Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Neue Strategie bei Zahlungsstörungen

17.11.2010  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen.

Bei herkömmlichen CRM-Konzeptionen steht die Gewinnung von Neukunden beziehungsweise die Generierung von Neugeschäft im Fokus.

Die im Kundenkontakt eingesetzten Mitarbeiter werden dementsprechend in Verkaufsargumentation und Akquisitionstechniken geschult. Der CRM-Prozess endet bei der Auftragserteilung.

Vertrags- oder Zahlungsstörungen, die unangenehmen Seiten der Geschäftsbeziehung also, gelten als „nicht marketingrelevant“; sie sind der Buchhaltung zugeordnet und werden nach einem festen Schema abgewickelt. Es gibt für jede Mahnstufe ein Mahnschreiben und einen festgelegten Zeitablauf. Nach der dritten Mahnung beziehungsweise nach Erreichen der vertraglichen Voraussetzungen wird das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet.




Allerdings sind Zwangsmaßnahmen gegen Schuldner immer seltener erfolgreich. So meldeten bei der Frühjahrsumfrage des Inkasso Bundesverbandes 32 % der Mitglieder für 2009 eine rückläufige Realisierungsquote von offenen Forderungen gegenüber dem Vorjahr. Nur 7 % konnten ein Plus verzeichnen. Bereits für 2008 hatten 23 % eine sinkende und nur 8 % eine steigende Quote erzielt. (siehe Kasten)

Die von Gerichtsvollziehern eingezogene Summe sank in 2008 um 4,5 %. Ebenfalls rückläufig waren die Zahlen der Zwangsvollstreckungsaufträge (-5 %), der Versteigerungen (-12,4 %) und der Vorpfändungen (-5,3 %) (Quelle: Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung/Auskünfte der Landesjustizverwaltungen).

Bei dem Schuldner ist „nichts mehr zu mehr holen“, lautet die Standardformel Doch das ist aus Expertensicht nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist eine falsche Strategie bei der Forderungsverfolgung: Statt nur die Ultima Ratio zu sein, gehören Zwangsmaßnahmen inzwischen zum Automatismus standardisierter Inkassoverfahren. „Obwohl es ‚den‘ Schuldner gar nicht gibt“, so Dr. Helmut Jungermann, Professor für Allgemeine Psychologie an der TU Berlin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Schufa. Studien wie der Schufa-Kreditkompass belegten, dass ein Großteil der in Zahlungsschwierigkeiten steckenden Verbraucher wirtschaftlich schnell wieder auf die Beine kommt und seine Schulden begleichen kann.

Pfändungen und gegebenenfalls die Abgabe Eidesstattlicher Versicherungen behindern diesen Erholungsprozess. Sie führen zu Krediteinschränkungen oder -kündigungen; nicht selten erschweren sie sogar die Arbeitsplatzsuche. Schon eine negative Wirtschaftsauskunft, ausgelöst durch eingeleitete Zwangsmaßnahmen, kann eine solche Abwärtsspirale in Gang setzen. „Für viele Privathaushalte, aber auch für kleinere Unternehmen bedeutet das den schnellen wirtschaftlichen Tod“, konstatiert Stephanie Steinmetz, Geschäftsführerin des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes. „Aufgrund der immer schnelleren Wechsel zwischen konjunkturellen Ab- und Aufschwungphasen aber auch der Lebensverhältnisse, etwa durch berufliche Veränderungen oder Scheidungen, ändert sich die finanzielle Situation von Privathaushalten innerhalb kürzester Zeit“, so Siegward Tesch, Geschäftsführer der Teschinkasso Forderungsmanagement GmbH in Wiehl. Eine leichtfertig herbeigeführte Eskalation bedeute das Ende einer – bei genauerem Hinsehen – womöglich langfristig tragfähigen Kundenbeziehung. Zudem ist die Einwerbung von Neuverträgen bei starkem Wettbewerb mit hohen Kosten verbunden, die sich erst im Laufe der Vertragsdauer wieder einspielen. Deshalb sollte das Forderungsmanagement darauf ausgerichtet sein, zahlungsschwachen Kunden in eine geordnete Geschäftsverbindung zurück zu helfen.

Voraussetzung ist ein Systemwechsel. Das undifferenzierte Inkassoverfahren muss durch ein kundenwertbezogenes ersetzt werden. Es gilt, den kooperationsbereiten und zahlungswilligen Kunden zu identifizieren, zu bewerten und zu kategorisieren. Letzteres ist erforderlich, um das Ganze in automatisierte Prozessschritte einbetten zu können.

Neben der schriftlichen Kommunikation ist die persönliche Kontaktaufnahme mit dem Schuldner von entscheidender Bedeutung. „Die Macht der persönlichen Ansprache“, so Telefoninkasso-Trainer Dietmar Bowmann, Osnabrück, sei der Schlüssel zum Inkassoerfolg. Es gelte, dem Kunden zu signalisieren, wie wichtig er dem Unternehmen sei – trotz seines Zahlungsverzugs. Bowmann: „Man kommt ihm entgegen, und zeigt ihm, dass man Unannehmlichkeiten in Form von Mahnkosten oder Gerichtstiteln vermeiden und weiterhin Geschäfte mit ihm machen will. Diplom-Psychologe Georg Sieber von der Intelligenz System Transfer GmbH, München: „Wer seine Rechnungen nicht bezahlen kann, steht auch unter einem enormen psychischen Druck. „Jeder nach Art und Intensität als unverdient empfundene Angriff löst Abwehr aus. Inkassomaßnahmen sollten daher ‚verhältnismäßig‘ sein - eben auch aus Sicht des Schuldners.“

Es gilt, so die Experten, den Schuldnern Alternativen aufzuzeigen, mit denen sie ihre Situation verbessern können. Dann mobilisieren sie erfahrungsgemäß alle Kräfte, um den Verpflichtungen auch tatsächlich nachzukommen.

Natürlich kommt es auf die richtige Gesprächsführung an. Nicht nur konziliant sollte sie sein, sondern auch klar strukturiert. Vor allem muss der Mitarbeiter am Telefon genau hinhören, um die Situation des Kunden auch realistisch zu erfassen. Nur bei einer positiven Prognose zahlt sich der Aufwand aus. Dann womöglich doppelt und dreifach. Aus gut „behandelten“ zahlungsschwachen werden in der Regel loyale und profitable Kunden. Man sollte allerdings nicht den mit dem Schuldner bekannten Vertreter vor Ort mit der Kontaktaufnahme betrauen, sondern eine neutrale Instanz, zum Beispiel einen geschulten Mitarbeiter aus der Buchhaltung oder ein spezialisiertes Inkassounternehmen. „In 50 bis 60 Prozent der so gelösten Fälle erhalten die Auftraggeber ihre Forderungen sogar zu 100 Prozent ausbezahlt“, so Inkassoexperte Tesch.

Die „geretteten“ Kundenbeziehungen lassen sich zum Beispiel mit einer „Rückführungsquote“ (Verhältnis zum klassischen Verfahren) quantifizieren. Damit wird das “Inkasso“ zum integrierten Bestandteil des CRM. Zumal Zahlungsverzüge auch Ausdruck der Unzufriedenheit des Kunden mit erbrachten Leistungen beziehungsweise gelieferten Produkten sein können.


Fazit:

Ein kundenwertorientiertes Forderungsmanagement ist nicht mehr auf die bloße Durchführung von Mahn- und Vollstreckungsprozessen ausgerichtet, sondern es leistet einen rechenbaren Wertbeitrag. Mit einer professionellen Dialogführung lassen sich die Ursachen für Konflikte und Vertragsstörungen ermitteln und beseitigen.

Realisierungsquote bei Inkassoaufträgen seit dem Vorjahr 2008 2009
gestiegen 8 % 7 %
gesunken 23 % 32 %
gleich geblieben 69 % 61 %

Quelle: Frühjahrsumfragen des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen
nach oben