22.09.2015 — Timm Haase. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Mit seinem Urteil v. 08.07.2015 (Az. VI R 51/14, veröffentlicht am 16.09.2015) zeigt das Gericht klar auf, dass die Änderung eines Steuerbescheides dann nachträglich nicht mehr möglich ist, wenn bereits im Veranlagungsverfahren der Sachverhalt vollumfänglich offengelegt worden ist. Eine im Einspruchsverfahren vertretene abweichende Rechtsauffassung kann im Klageverfahren nicht als neue Tatsache geltend gemacht werden.
Die Klägerin war im Jahr 2007 bis zum 30.06. bei einer Wohnungsbaugesellschaft beschäftigt, mit der ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde. In ihrer Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn von -20.201 Euro sowie eine ermäßigt zu besteuernde Abfindung von 174.034 Euro. Sämtliche für diesen Vorgang relevanten Unterlagen, insbesondere den Aufhebungsvertrag sowie die Berechnung des negativen Arbeitslohns, wurden dem Finanzamt vorgelegt. Aus diesen Unterlagen ging hervor, dass von der vereinbarten Abfindung 50.017 Euro in eine Direktversicherung einbezahlt werden sollten. Diesen Betrag brachte der Arbeitgeber rechnerisch jedoch von dem Arbeitslohn in Abzug und wies den negativen Restbetrag in der Lohnsteuer-Bescheinigung aus.
Das Finanzamt erließ einen Bescheid, der die Abfindung abzüglich des in die Direktversicherung einbezahlten steuerfreien Betrages und damit auch einen positiven Bruttoarbeitslohn beinhaltete. Im durch die Klägerin eingeleiteten Einspruchsverfahren gab das Finanzamt, nun vertreten durch eine andere Sachbearbeiterin, der Auffassung der Klägerin statt. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei dem ehemaligen Arbeitgeber erließ das Finanzamt, nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides, einen Bescheid, der nun die zuvor vom Finanzamt ermittelten Werte beinhaltete.
Die Richter verneinen im Ergebnis eine erneute Änderung des Steuerbescheides nach seiner Bestandskraft. Nach Auffassung des BFH konnte der Bescheid nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden, da in diesem Fall gerade keine neuen Tatsachen nachträglich bekannt geworden sind. Die Richter führten aus, dass dem Finanzamt von Anfang an sämtliche Unterlagen vorlagen, die eine umfassende Beurteilung möglich machten. Auch die abweichende Auffassung der neuen Sachbearbeiterin im Finanzamt kann nicht zum Vorliegen neuer Tatsachen führen, da eine abweichende rechtliche Würdigung keine neue Tatsache im Sinne des Gesetzes darstellt.
Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass in diesem Fall auch keine Änderung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. C AO aufgrund arglistiger Täuschung möglich ist. Für diese bedarf es einer vorsätzlichen Handlung, also z.B. eines vorsätzlichen Verschweigens relevanter Tatsachen, die im dem Urteil zugrundeliegenden Fall nicht gegeben ist.
Quelle: BFH-Urteil v. 08.07.2015, Az. VI R 51/14
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