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Rückstellungen wegen zukünftiger Betriebsprüfung bei Großbetrieben (Kommentar von Udo Cremer)

18.12.2012  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, in welchen Fällen Großbetriebe Rückstellungen für künftige Betriebsprüfungskosten bilden dürfen.

In der Steuerbilanz einer als Großbetrieb i.S. von § 3 BpO 2000 eingestuften Kapitalgesellschaft sind Rückstellungen für die im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehenden Mitwirkungspflichten gemäß § 200 AO, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen, grundsätzlich auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung zu bilden

Die Klägerin, eine GmbH, ist durch formwechselnde Umwandlung zum 1.12.2005 aus einer KG hervorgegangen; ihr vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr endete am 30.11.2006. Die Klägerin handelt mit Waren aller Art ... und war nach der Betriebsprüfungsanordnung als Großbetrieb eingestuft, der zum Konzern ihrer beiden Gesellschafter gehörte. In ihrem Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 vom 31.1.2007 bildete die Klägerin eine Rückstellung für die Kosten einer zu erwartenden Betriebsprüfung betreffend die Jahre 2004 bis 2006 in Höhe von 25.100 €. Die Rückstellung wurde bei den zunächst für das Streitjahr 2006 ergangenen Bescheiden zur Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des Gewerbesteuermessbetrags berücksichtigt. Alle Bescheide standen gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auf Ersuchen des FA führte das FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung X im Jahre 2008 eine die Jahre 2004 bis 2006 betreffende Betriebsprüfung durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, die von der Klägerin gebildete Rückstellung für künftige Betriebsprüfungskosten sei nicht anzuerkennen, weil am Bilanzstichtag (30.11.2006) lediglich die die Jahre 2001 bis 2003 betreffende Betriebsprüfung abgeschlossen gewesen sei und es im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung (31.1.2007) an einer Prüfungsanordnung für die Jahre 2004 bis 2006 gefehlt habe; letztere Prüfung sei erst im Mai 2008 verfügt worden. Das FA schloss sich dem an und erließ geänderte Bescheide zur Festsetzung der Körperschaftsteuer sowie des Gewerbesteuermessbetrags. Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Revision bleibt ohne Erfolg (BFH-Urteil vom 6. Juni 2012 - I R 99/10). Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei Großbetrieben Rückstellungen für die im Zusammenhang mit einer Außenprüfung bestehenden Mitwirkungspflichten gemäß § 200 AO, soweit diese die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen, grundsätzlich auch vor Erlass einer Prüfungsanordnung zu bilden sind. Die hiernach gebotene Schätzung des zu passivierenden Aufwands gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der erkennende Senat im Streitfall gebunden ist.

Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den GoB und war gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG (KStG 2002) auch für die Steuerbilanz der Klägerin zu beachten. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Gegenstand der Verbindlichkeit können nicht nur Geldschulden, sondern neben Werk- und Dienstleistungspflichten auch Sachleistungsverpflichtungen sein. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige in seiner Steuerbilanz nur Verbindlichkeiten ausweisen darf, die ihn wirtschaftlich belasten, schließt zwar Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen, die auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruhen, nicht aus. Voraussetzung hierfür ist jedoch bei rechtlich noch nicht entstandenen Verbindlichkeiten nicht nur ihre wirtschaftliche Verursachung in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren; neben der Kenntnis des Anspruchsgläubigers muss hinzukommen, dass die auf öffentlichen Vorschriften beruhende Verpflichtung sowohl inhaltlich hinreichend bestimmt als auch in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt, d.h. mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist.

Ob diesen Anforderungen entsprochen wird, ist nicht nach der subjektiven Einschätzung des Steuerpflichtigen, sondern nach den objektiv und aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu würdigenden Gegebenheiten des Einzelfalls am Bilanzstichtag zu entscheiden.

Der Senat des BFH schließt sich der im Schrifttum vertretenen Ansicht an, dass bei Großbetrieben, die nach § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 BpO 2000 der sog. Anschlussprüfung unterliegen, Rückstellungen für die zu-künftigen Betriebsprüfungskosten zu bilden sind, die am jeweiligen Bilanzstichtag auf die bis dahin abgelaufenen Wirtschaftsjahre entfallen (z.B. Gürtzgen, Der Betrieb 1984, 369; Langer, Finanz-Rundschau 2008, 1007; Blümich/Buciek, § 5 EStG Rz 920 "Außenprüfung").

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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