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Richtige Antworten oder Lösungen dürfen bei der Steuerberaterprüfung nicht als falsch bewertet werden (Kommentar von Udo Cremer)

12.04.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erläutert anhand eines Beispiels die Durchführung des Überdenkungsverfahrens.

Der Kläger nahm an der Steuerberaterprüfung 2013 teil. Mit Bescheid vom 14.1.2014 teilte das Ministerium der Finanzen dem Kläger mit, dass er die Gesamtnote von 4,83 erreicht habe und daher eine Teilnahme an der mündlichen Prüfung nicht möglich sei. Hiergegen erhob der Kläger Klage und beantragte zugleich die Durchführung des Überdenkungsverfahrens gemäß § 29 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften. Das Überdenkungsverfahren ergab keine Notenveränderung. Die Klage wies das FG als unbegründet ab. Es urteilte, der angefochtene Bescheid verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen sei auf Grund der sachgesetzlichen Eigentümlichkeiten der Prüfungsentscheidungen nur eingeschränkt möglich. Den Prüfern müsse ein Entscheidungsspielraum zugestanden werden. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtige Lösung dürfe nicht als falsch bewertet werden. Der dem Prüfling zu gewährende Antwortspielraum könne indes nicht dazu führen, dass der Prüfer jede noch eben vertretbare Antwort stets als richtig zu bewerten habe. Der gerichtlichen Kontrolle unterliege nicht, wie der Prüfer die Qualität der Argumentation gewertet habe. Mit dem Grundsatz der Chancengleichheit wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie eine gerichtliche Überprüfung anstrebten, die Chancen einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Unter Beachtung dieser Grundsätze sei die Klage unbegründet. In der weiteren Begründung hat sich das FG mit den Einwendungen des Klägers, die sämtliche Aufsichtsarbeiten betreffen, auseinandergesetzt und im Ergebnis die Bewertung der einzelnen Prüfer und das Ergebnis des Überdenkungsverfahrens unbeanstandet gelassen. Insgesamt kam das FG zu dem Ergebnis, dass es bei der Gesamtnote von 4,83 bleibe.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts, wegen Divergenz und wegen Verfahrensmängeln. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob eine Antwort eines Prüflings im Prüfverfahren als falsch bewertet werden oder unbewertet bleiben dürfe, wenn sie nach fachwissenschaftlicher Sicht richtig sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG verpflichte Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich auch Prüfungsentscheidungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg (BFH-Urteil vom 12.1.2016, VII B 79/15). Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen vertretbar sind. An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist. Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bedarf es keiner Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob eine Antwort eines Prüflings im Prüfverfahren als falsch bewertet werden oder unbewertet bleiben darf, wenn sie nach fachwissenschaftlicher Sicht richtig ist. Denn es liegt auf der Hand und entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Richtiges nicht als falsch bewertet werden darf. In welchem Rahmen Prüfungsentscheidungen unter Berücksichtigung der Unterscheidung zwischen Fachfragen und prüfungsspezifischen Wertungen angefochten werden können, ist hinreichend geklärt.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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