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Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt: Tilgung aus Bilanzgewinn und Liquidationsüberschuss (Kommentar von Udo Cremer)

20.07.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Anhand eines Beispiels erläutert Experte Udo Cremer die Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt.

Die Klägerin, eine GmbH, deren Wirtschaftsjahr jeweils zum 30. Juni endete, erhielt von ihrer Muttergesellschaft, der E-GmbH, im Zuge einer Konzernumstrukturierung Darlehen in Höhe von 7 Mio. € sowie 2,6 Mio. US-Dollar (USD). Für beide Darlehen vereinbarten die Vertragsbeteiligten jeweils in gesonderten Urkunden am 7.10.2004 zur Abwendung der Überschuldung im Sinne der InsO einen Rangrücktritt folgenden Inhalts: "Die (E-GmbH) tritt als alleinige Gesellschafterin mit ihrem Anspruch auf Tilgung und Verzinsung des der (Klägerin) gewährten Darlehens im Betrag von (7 Mio. €/2,6 Mio. USD) dergestalt im Rang hinter die Forderung sämtlicher anderer Gläubiger, einschließlich aller in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 InsO genannten Gläubiger zurück, dass sie Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann. Für den Fall der Insolvenz tritt die (E-GmbH) auf den Rang des § 199 Satz 2 InsO zurück." In dem auf den 30.6.2005 (Streitjahr) erstellten Jahresabschluss sind auf der Aktivseite neben Erinnerungswerten für Finanzanlagen (insgesamt in Höhe von 3 €) und Forderungen gegen verbundene Unternehmen (154.574,49 €) ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Jahresfehlbetrag in Höhe von 9.291.521 € sowie unter den Passiva u.a. ein Verlustvortrag (8.133.748,47 €), eine Kapitalrücklage in Höhe von 644.227,77 € und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern in Höhe von insgesamt 9.431.852,33 € ausgewiesen; hiervon entfielen 9.189.658 € auf die der Klägerin von der E-GmbH gewährten Kredite.

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Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrag das FA die Ansicht, dass § 5 Abs. 2a EStG 2002 der Passivierung der gegenüber der E-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz der Klägerin entgegenstehe. Dementsprechend hat das FA mit den geänderten Bescheiden vom 2.11.2011 und vom 31.10.2011 den Gewerbesteuermessbetrag sowie die Körperschaftsteuer festgesetzt und die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags für Zwecke der Festsetzung der Körperschaftsteuer abgelehnt. Der nach erfolgslosem Einspruch erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12. Juni 2014 6 K 324/12, EFG 2014, 1601).

Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 15.4.2015, I R 44/14). Entgegen der Ansicht des FG war die Klägerin nicht berechtigt, in ihrer auf den 30.6.2005 aufzustellenden Steuerbilanz die gegenüber der E-GmbH bestehenden Darlehensschulden zu passivieren. Allerdings kann der Senat aufgrund der Feststellungen der Vorinstanz nicht beurteilen, in welcher Höhe die hierdurch bedingte Erhöhung des Bilanzgewinns durch den Ansatz einer Einlage ausgeglichen wird. Das Urteil der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Nach § 247 Abs. 1 HGB sind in der Handelsbilanz Schulden dann zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Dies gilt nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 auch für Zwecke der Steuerbilanz und damit insbesondere auch für die Körperschaft- und Gewerbesteuer (§ 8 Abs. 1 KStG 2002 und § 7 Satz 1 GewStG 2002). Im Hinblick auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Belastung ging der BFH davon aus, dass Verpflichtungen, deren Erfüllung an den Gesamtgewinn des Unternehmens anknüpfen, noch keine wirtschaftliche Last darstellen, weil sie nicht aus dem zum Stichtag vorhandenen Vermögen bedient werden müssen; Schulden dieser Art sind deshalb in der Handelsbilanz nicht zu passivieren (Wahlrecht) mit der weiteren Folge, dass sie einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot unterliegen. Betraf die Rückzahlungsverpflichtung hingegen nur einen Ausschnitt der gewerblichen Tätigkeit, war sie unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz auszuweisen.

In diese Regelungszusammenhänge hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) - in Übereinstimmung mit der bereits zuvor von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF Schreiben vom 17. Februar 1998, BStBl I 1998, 368, m.w.N.) - durch die Sonderregelung des § 5 Abs. 2a EStG 1997 in der Weise eingegriffen, dass für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Unter Berücksichtigung dieser geänderten Regelungszusammenhänge ist das steuerrechtliche Passivierungsverbot (§ 5 Abs. 2a EStG 2002) einerseits nicht mehr daran gebunden, dass die Verbindlichkeiten nur im Falle eines Gesamtgewinns zu erfüllen sind. Andererseits ist es dabei geblieben, dass allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu führt, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen, da ohne eine (rechtliche) Beschränkung des Rückzahlungsanspruchs auf künftige Einnahmen oder Gewinne (d.h. auf künftige Vermögenswerte) der zutreffende Ausweis des schuldnerischen Vermögens die Passivierung der Schulden erfordert. Demgemäß ist auch in Fällen eines Rangrückritts die Verpflichtung, Kredite aus dem sog. freien Vermögen zu tilgen, weder handelsrechtlich noch nach den Merkmalen des § 5 Abs. 2a EStG 2002 geeignet, ein Passivierungsverbot zu begründen.

Hieran anknüpfend hat der Senat für einen in dem Sinne "qualifizierten" (genauer: spezifizierten) Rangrücktritt, nach dem "die Gläubigerin die Befriedigung ihrer Gesamtforderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder ggf. aus einem Liquidationsüberschuss verlangen (konnte)", entschieden, dass eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist auch im Streitfall eine Passvierung der gegenüber der E-GmbH bestehenden Zahlungsverpflichtungen ausgeschlossen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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