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Darlehen (Kommentar von Udo Cremer)

14.11.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Passivierung eines Darlehens mit steigenden Zinssätzen - Höhe eines zu passivierenden Erfüllungsrückstandes - Wirtschaftliche Betrachtungsweise

  1. Wegen der Verpflichtung, eine am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen (Darlehen mit steigenden Zinssätzen), ist in der Bilanz grundsätzlich eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung wegen eines wirtschaftlichen Erfüllungsrückstandes auszuweisen.
  2. Eine solche Zinsverbindlichkeit ist grundsätzlich abzuzinsen.
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Die Ende 2007 gegründete Klägerin, eine zum US-amerikanischen A-Konzern gehörende GmbH, erwarb im Februar des Streitjahres 2008 von der luxemburgischen A-S.A.R.L. 90 % der Anteile an der A-GmbH. Die Kaufpreisschuld der Klägerin in Höhe von XXX.XXX.XXX EUR wandelten die Vertragsparteien am 1.3.2008 in ein Darlehen mit einer Laufzeit bis zum 28.2.2017 um. Noch am selben Tag trat die A-S.A.R.L. als Darlehensgeberin ihren Darlehensrückzahlungsanspruch an eine weitere Konzerngesellschaft, die A-Inc. & Co. KG, ab. Hinsichtlich der Verzinsung enthielt der Darlehensvertrag folgende Bestimmungen: "Die Zinsen für den ausstehenden Kapitalbetrag des Darlehens fallen jährlich wie folgt an: 1. Jahr 1,8 %, 2. Jahr 1,3 %, 3. Jahr 1,5 %, 4. Jahr 4 %, 5. Jahr 5,5 %, 6. Jahr 7 %, 7. Jahr 8,8 %, 8. Jahr 10 %, 9. Jahr 10,9263 %. Sie ergeben eine Rückzahlungsrendite von 5,2 %. Die aufgelaufenen Zinsen sind jährlich am letzten Tag im Februar des jeweiligen Jahres zu zahlen, beginnend am 28. Februar 2009."

Zum Kündigungsrecht des Darlehensgebers heißt es im Vertrag auszugsweise wie folgt: "Falls es für den Darlehensgeber rechtswidrig wird, Verpflichtungen in diesem Darlehensvertrag aufrecht zu erhalten, dann kann der Darlehensgeber zu jeder Zeit durch eine schriftliche Kündigung seine vertraglichen Verpflichtungen beenden bzw. eine sofortige Rückzahlung der ausstehenden Restschulden des Darlehens plus aufgelaufener Zinsen einfordern." Kündigungsmöglichkeiten bestanden ferner für den Fall der Auflösung, der Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit sowie falls der Darlehensnehmer "seine Zinsen oder Restschuld gemäß diesem Darlehensvertrag innerhalb einer Frist von 20 Arbeitstagen ab dem Tag des Erhalts der Nachricht über den Verzug vom Darlehensgeber nicht zahlt. In Extremfällen wird dem Darlehensnehmer die Möglichkeit eingeräumt, den Gegenwert der Zinsen eines Jahres bis zur Fälligkeit des Darlehens zu stunden" oder "eine Person, eine Gruppe von Personen, die gemeinsam handeln, außer einem Unternehmen, das dem (A-Konzern) angehört, Kontrolle über den Darlehensnehmer erwirbt".

Die Klägerin bildete in ihrer Bilanz zum 31.12.2008 für die Zinsverpflichtung aus dem Darlehensvertrag eine Rückstellung in Höhe von XX.XXX.XXX EUR. Diesen Betrag errechnete sie wie folgt: Bei Zugrundelegung des auf die Gesamtlaufzeit des Darlehens bezogenen durchschnittlichen Zinssatzes von jährlich 5,2 % der Darlehenssumme ergibt sich ein jährlicher Zinsbetrag in Höhe von abgerundet XX.XXX.XXX EUR, von dem 10/12 auf die Zeit zwischen dem Vertragsbeginn am 1.3.2008 und dem Bilanzstichtag entfallen. Das FA berücksichtigte als Rückstellung lediglich einen Betrag in Höhe von XX.XXX.XXX EUR, das sind 10/12 des Betrages, der sich unter Zugrundelegung des für das erste Jahr der Darlehenslaufzeit festgelegten Zinssatzes von 1,8 % der Darlehenssumme ergibt. Dagegen wandte sich die Klägerin erfolglos mit Einspruch und Klage (Urteil des Finanzgerichts --FG-- Baden-Württemberg vom 28. Juli 2014 10 K 3184/13).

Die Revision ist begründet (BFH- Urteil vom 25.5.2016, I R 17/15). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Wegen der Verpflichtung, die am Bilanzstichtag bestehende Darlehensverbindlichkeit in späteren Jahren höher zu verzinsen, hat die Klägerin zu Recht (ausgehend von der Durchschnittsverzinsung) einen Passivposten in ihrer Bilanz angesetzt. Allerdings ist die Zinsverbindlichkeit abzuzinsen. Dazu sowie zur Frage der steuerlichen Anerkennung des Darlehensvertrages bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

Nach § 8 Abs. 1 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung hat die Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB.

Danach sind Verbindlichkeiten grundsätzlich zu passivieren und für ungewisse Verbindlichkeiten sind grundsätzlich Rückstellungen zu bilden. Hingegen besteht für (gewisse und ungewisse) Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften ein Passivierungsverbot. Dieses wiederum ist dann durchbrochen, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners "gestört" ist. Insbesondere im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen kommt es dann zu einer relevanten "Störung" der Ausgewogenheit, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte. Ausreichend für einen Erfüllungsrückstand ist eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung. Davon ausgehend setzt das Vorliegen eines Erfüllungsrückstandes jedoch voraus, dass mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten wird. Da die Erfüllung sich i.S. einer "Abgeltung" als zusätzliches, lediglich wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles noch nicht entrichtetes Entgelt für eine bereits früher erbrachte Vorleistung darstellen muss, ist eine Verknüpfung in dem Sinne zu fordern, dass die rückständige Gegenleistung der erbrachten Vorleistung synallagmatisch zweckgerichtet und bei zeitbezogenen Leistungen auch zeitlich zuordenbar ist. Die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen obliegt im jeweiligen Einzelfall dem FG als Tatsacheninstanz.

Besteht ein Erfüllungsrückstand und ist dessen Höhe sicher, dann ist dem durch Ausweis einer Verbindlichkeit Rechnung zu tragen. Ist die noch zu erfüllende Leistung der Höhe nach ungewiss, dann ist eine Rückstellung zu bilden. Ein Erfüllungsrückstand setzt (wie der Ausweis einer Verbindlichkeit im Allgemeinen) nicht die Fälligkeit der vertraglich noch geschuldeten Leistung zum Bilanzstichtag voraus. Nach diesen Maßstäben war die Klägerin am Bilanzstichtag in einem Erfüllungsrückstand. Die von FA und FG bereits konzedierte Bildung einer Rückstellung für den auf den Zeitraum zwischen Vertragsbeginn und Bilanzstichtag entfallenden Zinsaufwand (10/12 der Zinsschuld für das erste Vertragsjahr) beruht der Sache nach auf einem Erfüllungsrückstand, dessen Passivierung höchstrichterlich anerkannt ist. Zum Bilanzstichtag hatte der Darlehensgeber das Kapital bereits für zehn Monate der Klägerin zur Nutzung überlassen und ist insoweit in Vorleistung getreten, während sich diese mit ihrer Gegenleistung (Zinszahlung) im Rückstand befand. Dass die Zinsverbindlichkeit zivilrechtlich am 31.12.2008 noch nicht fällig war, spielt keine Rolle.

Fraglich ist damit im Streitfall allein, ob für die Höhe des zu passivierenden Erfüllungsrückstandes auf die zivilrechtliche Abrede, wonach im ersten Vertragsjahr lediglich ein Zins in Höhe von 1,8 % der Darlehenssumme zu leisten ist, oder in wirtschaftlicher Betrachtung auf die dem Vertrag als eine Art "Geschäftsgrundlage" zugrundeliegende Durchschnittsverzinsung und damit auf die ansteigenden - zivilrechtlich ebenfalls noch nicht fälligen - Zinsverbindlichkeiten der Folgejahre abzustellen ist. Letzteres ist der Fall.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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