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Entnahme bei Betriebsaufgabe (Kommentar von Udo Cremer)

30.09.2014  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wann der Tatbestand einer umsatzsteuerlichen Entnahme erfüllt ist, erläutert unser Experte Udo Cremer.

Der Kläger betrieb bis einschließlich 30.4.2001 ein Ingenieurbüro in der Rechtsform eines Einzelunternehmens. Im Zusammenhang mit seiner Ingenieurtätigkeit entwickelte er eine Verseilmaschine. Diese ließ er von einem Fremdunternehmen fertigen, montieren und in Betrieb nehmen. Die in der empfangenen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Kläger im Streitjahr 2001 als Vorsteuer geltend. Mit Ablauf des 30.4.2001 stellte der Kläger seine Ingenieurtätigkeit im Rahmen seines Einzelunternehmens ein. Ab dem 1.5.2001 setzte die zuvor gegründete F-KG diese bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit fort. An der F-KG war der Kläger als Komplementär beteiligt. Die bisher dem (Einzel-) Unternehmen zugeordnete Verseilmaschine und Büroeinrichtung übertrug der Kläger nicht in das Gesamthandsvermögen der F-KG. Er überließ diese Gegenstände der Gesellschaft unentgeltlich zur Nutzung.

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In der beim FA eingereichten nicht zustimmungsbedürftigen Umsatzsteuererklärung 2001 erfasste der Kläger keine Umsätze im Zusammenhang mit der Überlassung der Verseilmaschine und Büroeinrichtung an die F-KG. Die angemeldete Umsatzsteuer betrug 456,10 DM (233,20 €). Im Anschluss an eine Betriebsprüfung beim Kläger ging das FA davon aus, die unentgeltliche Überlassung der Gegenstände an die F-KG verwirkliche den Tatbestand einer umsatzsteuerrechtlichen Entnahme i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Diese Entnahmen seien gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich mit den (ertragsteuerlichen) Buchwerten in der Aufgabebilanz des Einzelunternehmens (Büroeinrichtung 5.418 DM und Verseilmaschine 43.659 DM) zu bemessen. Für die Verseilmaschine müsse dieser Wert um einen erhaltenen Zuschuss von 55.735,50 DM sowie die vorgenommene Sonderabschreibung von 11.147 DM erhöht werden. Dies führe zu einer Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze im Streitjahr um 115.960 DM. Dementsprechend erließ das FA am 21.6.2005 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001, in dem es die Umsatzsteuer um 18.553,60 DM erhöhte (16 % von 115.960 DM).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG wies die Klage durch Urteil aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1505 veröffentlichten Gründen ab. Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 21.5.2014, V R 20/13).

Das FG geht im Ergebnis zu Recht von einer Entnahme der Verseilmaschine sowie der Büroeinrichtung aus dem Unternehmen des Klägers aus, bemisst diese Umsätze indes mit den ertragsteuerrechtlichen Buchwerten im Zeitpunkt der Entnahme unzutreffend. Die Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über den Vorgang entscheiden zu können. Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1b Satz 2 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Die unentgeltliche Überlassung der Verseilmaschine und der Büroeinrichtung an die F-KG führte zu einer Entnahme i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG, weil die Unternehmereigenschaft des Klägers zugleich endete.

Die Beendigung der Unternehmereigenschaft hat zur Folge, dass die dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände aus diesem Unternehmen für Zwecke entnommen werden, die außerhalb des Unternehmens liegen. Im Streitfall hatte der Kläger seine wirtschaftliche Ingenieurtätigkeit im Rahmen seines (Einzel-)Unternehmens mit Ablauf des 30.4.2001 beendet. Damit endete die Unternehmereigenschaft des Klägers zu diesem Zeitpunkt. Seine Tätigkeit beschränkte sich nach dem 30.4.2001 darauf, diese Gegenstände unentgeltlich der F-KG zu überlassen. Sie ist nicht geeignet, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu begründen oder fortzuführen.

Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird der Umsatz bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen. Das FG hat diesen Maßstab seinem Urteil zwar zu Grunde gelegt, gleichwohl die Möglichkeit des Ansatzes eines geringeren Marktwerts (insbesondere bei der Verseilmaschine) rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen. Zu Recht geht das FG bei der Bemessung der Entnahme der Verseilmaschine und der Büroeinrichtung vom (fiktiven) Einkaufspreis zum Zeitpunkt ihrer Entnahme aus (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, BFHE 239, 377, unter Rz 24). Richtigerweise versteht das FG das Tatbestandsmerkmal "Einkaufspreis" auch richtlinienkonform unter Berücksichtigung der zeitlichen Konkretisierung in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ("zum Zeitpunkt des Umsatzes"). Danach ist die Wertentwicklung des entnommenen Gegenstands im Zeitraum zwischen seiner Anschaffung und seiner Lieferung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen.

Der Einkaufspreis "zum Zeitpunkt des Umsatzes" ist aber nicht stets der Restwert im Sinne eines historischen Einkaufspreises (Herstellungs- oder Anschaffungskosten) abzüglich der Absetzung für Abnutzung bis zum Zeitpunkt der Entnahme. Ein solches Verständnis kann den EuGH-Urteilen Fischer und Brandenstein (Slg. 2001, I-4049, Rdnr. 80) und Marinov (UR 2013, 503, Rdnrn. 32 f.) nicht entnommen werden. Vielmehr ist auf den tatsächlichen Restwert der entnommenen Gegenstände abzustellen.


Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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