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Investitionszulage (Kommentar von Udo Cremer)

16.09.2014  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Gebäudeteile als selbständige Wirtschaftsgüter im Investitionszulagenrecht

1. Nach den auch im Investitionszulagenrecht anwendbaren ertragsteuerlichen Grundsätzen kann ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden, wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen.

2. Besteht ein baulich einheitliches Gebäude nach diesen Grundsätzen aus verschiedenen selbständigen Wirtschaftsgütern, dann ist jedes Wirtschaftsgut im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fertigstellung gesondert zu würdigen.

Der Kläger betreibt eine Bau- und Möbeltischlerei. Im September 1999 beantragte er beim Landratsamt eine Genehmigung für den Neubau eines Werkstatt- und Lagergebäudes, eines Spänebunkers und eines Anbaus an das Wohnhaus. Die Genehmigung wurde im Februar 2000 erteilt. Die Bauarbeiten zogen sich erheblich in die Länge. So waren Ende 2004 erst das Kellergeschoss des Werkstattgebäudes und der Spänebunker errichtet worden. Der Bau des Erd- und des Dachgeschosses sollte ausweislich einer am 1.7.2004 getroffenen schriftlichen Vereinbarung des Klägers mit seinem Sohn A, der ebenfalls eine Tischlerfirma betreibt, von diesem als neuem Bauherren ausgeführt werden. In dem als "Mietvereinbarung" bezeichneten Schriftstück ist weiter festgehalten, dass der vom Kläger "begonnene Neubau (Kellergeschoss) ... kostenlos von der Firma" des Sohnes "genutzt" werde und "die Nutzung des gesamten Objekts (Neubau) ... bis zum 31.12.2016 kostenfrei" erfolge. Daneben schloss der Kläger mit seinem Sohn einen formularmäßigen Mietvertrag, wonach Erd- und Obergeschoss ab dem 1.7.2004 an Letzteren vermietet werden sollten. Ein Mietzins war nicht vorgesehen, wohl aber ein "Mietzuschlag für Nebenkosten-Strom" in Höhe von 100 EUR.

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Auf die vom Kläger für die Jahre 1999 bis 2003 gestellten Anträge auf Investitionszulage, mit denen unter anderem auch Aufwendungen für die Baumaßnahmen (Teilherstellungskosten) geltend gemacht wurden, setzte das FA die Investitionszulage in der begehrten Höhe zunächst fest. Nach einer im März 2006 erfolgten Ortsbesichtigung erließ das FA für die Streitjahre 1999 bis 2003 Änderungsbescheide und versagte darin die Zulage für die Kosten des Werkstattneubaus; auf den für das Jahr 2004 gestellten Antrag setzte es die Investitionszulage auf 0 EUR fest. Das FA war, wie das später erfolglos vom Kläger angerufene FG, der Auffassung, dass die Investition nicht bis zu dem im Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) genannten Stichtag, dem 1.1.2005, abgeschlossen worden sei. Deshalb müsse der Kläger die auf die Teilherstellungskosten gewährte Zulage zurückzahlen.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass auch im Investitionszulagenrecht der Wirtschaftsgutbegriff gelte und demgemäß eigenbetrieblich und fremdbetrieblich genutzte Gebäudeteile unterschiedliche Wirtschaftsgüter darstellten.

Die Revision ist begründet (BFH Urteil vom 20.12.2012, III R 40/11). Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 u.a. die Herstellung neuer Gebäude, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verwendet werden und es sich um Erstinvestitionen handelt. Die genannten Investitionen sind begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 31.12.1998 und vor dem 1.1.2005 abschließt. Investitionen sind in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind. Ein Betriebsgebäude ist in diesem Sinne her- bzw. fertiggestellt (vgl. § 9a EStDV), wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude dem Betrieb zur Verfügung steht. Nach den auch im Investitionszulagenrecht anwendbaren ertragsteuerlichen Grundsätzen kann ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Besteht ein baulich einheitliches Gebäude nach diesen Grundsätzen aus verschiedenen selbständigen Wirtschaftsgütern, dann ist jedes Wirtschaftsgut im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fertigstellung gesondert zu würdigen. Geht es indes um die Herstellung eines einzigen einheitlichen Wirtschaftsguts, etwa weil das geplante und errichtete Gebäude ausschließlich für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt ist, dann ist das Gebäude insgesamt noch nicht fertiggestellt, wenn bei einer einheitlichen Baumaßnahme nur eines von mehreren geplanten Geschossen fertiggestellt ist.

Das FG ist mit fehlerhafter Begründung davon ausgegangen, dass das streitige Werkstattgebäude nicht aus zwei Gebäudeteilen besteht, die im Hinblick auf die fristgerechte Herstellung gesondert zu würdigen sind.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen, kann bei Gebäuden, die sich noch in der Bauphase befinden, naturgemäß nur auf die vorgesehene Nutzung abgestellt werden. Ist etwa von Anfang an die Errichtung eines Gebäudes geplant, dessen einzelne Stockwerke unterschiedlich genutzt werden sollen (eigenbetrieblich, fremdbetrieblich, eigene Wohnzwecke, fremde Wohnzwecke), dann führt die fristgerechte Fertigstellung eines Stockwerks dazu, dass jedenfalls für dieses selbständige Wirtschaftsgut Investitionszulage zu gewähren ist, auch wenn die zur unterschiedlichen Nutzung vorgesehenen anderen Stockwerke sich noch in der Bauphase befinden. Dasselbe gilt dann, wenn der Investor im Zuge der Bauphase seine ursprüngliche Konzeption, die z.B. darin bestand, das gesamte Gebäude für eigenbetriebliche Zwecke zu verwenden, dahingehend ändert, dass ein Teil des Gebäudes nunmehr einer anderen Nutzung, z.B. einer fremdbetrieblichen, zugeführt werden soll. Den materiellen Vorschriften des InvZulG 1999 lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass derartige Änderungen der Nutzungskonzeption, die jedenfalls nicht mit bautechnischen Änderungen oder Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung einhergehen, investitionszulagenschädlich wären.

Der Kläger hat unter Berücksichtigung der beim FA eingereichten Baugenehmigungsunterlagen in seinen Anträgen die Errichtung eines mehrgeschossigen Werkstattgebäudes mit Spänebunker angegeben. Damit wurden die Investitionsgüter in einer Art und Weise bezeichnet, wie sie auch später als selbständige Wirtschaftsgüter oder als unselbständige, aber näher umrissene Teile eines einheitlichen Wirtschaftsguts in Erscheinung treten und mithin einer Nachprüfung zugänglich sind. Es genügt, dass das zu errichtende Gebäude als solches bezeichnet wird. Damit sind diejenigen Gebäudeteile mitbezeichnet, die potentiell geeignet sind, nach Fertigstellung des Gesamtgebäudes als rechtlich eigenständige Wirtschaftsgüter qualifiziert zu werden.


Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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