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Die Virtual Reality und das Damoklesschwert

25.02.2019  — Matthias Wermke.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Hätten Sie gewusst, dass bereits in den 1960er Jahren der Grundstein für die Virtual Reality gelegt wurde? Und was hat sie mit der griechischen Antike zu tun? In diesem Artikel wollen wir uns näher mit dem Ursprung dieser spannenden Technik befassen.

Damokles saß an der reich gedeckten Tafel seines Herrschers Dionysius I. (430-367 v. Chr.), dessen Günstling er war. Er war dort zum Essen eingeladen worden, nachdem er dem Tyrannen gestand, wie sehr er ihn um sein Leben mit dem Reichtum, dem Luxus und all den Annehmlichkeiten beneiden würde, die mit seinem Adelstitel einhergingen. Das konnte der Tyrann freilich nicht auf sich sitzen lassen und sann danach, seinem Höfling eine Lektion zu erteilen. Als Damokles also bei Tisch saß und die Köstlichkeiten betrachtete, bemerkte er, dass über seinem Kopf ein Schwert schwebte, das lediglich mit einem einzelnen Rosshaar an der Decke befestigt war. Er erschrak und verzichtete auf die Teilnahme an dem Festmahl, um dieser Bedrohung nicht weiter ausgesetzt zu sein müssen. Dionysus nahm diese Entscheidung nicht ohne Genugtuung auf und konnte sich sicher sein, dass Damokles nun verstanden hatte, dass Reichtum und Macht eine Gefahr für jeden bedeuten, der sie inne hat.

Sie mögen sich nun zurecht fragen, was in aller Welt diese Anekdote aus dem antiken Griechenland mit der Virtual Reality zu tun hat. Die Antwort auf diese Frage lässt sich mehr als 2000 Jahre später in den USA finden – genauer 1968 an der University of Utah in Salt Lake City. Es ist eine wegweisende Zeit für die amerikanische Wissenschaft. So arbeiten die Mitarbeiter der NASA unter Hochdruck an der ersten Mondlandung, die im Jahr darauf endlich glücken sollte. Im Schatten dieser Ereignisse tüftelt der damals 31-Jährge Ivan Sutherland an einer neuartigen Technik. Sutherland hatte zuvor schon mit einer Entwicklung namens „Sketchpad“ auf sich aufmerksam gemacht, die heute als eines der ersten Grafiktools am Computer gilt und wegweisend für weitere Technologien in diesem Bereich war.

In seinem neuen Projekt sucht er nach einem Weg, wie man vom Computer erstellte, visuelle Informationen im Sichtfeld einer Person für sie wahrnehmbar machen kann. Hierzu orientiert er sich an der Stereoskopie, einer Technik, die mithilfe eines Schaukastens oder brillenähnlichen Konstruktionen und zwei Bildern mit gleichem Motiv den Eindruck von Mehrdimensionalität in dem an sich zweidimensionalen Bild entstehen lassen können. Hier lässt sich bereits ein klarer Bezug zu der heutigen VR erkennen. Während die klassische Stereoskopie jedoch eher darauf ausgelegt war, Bilder „wirklich“ erscheinen zu lassen, war Sutherlands Absicht, diesen Prozess umzukehren: Die Wirklichkeit wird nicht in das Bild, sondern das Bild in die Wirklichkeit projiziert. Bei ihr schaut er sich die „Brille“ ab, durch die die programmierten Objekte für den/die Nutzer/-in der Umgebung sichtbar werden. Dieses von ihm entwickelte sogenannte „Head-Mounted-Display“, (wörtlich: am Kopf angebrachte Anzeige), markiert eine der grundlegendsten Techniken, an der sich noch heute bei der VR orientiert wird. Mit diesem Display und dem daran angeschlossenen Computer war es nun möglich, abhängig von der Bewegung des Kopfes und der Augen, Objekte, wie geometrische Formen, im Sichtfeld erscheinen zu lassen. Somit wurde eine Ebene der Interaktion geschaffen, die mit Fug und Recht als revolutionär bezeichnet werden darf.

Allerdings war dieses Head-Mounted-Display nicht annähernd so portabel und leicht zu handhaben, wie wir es von VR-Brillen aus der Gegenwart kennen. Man darf nicht vergessen: Sutherland entwickelt diese Technik zu einer Zeit, als noch mit Lochkartencomputern gearbeitet wurde und Festplatten mit 10 Megabyte Speichervolumen Kleinwagengröße hatten. Daher war die ganze Gerätschaft so schwer, dass sie unmöglich von einem Menschen allein gestemmt werden konnte und so an der Decke montiert werden musste. Das verschaffte ihr den uns wohl bekannten Namen: „The sword of Damocles“ – Das Damoklesschwert.

Quellen und Hintergründe:

Bild: ArtFamily (Adobe Stock, Adobe Stock Standardlizenz)

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