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Gestaltungsmissbrauch und vGA (Kommentar von Udo Cremer)

07.05.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Was genau ist ein Mantelkauf und führt er im Zusammenhang mit der Abtretung von Gesellschafterforderungen zwangsläufig zum Gestaltungsmissbrauch? Experte Udo Cremer klärt auf und kommentiert für Sie das BFH Urteil vom 11.12.2018 (VIII R 21/15).

  1. Die Abtretung von Gesellschafterforderungen im Zusammenhang mit einem sog. Mantelkauf ist nicht stets als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO anzusehen und wie ein Forderungsverzicht zu behandeln.
  2. Rückzahlungen auf ein Darlehen des Gesellschafters oder einer diesem nahestehenden Person vor Eintritt des Besserungsfalls können zu vGA führen.

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war in den Streitjahren (2003 bis 2005) zu 50 % an der ... GmbH (GmbH) beteiligt. Weiterer Gesellschafter war X. Der Kläger hatte seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000 DM mit Vertrag vom 18. Dezember 2002 zum Kaufpreis von 1 EUR von X erworben. Am gleichen Tag war eine Neufassung des Gesellschaftsvertrages sowie die Bestellung des Klägers zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH erfolgt. Die GmbH hatte ihren aktiven Geschäftsbetrieb bereits mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 eingestellt und ihr gesamtes Anlage- und Umlaufvermögen veräußert. Es bestanden lediglich noch Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber X und dessen Vater (V).

X und V hatten zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht am 5. August 2002 den Rangrücktritt erklärt. Der Bilanzverlust der GmbH zum 31. Dezember 2002 betrug 924.826,99 EUR. Die Klägerin erwarb die Forderungen des X und des V gegen die GmbH im Dezember 2002: V veräußerte mit Vertrag vom 18. Dezember 2002 seine Darlehensforderung in Höhe von 546.968,29 EUR zum Kaufpreis von 23.668 EUR an die Klägerin; X veräußerte mit Vertrag vom 23. Dezember 2002 seine Darlehensforderung über 345.155,16 EUR zum Kaufpreis von 16.332 EUR an die Klägerin. Diese hatte für die Forderungen in Raten insgesamt einen Kaufpreis von 40.000 EUR zu zahlen.

Mit Vertrag vom 30. Dezember 2002 veräußerte der Kläger sein gewinnträchtiges Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva an die GmbH. Der Kaufpreis betrug insgesamt 49.288 EUR. Die GmbH erwirtschaftete ab 2003 erhebliche Gewinne. Infolge der bestehenden Verlustvorträge waren (jedenfalls bis Ende 2010) keine Steuern zu zahlen. Eine Ausschüttung der Gewinne beschlossen die Gesellschafter der GmbH nicht. Zur Vermeidung eines Insolvenzantrages erklärte die Klägerin am 11. April 2003 den Rangrücktritt für die von ihr erworbenen Darlehensansprüche gegen die GmbH. Ab 2003 erfolgte die Tilgung der Darlehen gegenüber der Klägerin. Die Klägerin erklärte in den Streitjahren lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die sie als Angestellte der GmbH erzielte.

Im Rahmen einer im Jahr 2006 bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, die Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin, die über den Anschaffungspreis von 40.000 EUR hinausgehe, sei als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) anzusehen. Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 18. Januar 2007 unter Verweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO Einkommensteueränderungsbescheide für die Streitjahre. Darin erfasste es (unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens jeweils hälftig) bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen vGA in Höhe von 122.808 EUR (2003), 56.896 EUR (2004) und 84.538 EUR (2005). Die zunächst im Anschluss an die Außenprüfung ebenfalls erlassenen Körperschaftsteueränderungsbescheide hob das FA nach den Feststellungen des FG auf den Einspruch der GmbH auf. Der von den Klägern gegen die Einkommensteueränderungsbescheide erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2010). Das FG gab der nachfolgenden Klage mit in EFG 2015, 1150 veröffentlichtem Urteil vom 24. April 2015 3 K 19/11 statt.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (BFH Urteil vom 11.12.2018, VIII R 21/15). Zwar hat das FG ohne Rechtsfehler erkannt, dass der im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb erfolgte Forderungserwerb durch die Klägerin nicht als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO anzusehen ist und dem Kläger hieraus keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EstG in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung zuzurechnen sind. Jedoch hat es übersehen, dass der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer vGA erzielt haben könnte, weil die Darlehensrückzahlungen an die Klägerin vor Eintritt des Besserungsfalls erfolgt sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA i.S. dieser Vorschrift liegt im Grundsatz vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat und der Vermögensvorteil dem Gesellschafter zugeflossen ist. Ein tatsächlicher Zufluss beim Gesellschafter ist auch dann anzunehmen, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Im Streitfall liegt eine solche Vorteilszuwendung nicht darin, dass der im Zusammenhang mit dem Anteilskauf erfolgte Forderungserwerb durch die Klägerin als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO zu qualifizieren und als angemessene Gestaltung ein Forderungsverzicht der ehemaligen Gesellschafter der GmbH anzunehmen ist, mit der Folge, dass die an die Klägerin erbrachten Zahlungen der GmbH keine Darlehensrückzahlungen, sondern dem Kläger zuzurechnende vGA darstellen. Nach § 42 Abs. 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Demzufolge ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG in Bezug auf den Forderungserwerb eine unangemessene rechtliche Gestaltung verneint hat.

Das FG hat jedoch übersehen, dass der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt haben könnte, weil die Darlehensrückzahlungen an die Klägerin vor dem Eintritt des Besserungsfalls erfolgt sind. Voraussetzung für die Annahme einer vGA in einem solchen Fall ist zum einen, dass die vorzeitige Zahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, d.h. es zu einer Überlagerung des ursprünglichen betrieblichen Veranlassungszusammenhanges der Verbindlichkeit kommt.

Ob dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Leistet die Gesellschaft Zahlungen auf eine Verbindlichkeit, hinsichtlich der ein Rangrücktritt erklärt worden ist, ohne zu prüfen, ob der Besserungsfall bereits eingetreten ist, ist eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung indiziert, da anzunehmen ist, dass vor der Zahlung an einen fremden Dritten stets überprüft wird, ob der Besserungsfall eingetreten und die mit dem Rangrücktritt verbundene Durchsetzungssperre entfallen ist. Weitere Voraussetzung für die Annahme einer vGA ist eine durch die vorzeitige Zahlung eintretende Vermögensminderung auf der Ebene der GmbH.

Diese kann sich aus der Hingabe des der Darlehenstilgung dienenden Betrages (ggf. auch von Zinszahlungen) ergeben, wenn die Zahlung nicht zur Ausbuchung der Darlehensverbindlichkeit führt. Dies ist der Fall, wenn die Verbindlichkeit einem Passivierungsverbot gemäß § 5 Abs. 2a EStG unterlag und daher in der Steuerbilanz der GmbH nicht ausgewiesen ist bzw. ausgewiesen werden durfte. Die Annahme einer vGA scheidet demgegenüber aus, wenn die Zahlung nach Eintritt des Besserungsfalls erfolgt. Dies gilt für den Fall, dass der Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH unter der auflösenden Bedingung, dass im Besserungsfall die Forderung wiederaufleben soll, verzichtet hat. Leistet der Schuldner nach Eintritt des Besserungsfalls Zahlungen auf die wiederaufgelebte Verbindlichkeit, handelt es sich um Betriebsausgaben, nicht um vGA.

Ein mit einer zwischenzeitlichen Abtretung der Forderung verbundener Gläubigerwechsel ändert hieran (anders als ein Schuldnerwechsel) nichts. Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person lediglich einen Rangrücktritt erklärt hat. Die Rückzahlung der Forderung nach Eintritt des Besserungsfalls ist auch dann nicht als vGA anzusehen, wenn es sich um einen sog. spezifizierten Rangrücktritt handelt, der dazu führt, dass die Verbindlichkeit gemäß § 5 Abs. 2a EStG in der Steuerbilanz des Schuldners (bis zum Eintritt des Besserungsfalls) nicht (mehr) passiviert werden darf. Denn die Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit im Besserungsfall ändert nichts an der ursprünglichen betrieblichen Veranlassung der Darlehensaufnahme, so dass grundsätzlich kein Raum für die Annahme einer vGA besteht.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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