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Studie zum Betriebsrentenstärkungsgesetz: Positive Impulse für „bAV-Neulinge“ – wenig Änderung für den „bAV-Bestand“

22.03.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Towers Watson GmbH.

Für Unternehmen, die aus Haftungsgründen und möglicherweise wegen der drohenden Anrechnung auf die staatliche Grundsicherung für Niedrigverdiener bislang keine betriebliche Altersversorgung (bAV) angeboten haben, bietet die angedachte bAV-Reform interessante Antworten.

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Update betriebliche Altersversorgung
  • Auswirkungen des Betriebs­rentenstärkungsgesetzes 2018
  • Erhöhung der AG-Attraktivität durch bAV
  • Vertiefende arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozial­versicherungsrechtliche Handhabung der bAV

Die neue Zusageform der reinen Beitragszusage, bei der für die Arbeitgeber nur noch die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen bestehen soll, und die neuen Freibeträge bei der Grundsicherung sind für die deutsche Altersversorgung fundamental neue Instrumente. Weniger positiv fällt allerdings das Fazit der Unternehmen aus, die bereits betriebliche Pensionspläne anbieten. Sie sehen die bAV-Reform jedoch im Ergebnis zumindest überwiegend neutral, wie eine aktuelle Umfrage von Willis Towers Watson zeigt. Ein Großteil der Unternehmen mit bAV (61 Prozent) geht nämlich davon aus, dass das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz die bAV „weder stärken noch schwächen“ wird.

„Die Reform geht an einigen wichtigen Stellen – etwa mit dem Angebot einer reinen Beitragszusage, den neuen Freibeträgen bei der Grundsicherung, dem Bekenntnis zur Riesterförderung oder auch der Komplexitätsreduktion bei einzelnen steuerlichen Regelungen – in die richtige Richtung. Praktisch wichtige Änderungen für das bestehende bAV-System stehen jedoch nicht im Fokus und bleiben aus – das wird von den Unternehmen bemängelt“, erklärt Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson. Willis Towers Watson hatte im Februar 107 bAV-Verantwortliche aus Unternehmen in Deutschland zu ihrer Einschätzung der Reform und zu daraus resultierenden Anpassungsplänen befragt. Zwei Drittel der befragten Unternehmen gehören dem Mittelstand an (bis zu 5.000 Mitarbeiter), ein Drittel waren Großunternehmen. Fast alle der befragten Unternehmen (97 Prozent) bieten ihren Mitarbeitern eine bAV an.

Neue Chancen für KMU und Geringverdiener

Hauptzielgruppe des Gesetzes sind die Unternehmen, die bislang noch keine bAV anbieten. Für sie eröffnet die Reform einige neue Möglichkeiten. Neben der reinen Beitragszusage sind auch mit den bisher bekannten Instrumenten der bAV der neue bAV-Förderbetrag für Geringverdiener und die erhöhte Riesterförderung nutzbar. Zudem profitieren nicht nur Geringverdiener, sondern alle, die freiwillig für ihre Altersversorgung Sorge tragen, von den neuen Freibeträgen in der Grundsicherung. „Bis zu rund 200 Euro monatlich können in der Grundsicherung anrechnungsfrei sein. Damit wird die Sorge genommen, dass sich eigene Vorsorge nicht lohnen könnte – wer selbst vorsorgt, wird künftig eine bessere Altersversorgung haben“, erläutert Reiner Schwinger die zentralen Vorteilen der Reform für die Verbreitung der bAV.

Bestehende bAV nicht im Fokus – hier zeigt sich Nachbesserungsbedarf

Die Unternehmen, die sich – zum Teil bereits seit langem – in der Altersvorsorge für ihre Mitarbeiter engagieren, fühlen sich allerdings durch die Reform eher nicht abgeholt, wie die Umfrageergebnisse zeigen. „Dies ist zunächst nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass der Fokus der Reform gerade nicht in der Verbesserung bestehender bAV-Systeme, sondern in der Schaffung von Anreizen für eine weitere Verbreitung der bAV, das heißt für die Erteilung neuer bAV-Zusagen, besteht“, so Reiner Schwinger weiter. Insofern sind nach seiner Auffassung die Antworten der Unternehmen, die bereits eine bAV haben, letztlich erwartungsgemäß, und fügt hinzu: „Hier sollte – gegebenenfalls in einem zweiten Reformschritt – nachgebessert werden, weil auch die Fortentwicklung der bestehenden bAV-Systeme von elementarer Bedeutung für die Verbreitung der bAV ist.“

Folgender Aussage stimmen lediglich 7 Prozent zu: „Die für mein Unternehmen relevanten Probleme werden durch das Reformpaket adressiert“. Der überwiegenden Mehrheit hilft die Reform nicht (51 Prozent) oder nur teilweise (42 Prozent). Als dringlichste Probleme werden zuerst die Sozialversicherungsbeiträge auf Betriebsrentenauszahlungen und der im Vergleich zum HGB-Rechnungszins hohe steuerliche Rechnungszins für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen genannt. Auch bei einer „schlanken Umsetzung und Verwaltung der bAV“ hilft die Reform nicht. Der Wunsch nach einer „Enthaftung von der bAV“ wird demgegenüber erst an vierter Stelle genannt.

„Die Sorgen der Unternehmen bezüglich des bestehenden bAV-System sind schon lange bekannt – und sie sind auch im bisherigen Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder von unterschiedlichen Seiten thematisiert worden, zuletzt im Rahmen der jüngsten Bundesratsdebatte. Gelöst werden sie durch den Reformentwurf jedoch nicht, hier besteht sicherlich weiterer Handlungsbedarf“, erläutert Dr. Michael Karst, der bei Willis Towers Watsons im Bereich Pensions den Fachbereich Recht leitet.

Weitere Verbreitung im Mittelstand, Verringerung der Altersarmut?

In der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Reform seitens der Unternehmen, die schon eine bAV anbieten, sind die Meinungen geteilt. Immerhin 41 Prozent sehen eine Chance, dass die Reform ihr Ziel – die weitere Verbreitung der bAV im Mittelstand – zumindest teilweise erreicht, davon sind Großunternehmen sowie Mittelständler überzeugt. Kritischer ist ihr Statement zum Problem der Altersarmut: Sie werde durch das Reformpaket nicht (63 Prozent) oder allenfalls teilweise (33 Prozent) verringert.

„Diese Antworten aus der Gruppe der Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, erstaunen nicht“, so Schwinger. „Sie sind nicht im Fokus des Reformpakets, das dem Grunde nach bestehende bAV-Systeme unberührt lassen will. Einige Teilprobleme werden allerdings auch für diese Gruppe durch die Beitragszusagen mit Zielrentensystematik gelöst – dieser Weg steht jedoch nur offen, wenn es die Tarifparteien zulassen, denen damit in diesem Zusammenhang hohe Verantwortung für die weitere Verbreitung der bAV zukommt.“

Betriebliche Lösungen bevorzugt

Zwei Drittel der befragten Unternehmen sind tarifgebunden – und dennoch setzt diese Teilgruppe überwiegend (74 Prozent) auf eine bAV auf betrieblicher Basis. „In der bAV haben betriebliche Lösungen Tradition – denn sie ermöglichen es den Unternehmen, Pensionspläne zu entwickeln, die treffsicher auf die Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmen und Mitarbeiter eingehen können“, betont Schwinger. Rechtsexperte Karst ergänzt: „Insofern erscheint die geplante Öffnungsklausel, die es Tarifparteien ermöglicht, bAV-Regelungen auf die Unternehmensebene zu delegieren, absolut sachgerecht und unabdingbar.“

Gleichwohl zeigen sich die Unternehmen, die bereits über eine bAV verfügen, gegenüber den durch das Reformpaket neu geschaffenen Möglichkeiten erstaunlich offen. Obwohl das Reformgesetz noch nicht final ist und noch im parlamentarischen Diskussionsprozess steht, will bereits nach heutigem Stand ein knappes Viertel (23 Prozent) reine Beitragszusagen ohne Garantien einführen. Die automatische Abführung von bAV-Beiträgen aus den Gehältern der Mitarbeiter (das so genannte „Opting out“) ziehen allerdings lediglich 11 Prozent in Erwägung – obwohl 72 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland diese Möglichkeit begrüßen, wie eine andere Umfrage, der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson, zeigt. „Ich bin überzeugt, dass sich weit mehr Unternehmen für die Optionssysteme entscheiden würden, wenn sie auch auf betrieblicher Ebene rechtssicher verfügbar wären“, sagt Karst.

Neue Möglichkeiten für Geringverdiener inhaltlich unklar?

Dem Ausbau der bAV für Geringverdiener stehen die Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, verhalten gegenüber. Obwohl Mitarbeiter mit kleinem Budget nach dem geplanten steuerlichen Fördermodell im Rahmen der bAV selbst nicht verpflichtet sind, zusätzliche Eigenbeiträge zu leisten, werde sie das nicht (47 Prozent) oder nur teilweise (49 Prozent) motivieren, für ihr Alter vorzusorgen, schätzen die Unternehmen. Drei Viertel (75 Prozent) der Unternehmen, die sich bereits in der bAV engagieren, haben auch nicht vor, künftig eine bAV für Geringverdiener anzubieten – trotz einer für Unternehmen überschaubaren Kostenbelastung bei signifikanter steuerlicher Förderung. „Diese Zurückhaltung mag darauf zurückzuführen sein, dass die befragten Unternehmen ihre bAV-Lösung für diesen Bereich ja bereits gefunden haben. Oder wurden die neuen Möglichkeiten bislang noch nicht vollständig zur Kenntnis genommen?“, fragt bAV-Experte Karst. Er betont: „Nicht nur hier zeigt sich, dass eine umfassende Kommunikation der neuen Möglichkeiten unerlässlich ist – nur dann kann die Reform tatsächlich Wirkung entfalten.“

Weitere Schritte wünschenswert

Karst weist darauf hin, dass durch das Reformpaket die Komplexität der bAV faktisch weiter steigt statt sinkt: „Gerade hier ließe sich – und das kostenneutral für den Bundeshaushalt – Abhilfe schaffen, indem der Gesetzgeber eine ‚Positivliste‘ zur bAV verabschieden würde.“ Über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben sich bekanntlich zahlreiche Arbeitgeberpflichten im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der bAV entwickelt. Genannt seien an dieser Stelle etwa Informations- und Aufklärungspflichten, die oft keine ganz klare Kontur aufweisen. „Wenn die Unternehmen positiv aufgezählt Klarheit über ihre arbeitsrechtlichen Pflichten aus einer bAV-Zusage hätten, würde das viel Verlässlichkeit – und damit eine viel höhere Bereitschaft, sich in der bAV zu engagieren – mit sich bringen“, betont Karst.

Änderungen? Nicht in jedem Fall

Viele Unternehmen, die schon eine bAV haben, planen wegen der Reform keine Veränderungen. Zwei Drittel (67 Prozent) wollen ihr bAV-Angebot so lassen, wie es ist. Immerhin ein knappes Viertel (23 Prozent) will nach der Reform die bestehende bAV kostenneutral umstrukturieren oder überarbeiten. „Sicher werden viele Unternehmen erst die finale Fassung des Gesetzes abwarten, bevor sie im Einzelnen über Veränderungen nachdenken.“, so Schwinger. Mit Blick auf die gewünschte weitere Verbreitung der bAV betont er: „Der Reformentwurf lässt wesentliche Entwicklungspotenziale in der bestehenden bAV brach – hier werden Chancen verpasst. Wenn jetzt allerdings die Unternehmen einsteigen, die bislang keine bAV angeboten haben, könnte zumindest ein wichtiger Teilerfolg für eine weitere Verbreitung der bAV im Mittelstand und unter Geringverdienern erreicht werden.“

Obligatorium nicht zielführend

Der gelegentlich vorgebrachten Forderung, Arbeitgeber durch ein gesetzliches Obligatorium zum Angebot einer Betriebsrente zu verpflichten, erteilt Schwinger eine klare Absage: „Auch durch ein Obligatorium wird keines der für Unternehmen heute drängenden Probleme gelöst. Im Gegenteil – diese Forderung springt viel zu kurz.“ Schwinger weist darauf hin, dass eine große Zahl an Unternehmen ihren Mitarbeitern bereits sehr gute Pensionspläne anbieten. „Der jüngst verliehene Deutsche bAV-Preis 2017 hat gerade wieder gezeigt, wie viel Sorgfalt Unternehmen in ihre bAV stecken und wie wichtig ihnen das Engagement für die Altersversorgung ihrer Mitarbeiter ist.“ Ein Obligatorium würde das Engagement gerade dieser Unternehmen ignorieren. Zudem stellten sich hier eine Reihe von komplexen Detailfragen, ergänzt Karst: „Wenn ein Obligatorium bestünde – wie würde dann mit den bereits bestehenden guten bAV-Angeboten umgegangen? Diese dürften keinesfalls gefährdet werden – denn sonst wird das Ziel der Reform konterkariert.“


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