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Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte (Kommentar von Udo Cremer)

07.04.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätten bei Selbständigen - Gleichbehandlung des Betriebsausgabenabzugs mit dem entsprechenden Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern

Fahrtkosten einer selbständig tätigen Musiklehrerin sind zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Unterrichtseinrichtungen anfallen und keiner dieser Beschäftigungsstätten eine besondere zentrale Bedeutung zukommt.

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Die Klägerin erteilte im Streitjahr 2008 als freiberuflich tätige Musiklehrerin im Auftrag einer kommunalen Musikschule in mehreren Schulen und Kindergärten Musikunterricht. Im Regelfall suchte sie jede dieser Einrichtungen außerhalb der Schulferien einmal wöchentlich auf und benutzte hierfür ihr privates Kfz. Zusätzlich unternahm sie sieben Fahrten zur Musikschule und neun Fahrten zu anderen Zielen, die sie jeweils nur einmal aufsuchte. In ihrer Wohnung unterhielt sie ein Arbeitszimmer, in dem sie den Unterricht vorbereitete, Musikinstrumente lagerte und Büroarbeiten erledigte. In der Einkommensteuererklärung für 2008 ermittelte die Klägerin den Gewinn aus ihrer Lehrtätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG. Als Betriebsausgaben machte sie u.a. Fahrtkosten in Höhe von 1.137 € geltend. Dabei setzte sie für jeden der gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 € an. Das FA erkannte die geltend gemachten Fahrtkosten nur zur Hälfte (568,50 €), nämlich in Höhe von 0,30 € pro Entfernungskilometer an, weil es sich bei allen Fahrten um solche zwischen Wohnung und Betriebsstätte handele. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 839 veröffentlicht.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 23.10.2014, III R 19/13). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der steuerrechtliche Abzug der im Streit stehenden Fahrtkosten nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG durch die Entfernungspauschale begrenzt ist. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ordnet die entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an. Danach sind Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Entfernungskilometer, höchstens 4.500 € im Kalenderjahr, abgegolten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Begriff einer Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG weiter zu fassen als im Rahmen des § 12 AO, der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt. Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden. Auch ein durch die Art der Tätigkeit bedingter häufiger Wechsel der Einsatzstelle schließt nicht aus, dass die jeweilige Beschäftigungsstelle eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist. Nach diesen Grundsätzen stellen etwa Unterrichtsräume, an denen ein selbständig Tätiger seine Leistungen gegenüber Kunden erbringt, Betriebsstätten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG dar.

Danach könnte die Klägerin bei der Ermittlung ihres Gewinns ihre Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und den jeweiligen Schulen bzw. Kindergärten als Betriebsstätten nur in Höhe von 0,30 € je Entfernungskilometer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG als Betriebsausgaben absetzen. Durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG sollen jedoch die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei der Ermittlung von Gewinneinkünften mit den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Ermittlung von Überschusseinkünften gleich behandelt werden. Diese durch den Gesetzgeber beabsichtigte Gleichbehandlung wird durch die gesetzlich normierte Verweisung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG deutlich. Der hierin zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu berücksichtigen. Wenn nach dem Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG beim Abzug der dort genannten Fahrtkosten die Gewerbetreibenden und selbständig Tätigen den Arbeitnehmern gleichzustellen sind, dann müssen auch die für die Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen der Abzugsbeschränkungen im Falle gleichliegender Sachverhalte bei den Gewerbetreibenden und den selbständig Tätigen grundsätzlich ebenso gelten. Liegt keine regelmäßige Arbeitsstätte vor, sind die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten zu den einzelnen Tätigkeitsorten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Abzug zuzulassen. Entscheidend ist daher, ob eine der Tätigkeitsstätten, an denen die Klägerin ständig wechselnd beruflich tätig war, eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den anderen Tätigkeitsorten hatte, so dass diese mit einer nach der neueren Rechtsprechung anzunehmenden (einen) regelmäßigen Arbeitsstätte gleichzusetzen ist. Das war nicht der Fall. Soweit sich die Klägerin zu den verschiedenen Unterrichtseinrichtungen begeben hat, kommt keiner dieser Einrichtungen eine besondere zentrale Bedeutung zu, die sich mit einer "regelmäßigen Arbeitsstätte" vergleichen ließe.


Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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