nicht vor.
Quelle: BFH-Urteil vom 10.02.2015, IX R 18/14, veröffentlicht am 24.06.2015
Links zum Thema: |
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Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO |
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Elektronische Einkommensteuererklärung: Korrektur bei schlichtem “Vergessen“ |
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