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Neue BFH-Rechtsprechung zur ersten Tätigkeitsstätte bei einer Vollzeitbildungsmaßnahme

03.11.2020  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Abgrenzung einer ersten Tätigkeitsstätte von einer auswärtigen Tätigkeitsstätte stellt in der lohnsteuerlichen Praxis unverändert eine große Herausforderung dar. Volker Hartmann hat sich den Sachverhalt für Sie näher angeschaut.

Tätigkeit an einer erste Tätigkeitsstätte

Arbeitnehmer, die an einer ersten Tätigkeitsstätte tätig werden, können für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte Werbungskosten im Rahmen der Entfernungspauschale geltend machen, also in Höhe von 0,30 Euro pro Entfernungskilometer.

Verpflegungsmehraufwendungen können bei einer Tätigkeit an einer ersten Tätigkeitsstätte nicht geltend gemacht werden.

Kosten für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält.

Auswärtstätigkeit

Liegt hingegen eine auswärtige Tätigkeitsstätte vor, kommen Reisekostengrundsätze zur Anwendung. In diesem Fall kann ein Arbeitnehmer für Wegekosten 0,30 Euro pro tatsächlich gefahrenen km, also den doppelten Betrag, als Werbungskosten geltend machen, darüber hinaus Verpflegungsmehraufwendungen, soweit die Mindestabwesenheitszeiten erfüllt sind, und Kosten für die Unterkunft am auswärtigen Tätigkeitsort. Einen eigenen Hausstand muss der Arbeitnehmer hierbei nicht haben.

Doppelte Haushaltsführung

Übernachtet ein Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte, kann er seine Aufwendungen nur dann steuerlich geltend machen, wenn eine doppelte Haushaltsführung vorliegt. Eine doppelte Haushaltsführung setzt das Vorhandensein eines eigenen Hausstandes außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte voraus. Hat der Arbeitnehmer keinen eigenen Hausstand außerhalb des Ortes der ersten Tätigkeitsstätte, z. B. weil er noch bei seinen Eltern wohnt, kann er entsprechend keine Aufwendungen für die Unterkunft geltend machen.

Liegen hingegen Reisekostengrundsätze vor, kann der Arbeitnehmer seine tatsächlichen Unterkunftskosten steuerlich geltend machen, unabhängig davon, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder nicht.

BFH-Urteil vom 14.05.20, VI R 24/18

Mit BFH-Urteil vom 14.05.20, VI R 24/18 hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass die Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme für die Einordnung einer Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Absatz 4 Satz 8 EStG unerheblich ist.

Nach Maßgabe von § 9 Absatz 4 Satz 8 EStG 8 gilt eine Bildungseinrichtung, die ein Arbeitnehmer außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufsucht, als erste Tätigkeitsstätte. Im Ergebnis kommen bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen keine Reisekostengrundsätze zur Anwendung.

Im hier streitigen Sachverhalt besuchte ein gelernter Behälter- und Apparatebauer, der zu diesem Zeitpunkt in keinem Arbeitsverhältnis stand, einen dreimonatigen vollzeitigen Schweißtechnikerlehrgang bei einer Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt. Für diesen Zeitraum machte er im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung Verpflegungsmehraufwendungen und Unterkunftskosten als Reisekosten geltend. Eine doppelte Haushaltsführung lag nicht vor, weil er keinen eigenen Hausstand hatte. Das Finanzamt ließ den Ansatz der Reisekosten nicht zu, weil der Steuerpflichtige nicht auswärts tätig war, sondern an der Bildungseinrichtung eine erste Tätigkeitsstätte gehabt hat.

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Rechtsauffassung des Finanzamtes. § 9 Absatz 4 Satz 8 EStG setzt nach ihrem Wortlaut lediglich eine vollzeitige Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses, nicht aber eine bestimmte Zeitdauer einer solchen Bildungsmaßnahme voraus. Der Gesetzgeber vergleicht Steuerpflichtige in Vollzeitausbildung mit Arbeitnehmern, die aufgrund der dauerhaften Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung über eine erste Tätigkeitsstätte verfügen. Die Dauer des jeweiligen Arbeitsverhältnisses ist dabei unerheblich. Die Bildungseinrichtung wird nicht nur gelegentlich, sondern während der gesamten Bildungsmaßnahme fortdauernd und immer wieder aufgesucht. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs kann ein Steuerpflichtiger sich insoweit auf die ihm entstehenden Werbungskosten einrichten und deren Höhe beeinflussen. Auf die Dreimonatsfrist für die berufliche Veranlassung von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer doppelte Haushaltsführung kann nicht zurückgegriffen werden.

Daher sind Aufwendungen für die Wege zur Bildungseinrichtung im Rahmen der Entfernungspauschale anzusetzen. Übernachtungskosten und Verpflegungsmehraufwendungen können hier nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern nur im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung steuerlich angesetzt werden.

Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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Bild: Anastasiya (Pexels, Pexels Lizenz)

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