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Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Kommentar von Udo Cremer)

11.03.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erläutert beispielhaft, was bei der Gewinnveräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften wichtig ist.

Der Kläger war mit 61.250 Stückaktien (zu 34,02 %) an der N-AG beteiligt. Am 28.2.2002 veräußerte und übertrug er seine Beteiligung in zwei Vorgängen. Aus der Übertragung von 13.258 Aktien auf eine KG erzielte der Kläger einen Gewinn, der vorliegend nicht im Streit ist. Die übrigen 47.992 Stückaktien erwarb die U-AG. Als Gegenleistung erhielt der Kläger 174.194 neue Aktien der U-AG zum vereinbarten Ausgabekurs von 24 € pro Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung bei der U-AG wurde am 13.12.2002 in das Handelsregister eingetragen. An diesem Tag wurden 174.194 neue Aktien der U-AG dem Depot des Klägers gutgeschrieben. Der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.2.2002 18,69 € und am 13.12.2002 2,20 €.

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Der Kläger ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des Börsenkurses am 13.12.2002 (2,20 € /Aktie). Das FA veranlagte den Kläger zunächst erklärungsgemäß. Aufgrund einer Kontrollmitteilung von Juli 2007 bewertete das FA den Veräußerungspreis nun mit dem Börsenkurs vom 28.2.2002 (18,69 €/Aktie) und änderte den Einkommensteuerbescheid entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 13.10.2015, IX R 43/14). Das FG hat den Veräußerungsgewinn nicht richtig ermittelt.

Die Vorinstanz hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Veräußerungsgewinn sei am 28.02.2002 entstanden. Auf diesen Stichtag müssten die als Gegenleistung zu liefernden Sachgüter bewertet werden. Auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung am 13.12.2002 komme es dagegen nicht an. Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Änderungen bei gestundeter Kaufpreisforderung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie setze eine Leistungsstörung voraus. Hier sei der Vertrag aber wie vereinbart erfüllt worden. Die Wertveränderung der Gegenleistungsforderung bis zu deren Erfüllung beeinflusse den Veräußerungspreis deshalb nicht. Andernfalls würde bei jeder aufgeschobenen Gegenleistung die Grundentscheidung für eine Gewinnermittlung am Stichtag in ihr Gegenteil verkehrt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren Rechtsprechung. Ein Bewertungsabschlag sei nicht vorzunehmen.

Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Übertragung von N-Aktien auf die U-AG gegen Übertragung von (neuen) Aktien der U-AG (Aktientausch) eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG darstellt. Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung am 28.2.2002 entstanden ist. Nach der Rechtsprechung ist der Veräußerungsgewinn nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln.

Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Der Anspruch auf die Gegenleistung ist bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene Leistung erbracht ist. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt hat. Das war am 28.2.2002 der Fall. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt.

Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Veräußerungspreis im vorstehenden Sinne ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält. Im Streitfall hat der Kläger als Gegenleistung für die Übertragung der N-Aktien am 13.12.2002 174.194 neue U-Aktien erhalten.

Besteht die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern, ist der Veräußerungspreis insoweit mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Grundsätzlich kommt es dafür auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an.

Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.

Der Große Senat des BFH hat zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt. Dies erfordert es, später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des (tatsächlich erzielten) Erlöses maßgebend waren. Entsprechendes gilt für die Ermittlung des Veräußerungspreises i.S. des § 17 Abs. 2 EStG.

Ob diese Grundsätze auch für die Bewertung von Sachgütern, also für die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen bei den wertbildenden Umständen gelten, wird bisher uneinheitlich beurteilt.

Es kommt nicht darauf an, dass der Erwerber im Streitfall die geschuldete Gegenleistung am 13.12.2002 erbracht und damit seine Verpflichtung aus der Aktionärsvereinbarung vollständig erfüllt hat. Zwar trifft es zu, dass es insofern nicht zu einer vertraglichen Leistungsstörung gekommen ist, denn die Vertragsparteien hatten insoweit auf eine Anpassung der Gegenleistung verzichtet und dem Kläger einseitig das Kursrisiko zugewiesen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger aus dem Vertrag letztlich weniger erhalten hat, als er bei Abschluss des Vertrags annehmen durfte. Aus seiner Sicht unterscheidet sich das Ergebnis deshalb nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der Kaufpreisforderung endgültig ausfällt oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht wird. Lediglich der Grund für die Einbuße ist ein anderer. Darauf sollte es aber nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gerade nicht ankommen.

Darin liegt keine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes, wonach es für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns ankommt. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gilt das Realisationsprinzip bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns uneingeschränkt nur für den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns. Für die Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Zufluss) an. § 16 Abs. 2 EStG (und § 17 Abs. 2 EStG) gehen insofern als speziellere Vorschriften dem Realisationsgrundsatz vor.

Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises nicht mehr. Vereinbarungen, durch welche eine bereits erfüllte Gegenleistung noch einmal geändert wird, wirken nach der Rechtsprechung nur dann auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück, wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war. Eine derartige Einschränkung sieht die Rechtsprechung für tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die vor Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung eintreten, jedoch nicht vor.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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