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Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit im Arbeitszimmer (Kommentar von Udo Cremer)

13.11.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erläutert den streitigen Fall eines als Klavierstudio genutzten häuslichen Arbeitszimmers.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ihren Gewinn, der sich im Streitjahr auf 14.518,94 € belief, ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmenüberschussrechnung. Die Einnahmen setzten sich im Wesentlichen aus Honoraren für von der Klägerin erteilten Klavierunterricht und ihre Tätigkeit als Konzertpianistin zusammen. In den geltend gemachten Betriebsausgaben waren die streitigen Aufwendungen für das sog. Klavierstudio in Höhe von 2.492,29 € erfasst, in dem die Klägerin ihre Privatschüler und, im Zusammenhang mit Schwerpunktthemen und Wettbewerbsvorbereitungen, auch Schüler der Kreismusikschule, deren Unterricht im Übrigen in Räumen der Kreismusikschule stattfand, unterrichtete.

Das sog. Klavierstudio befindet sich im Erdgeschoss des von der Klägerin zu Wohnzwecken genutzten Objektes. Ihm vorgelagert sind eine als Wartebereich genutzte Diele sowie ein Sanitärbereich. Das Haus der Klägerin ist über eine Haustür zugänglich, die in den Eingangsbereich führt. Dieser eröffnet zum einen den Zugang zu dem durch eine Tür abgetrennten Vorraum sowie im Weiteren zu der als Warteraum genutzten Diele. Der Eingangsbereich eröffnet zum anderen über eine Treppe den Zugang zu den im Obergeschoss des Hauses liegenden Wohnräumen der Klägerin. Das sog. Klavierstudio ist mit einem Klavier, einem Konzertflügel, Stühlen sowie Schränken und Kommoden, in denen Bücher und Noten verwahrt werden, ausgestattet.

Das FA erkannte die streitigen Raumkosten zunächst insgesamt nicht an. Erst in dem hiergegen gerichteten Klageverfahren erließ das FA am 2.3.2011 einen Einkommensteueränderungsbescheid, in dem es die streitigen Aufwendungen in Höhe von 1.250 € berücksichtigte. Das FG hat die darüber hinausgehende Klage mit seinem in den EFG 2013, 592 veröffentlichten Urteil vom 17.1.2012 2 K 1726/10 abgewiesen. Es hat das Klavierstudio als häusliches Arbeitszimmer qualifiziert und keine weiteren Raumkosten abgezogen, weil im Streitfall kein Tätigkeitsmittelpunkt festgestellt werden könne.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 9.6.2015, VIII R 8/13). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abzug der Aufwendungen für das sog. Klavierstudio über den bereits berücksichtigten Betrag in Höhe von 1.250 € hinaus. Die Beurteilung des FG, bei dem sog. Klavierstudio handele es sich um ein häusliches Arbeitszimmer, ist revisionsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie dessen Auffassung, ein Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Klägerin sei nicht feststellbar.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt; seine Grenzen sind fließend und es gibt Übergangsformen; entscheidend ist das Gesamtbild.

Im Einzelnen wird unter einem häuslichen Arbeitszimmer ein Raum verstanden, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder organisatorischer Arbeiten dient. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Die Ausstattung mit einem Schreibtisch ist indessen nicht zwingend erforderlich; der Begriff des Arbeitszimmers ist auch nicht so zu verstehen, dass er lediglich solche Räume erfasst, die nach ihrer Funktion und Ausstattung nur zur büromäßigen Erledigung der vorstehend genannten konzeptionellen und organisatorischen Arbeiten bestimmt sind. Ebenso wenig muss der Raum für die Verrichtung menschlicher Arbeit von einer gewissen Dauer hergerichtet sein.

Das FG konnte im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung zu der Annahme gelangen, dass das sog. Klavierstudio in die häusliche Sphäre des von der Klägerin genutzten Einfamilienhauses eingebunden ist, denn es weist einen engen räumlichen Bezug zu den von der Klägerin zu Wohnzwecken genutzten Bereichen aus. Eine Durchbrechung des inneren Zusammenhangs eines Arbeitszimmers mit den in demselben Gebäude gelegenen Wohnräumen setzt regelmäßig voraus, dass das Arbeitszimmer über eine der Allgemeinheit zugängliche und auch von anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen ist, da nur in diesem Fall die räumliche Trennung zwischen Arbeitszimmer und Wohnhaus so stark ausgeprägt ist, dass der Zusammenhang zur häuslichen Sphäre gelöst wird. Dementsprechend erfordert die Annahme eines häuslichen Arbeitszimmers keine unmittelbare Verbindung des Arbeitszimmers zur Wohnung; auch Mansardenzimmer oder Kellerräume im selben Haus stehen als Zubehörräume zu der Wohnung noch in einer räumlichen Verbindung, die sie als häusliches Arbeitszimmer einordnen lässt. Sogar die Lage der Räume in einem Anbau, der nicht vom Wohnhaus aus, sondern nur über einen separaten, straßenabgewandten Eingang vom Garten aus betreten werden kann, genügt noch für die Einbindung in die häusliche Sphäre. Ausweislich der Grundrisszeichnung, auf die das FG Bezug genommen hat, ist das sog. Klavierstudio nicht unmittelbar über einen separaten Hauseingang zugänglich. Auch wenn ein solcher keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Raumes mit betriebsstättenähnlichem Gepräge ist, so muss sich ein solcher Eingangsbereich jedoch erkennbar von den ansonsten privat genutzten Räumlichkeiten absetzen und darf (abgesehen von einer Tür) keine räumliche Verbindung zu diesen aufweisen.

Vorliegend fehlt es an einer hinreichend klaren Abgrenzung des Eingangsbereiches zu den privat genutzten Räumen. Denn (dies bestätigt der vorliegende Grundriss) die Klägerin musste den Eingangsbereich nicht nur nutzen, um in die im Obergeschoss gelegenen Wohnräume zu gelangen. Der Eingangsbereich gab ihr zudem die Möglichkeit, das sog. Klavierstudio zu erreichen, ohne der Allgemeinheit zugängliche Verkehrsflächen nutzen zu müssen. Der Umstand, dass auch die Schüler der Klägerin jenen Eingangsbereich genutzt haben, um über den Vorraum zunächst in die als Wartebereich genutzte Diele und sodann in das sog. Klavierstudio zu gelangen, macht den Eingangsbereich nicht zu einer der Allgemeinheit zugänglichen Verkehrsfläche, denn ihnen war der Zutritt zum Eingangsbereich nur nach Einlass durch die Klägerin möglich.

Der Umstand, dass das sog. Klavierstudio (anders als das typische häusliche Arbeitszimmer) nicht in der üblichen Weise büromäßig ausgestattet ist, führt im Streitfall nicht dazu, dass es nicht mehr dem Typusbegriff des Arbeitszimmers entspricht. Nach der Rechtsprechung des Senats steht allein der Umstand, dass das Zimmer (anders als im Regelfall eines häuslichen Arbeitszimmers) nicht in der üblichen Weise büromäßig ausgestattet ist (Fehlen von z.B. PC, Telefon, Telefaxgerät oder andere bürotypische Einrichtungsgegenstände), der Annahme eines häuslichen Arbeitszimmers nicht entgegen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Nutzung durch den Steuerpflichtigen der Nutzung eines "typischen" Arbeitszimmers durch Angehörige anderer Berufsgruppen gleichkommt, insbesondere in Form von Vorbereitungshandlungen, die die Grundlage der außerhalb des Hauses verrichteten Berufstätigkeit bilden. Die Klägerin hat das sog. Klavierstudio nicht nur für den Unterricht mit ihren Schülern genutzt, sondern in erheblichem Umfang auch für die Unterrichtsvorbereitung, die Vorbereitung auf ihre Konzerte und zum Halten des Niveaus ihres Spiels. Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte das FG zu dem Schluss gelangen, die Nutzung des Studios durch die Klägerin komme der Nutzung eines "typischen" Arbeitszimmers durch Angehörige anderer Berufsgruppen gleich. Dies gilt selbst dann, wenn der Senat unterstellt, dass das Üben der Klägerin nicht nur ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin zugutekommt, sondern ebenso für die Ausübung ihrer unterrichtenden Tätigkeit als unerlässlich anzusehen ist.

Dass das FG keinen Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung der Klägerin festzustellen vermochte, lässt ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der "Mittelpunkt" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG (für alle Berufsgruppen gleichermaßen) nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen zu bestimmen. Dies hat zur Folge, dass bei der Feststellung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen nicht im Wortsinne auf die betriebliche und berufliche Tätigkeit, sondern in einem umfassenden Sinne auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist.

Übt der Steuerpflichtige mehrere unterschiedliche im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende Tätigkeiten aus, ist zwar nicht erforderlich, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt "jedweder" oder "einer jeden einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" bilden muss. Gleichwohl bedarf es zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist sodann der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit zu bestimmen. Fehlt für die Feststellung einer solchen Haupttätigkeit eine insoweit indizielle nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung aufgrund privat- oder öffentlich-rechtlicher Arbeits- oder Dienstverhältnisse, so ist in Zweifelsfällen zur Feststellung der Haupttätigkeit auf die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und den auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallenden Zeitaufwand abzustellen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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