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Neuer Streit bei der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte

29.09.2015  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Unser Autor Volker Hartmann erläutert Ihnen einen neuen Streit bezüglich der Entfernungspauschale. Es geht um einen Arbeitnehmer, der sich ungerecht behandelt fühlt, weil er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung nicht die tatsächlichen Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend machen kann, sondern lediglich einen pauschalen Kilometersatz in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer.

Und wieder einmal hat sich der der Bundesfinanzhof mit der der Entfernungspauschale auseinanderzusetzen. Ein Arbeitnehmer fühlt sich ungerecht behandelt, weil er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung nicht die tatsächlichen Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte geltend machen kann, sondern lediglich einen pauschalen Kilometersatz in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer. Er fühlt sich benachteiligt, weil Arbeitnehmer, die für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ihre Aufwendungen in voller Höhe geltend machen können und der Werbungskostenansatz in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer regelmäßig höher ist als die tatsächlichen Aufwendungen.

Der Arbeitnehmer versuchte, im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung anstelle der Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 Euro die tatsächlichen Kosten in Höhe von 0,44 Euro geltend zu machen. Dabei vertrat er die Auffassung, dass die Beschränkung der Kosten auf die Entfernungspauschale vor dem Hintergrund, dass mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisende Steuerpflichtige die tatsächlich entstandenen Kosten absetzen könnten, eine nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstelle. Autofahrer und Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel seien seiner Auffassung nach als wesentlich gleich im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einzustufen, weil zwischen ihnen keine erheblichen Unterschiede bestünden, die von vornherein eine Vergleichbarkeit ausschlössen.

Urteil Finanzgericht Nürnberg vom 29.07.14, 7 K 784/13

Mit Urteil vom 29.07.14, 7 K 784/13 hat das Finanzgericht Nürnberg klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die über die Entfernungspauschale hinausgehenden Kosten unter die Abgeltungswirkung fallen.

Der Gesetzgeber hat den Sinn und Zweck der Entfernungspauschale mit umwelt- und verkehrspolitischen Erwägungen begründet. Nach Ansicht des Gesetzgebers bestand die Notwendigkeit, hinsichtlich der steuerlichen Entlastungswirkung Wettbewerbsgleichheit zwischen den Verkehrsträgern zu schaffen und die Ausgangslage für den öffentlichen Personenverkehr zu verbessern. Darüber hinaus dient die Entfernungspauschale durch ihre Typisierung der Steuervereinfachung. Durch die Abgeltung sämtlicher Aufwendungen des Arbeitnehmers sollten insbesondere Rechtsstreitigkeiten über die Berücksichtigung besonderer Kosten, z. B. für Abholfahrten, und außergewöhnlicher Kosten (z. B. Unfallkosten) vermieden werden. Durch die Entfernungspauschale werden alle Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte abgegolten.

Grundsätzlich handelt es sich bei einer regelmäßigen Arbeitsstätte (seit 01.01.14: erste Tätigkeitsstätte) um eine auf Dauer angelegte Arbeitsstätte, auf deren immer gleiche Wege sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise einstellen und dadurch auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. durch entsprechende Wohnsitznahme. Entsprechend erweist sich die Entfernungspauschale nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip.

Keine Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung

Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, für den Fall außergewöhnlicher Aufwendungen des Arbeitnehmers eine Ausnahmeregelung zu treffen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist dieser berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch dadurch nicht gegeben, dass die Vorschrift den Benutzern eines PKW für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den vollen Abzug der tatsächlich entstandenen Fahrtaufwendungen versagt, dies den Benutzern öffentlicher Verkehrsmittel aber gestattet.

Verkehrspolitischen Gründe rechtfertigen nach Auffassung des Gerichtes sowohl die nicht vollständige Berücksichtigung der Aufwendungen für einen PKW als auch die verschiedene Behandlung von Autofahrern und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel. Bei den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte darf es sich nicht um Kosten der Lebensführung gemäß § 12 Nr. 1 EStG handeln.

Kosten der Lebensführung

Es entspricht der Lebenserfahrung, dass bei der Benutzung eines - zumal größeren - PKW Gründe der privaten Lebensführung, z.B. größere Bequemlichkeit, Unabhängigkeit, Freizügigkeit, Repräsentation, soziales Prestige die Wahl des Verkehrsmittels entscheidend mitbeeinflusst.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, dass durch die Entfernungspauschale Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel durch die Entfernungspauschale aufgrund der in den letzten Jahren überproportional gestiegenen Treibstoffkosten unverhältnismäßig begünstigt würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Kostensteigerungen auch den öffentlichen Verkehr treffen und in der Regel durch entsprechende Erhöhungen der Fahrpreise an die Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln weitergegeben werden.

Im Ergebnis ist es nach Auffassung des Finanzgerichts rechtmäßig, dass der Arbeitnehmer die durch die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entstandenen Kosten nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur in Höhe der Entfernungspauschale steuerlich geltend machen kann.

Bundesfinanzhof

Weil sich der Arbeitnehmer mit dem Urteil des Finanzgerichts nicht zufrieden gibt, ist der streitige Sachverhalt nun beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 4/15 anhängig. Der Bundesfinanzhof wird nun zu entscheiden haben, ob die Entfernungspauschale wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz durch Privilegierung der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel verfassungswidrig ist oder nicht.

Wir werden Sie in gewohnter Weise auf dem Laufenden halten.


Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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