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Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung eines vermieteten Bürogebäudekomplexes durch einen Bauträger (Kommentar von Udo Cremer)

11.01.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erklärt anhand eines Beispiels, welche Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung der Umsatzsteuer unterliegen.

Die Klägerin ist eine in Luxemburg ansässige GmbH nach luxemburgischem Recht, deren Unternehmensgegenstand das langfristige Halten von Immobilien ist. Sie erwarb mit notariellem Vertrag vom 16.1.2006 (Grundstückskaufvertrag) im Inland einen Bürogebäudekomplex. Voreigentümerin und Veräußerin des Objekts war die "Gesellschaft bürgerlichen Rechts X" (Veräußerin), deren Gesellschafter die "A-GmbH" (Beigeladene zu 1.), sowie die "B-AG" (Beigeladene zu 2.) waren. Die Veräußerin war eine sog. Objektgesellschaft; ihr Zweck war der Erwerb, die Sanierung, die langfristige Vermietung und der Verkauf des Objekts; ihr einziger in ihrer Bilanz als Vorratsvermögen ausgewiesener Vermögensgegenstand. Die Veräußerin hatte das Objekt 2001 erworben sowie in den Jahren 2001 und 2002 erweitert und saniert. Die Baumaßnahmen waren mit Ausnahme der Innenausbauten im Februar 2002 fertiggestellt. Die Vermietung erfolgte ab Februar 2003. Ende 2003 waren 52 % der Gesamtnutzfläche vermietet. Im Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit der Klägerin im Oktober 2005 hatte die Veräußerin bereits 80 % der Gesamtflächen vermietet; beim Verkauf des Objekts im Januar 2006 waren es 90 %.

Die bestehenden Mietverhältnisse wurden von der Klägerin fortgeführt. Der Grundstückskaufvertrag enthält u.a. die folgende Regelung: "Die Parteien gehen davon aus, dass die Veräußerung des Kaufgegenstandes keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG darstellt. Der Verkäufer optiert gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 S. 2 UStG zur Umsatzsteuer und verpflichtet sich, diese Option nicht zu widerrufen. ...". Die Veräußerin stellte der Klägerin eine Rechnung unter Hinweis auf deren Steuerschuldnerschaft und ohne Umsatzsteuerausweis aus. Die Klägerin meldete den betreffenden Grundstücksumsatz sowohl in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für März 2006 als auch in ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 (Streitjahr) an. Das FA folgte den Angaben der Klägerin. Es setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr zunächst mit Bescheid vom 18.12.2008, der auf den Einspruch der Klägerin hin mit Bescheid vom 4.3.2009 geändert wurde, unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Am 30.4.2009 reichte die Klägerin beim FA eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein. Sie behandelte nunmehr den Grundstücksumsatz nach § 1 Abs. 1a UStG als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen und beantragte, die Umsatzsteuer für das Streitjahr entsprechend herabzusetzen.

Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.11.2009 ab. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2011). Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1a UStG für erfüllt. Es sei ein Vermietungsunternehmen von der Veräußerin auf die Klägerin übergegangen, die dieses, wie von ihr beabsichtigt, fortgeführt habe. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1240 veröffentlicht.

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH Urteil vom 12.8.2015, XI R 16/14). Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht der Umsatzsteuer. § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

Die Übertragung eines vermieteten Grundstücks führt dann zur Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG, wenn durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Mietvertrag ein Vermietungsunternehmen übernommen wird. Es liegt aber keine Geschäftsveräußerung im Ganzen in diesem Sinne vor, wenn (was Bauträger betrifft) die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd veräußern zu können.

Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat zu Recht entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG erfüllt waren. Gegenstand der Übertragung war nach den unwidersprochenen Feststellungen des FG ein im Zeitpunkt der Veräußerung im Januar 2006 bereits seit zwei bis drei Jahren langfristig vermieteter Bürogebäudekomplex. Das FG hat hierzu ferner festgestellt, dass die Klägerin alle bestehenden Mietverhältnisse, wie von ihr beabsichtigt, fortgeführt hat. Das Grundstück war zwar im Zeitpunkt des Verkaufs im Januar 2006 nicht vollständig vermietet. Dies steht aber der Beurteilung des FG nicht entgegen, seinerzeit habe (auch) die Veräußerin bereits ein Vermietungsunternehmen betrieben. Denn im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks waren bereits 90 % der Flächen vermietet. Der Leerstand (10 %) war unwesentlich und für die Annahme eines Vermietungsunternehmens somit unschädlich.

Das FG hat ferner zu Recht entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil vorliegend die Vertragsparteien im Grundstückskaufvertrag unzutreffend davon ausgegangen sind, diese liege nicht vor, und auf die grundsätzliche Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet haben.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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