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Passivierung "angeschaffter" Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot (Kommentar von Udo Cremer)

17.12.2013  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer diskutiert die Behandlung betrieblicher Verbindlichkeiten

Betriebliche Verbindlichkeiten, welche beim Veräußerer aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote (hier: für Jubiläumszuwendungen und für Beiträge an den Pensionssicherungsverein) in der Steuerbilanz nicht bilanziert worden sind, sind bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen, sondern als ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen und von ihm auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

Die Klägerin, eine GmbH, ist (seit 2008) Rechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG, die wiederum Rechtsnachfolgerin der (seinerzeitigen) D-GmbH ist. Die D-GmbH übernahm zum 1.7.1994, dem Streitjahr, den Betrieb einer Tochtergesellschaft, der DM-GmbH als Gesamtheit von Wirtschaftsgütern. Mit Ausnahme der Patente, Lizenzen und Handelsmarken sowie des Firmenwerts wurden die Vermögensgegenstände und Schulden in der (handelsrechtlichen) Eröffnungsbilanz der D-GmbH auf den 1.7.1994 mit den Buchwerten gemäß der Bilanz der DM-GmbH angesetzt. Der Firmenwert wurde nach Abzug der übernommenen Buchwerte und der bewerteten Vermögensgegenstände ermittelt und auf 15 Jahre abgeschrieben.

Im Rahmen dieses Vorgangs wurden u.a. auch Jubiläumsrückstellungen und Rückstellungen für Verpflichtungen gegenüber dem Pensionssicherungsverein (PSVaG) von der D-GmbH übernommen und bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob diese übernommenen Passiva unbeschadet steuerlicher Ausweisverbote in der Steuerbilanz zum 31.12.1994 anzusetzen sind. Die Klägerin bejahte dies mit wechselnden Begründungen. Zuletzt begehrte sie, die Passiva bereits in der Eröffnungsbilanz zum 1.7.1994 unter Beachtung der steuerlichen Ausweisverbote anzusetzen und den daraus resultierenden Unterschiedsbetrag zur Handelsbilanz durch entsprechende Abstockung des erworbenen Firmenwerts auszugleichen.

Das FA vertrat demgegenüber im Ergebnis die Auffassung, die übernommenen Passiva seien in der steuerlichen Eröffnungsbilanz mit ihren gemeinen Werten anzusetzen; sie seien jedoch in der (ersten) Schlussbilanz zum 31.12.1994 nach steuerlichen Grundsätzen auszuweisen. Mit ihrer Klage gegen den hiernach geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1994 beantragte die Klägerin, die Summe der Einkünfte um 942.297 DM zu mindern (841.850 DM Jubiläumsrück¬stellung, 132.940 DM Rückstellung für Beiträge zum PSVaG, 32.493 DM Minderung der Absetzung für Abnutzung des Firmenwerts). Das FG gab der Klage unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 16.12.2009 I R 102/08 (BFHE 227, 478, BStBl II 2011, 566) statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2010 6 K 7287/00 K, abgedruckt in EFG 2011, 34).

Die Revision ist zulässig, jedoch unbegründet (BFH-Urteil vom 14.12.2011 I R 72/10).

Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1991 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 hatte die D-GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich u.a. aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des HGB. Sie werden für Kapitalgesellschaften ergänzt durch die Bestimmungen der §§ 264 ff. HGB.

Zu den wesentlichen GoB zählt das Gebot, Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz HGB). Daraus folgt u.a., dass Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln sind. Der Zugang von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen führt zu einer bloßen Umschichtung in der Bilanz in Höhe der Anschaffungskosten; ein unterschiedlicher Ansatz von Zu- und Abfluss ist ausgeschlossen. Eine Gewinnrealisierung kann nur aufgrund nachfolgender betrieblicher Umsatzakte erfolgen. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dieser handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der steuerbilanziellen Beurteilung (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990) zugrunde zu legen.

Die bei der Übernahme von Verbindlichkeiten zutreffend erhöhten Anschaffungskosten bilden die Ausgangsgröße für die weitere bilanzielle Entwicklung eines zugegangenen Wirtschaftsgutes. Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen findet auch auf übernommene Passivpositionen und hierbei unabhängig davon Anwendung, ob der Ausweis dieser Passivpositionen in der Steuerbilanz einem von der Handelsbilanz abweichenden Ausweisverbot ausgesetzt ist. Denn auch die Übernahme steuerrechtlich zu Recht nicht bilanzierter Verbindlichkeiten ist Teil des vom Erwerber zu entrichtenden Entgelts und erhöht mithin dessen Anschaffungskosten. Das hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 227, 478, BStBl II 2011, 566, für sog. Drohverlustrückstellungen entschieden, welche ihrerseits nach § 5 Abs. 4a EStG 1997 einem steuerbilanziellen Ansatz- und Ausweisverbot unterfallen. Nichts anderes gilt für das entsprechende Verbot in § 5 Abs. 4 (i.V.m. § 52 Abs. 6) EStG 1990, wonach Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums nur unter bestimmten, hier unstreitig nicht erfüllten Anforderungen gebildet werden dürfen. Und gleichermaßen verhält es sich hinsichtlich der "erworbenen" Zahlungspflichten gegenüber dem PSVaG: Solche (künftigen) Pflichten unterfielen jedenfalls im Streitjahr einem handelsbilanziellen Ansatzwahlrecht, was steuerbilanziell ein Ansatzverbot nach sich zieht. Für beide Aufwandspositionen ordnet das Gesetz von den handelsbilanziellen Ansätzen abweichende, spezifisch steuerbilanzielle Ansatzverbote an. Durch derartige Verbote sollen am Stichtag bereits vorhandene Verpflichtungen entgegen den Vorgaben des (handels-)bilanzrechtlichen Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz HGB) auf künftige Veranlagungszeiträume verlagert werden.

Für den Fall, dass die in Rede stehende Zuwendungsverpflichtung entgeltlich erworben wird, greifen die Verbote indes nicht. Denn dann ist die Verpflichtung realisiert. Sie ist deswegen vom Erwerber sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen. Abzustellen ist dabei auf die jeweilige im Zuge des Betriebserwerbs übernommene Schuldposition. Für einen davon abweichenden, "technisch" vereinfachten Ausweis, wie ihn die Klägerin befürwortet, zunächst Berücksichtigung der steuerrechtlichen Ansatzrestriktionen bereits in der handelsrechtlichen Eröffnungsbilanz, sodann jedoch "Neutralisierung" der dadurch bedingten Ausweisdifferenz über eine Abstockung des Firmenwerts geben die GoB nichts her. Dem dagegen gerichteten Einwand des BMF (in dessen Schreiben in BStBl I 2011, 627) und des FA, der Anschaffungsvorgang sei in der handels- wie steuerrechtlichen Eröffnungsbilanz abschließend abgebildet, fortan - und damit auch in der ersten Schlussbilanz - greife indes wiederum das steuerliche Ausweisverbot, ist nicht beizupflichten.

Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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