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BGH: Drohung mit Widerrufsrecht erlaubt

11.04.2016  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Bei Versandbestellungen hat der Verbraucher bekanntlich ein Widerrufsrecht. Darf er mit der Ausübung drohen, wenn er einen günstigeren Preis haben möchte? Der Bundesgerichtshof hat jetzt dazu ein mit Spannung erwartetes Urteil gefällt. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – Köln zu den Einzelheiten.

Ein Verbraucher hatte bei einem Händler im Internet zwei Matratzen bestellt und geliefert erhalten. Der Kunde zahlte auch, doch dann fiel ihm ein günstigeres Angebot auf. Er wandte sich an den Händler und verlangte die Zahlung des Differenzbetrages von 32,98 Euro. Schließlich habe der Händler eine Tiefpreisgarantie gegeben und die sei nicht eingehalten. Bei Zahlung wollte er von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen. Der Händler meinte, die von ihm abgegebenen Garantiebedingungen seien von dem günstigeren Angebot nicht erfüllt. Es ging offenbar hin und her und als man sich nicht einigen konnte, widerrief der Verbraucher seine Bestellung noch innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen und verlangte den kompletten Kaufpreis zurück. Den verweigerte der Händler jedoch und berief sich auf Rechtsmissbrauch. Der Widerruf sei nur erfolgt, um eine eigentlich nicht berechtigte Forderung aus der Tiefpreisgarantie durchzusetzen. Das gesetzliche Widerrufsrecht beim Fernabsatz sei aber nur dazu da, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne.

Begründung nicht erforderlich

Der Kunde klagte daraufhin vor dem AG Rottweil und bekam Recht. Der Händler wollte dies nicht wahrhaben und ging in Berufung vor dem LG Rottweil. Doch auch dort wurde er zur Zahlung des Kaufpreises verurteilt. Die Sache landete in der Revision bei dem für das Kaufrecht zuständige VIII. Senat des Bundesgerichtshofs. Der entschied jetzt verbindlich mit Urteil vom 16.03.2016 (Az. VIII ZR 146/15), der Widerruf sei wirksam erfolgt. Er war fristgerecht ausgeübt worden. Da das Gesetz auch ausdrücklich festhält, dass der Verbraucher keine Begründung liefern muss, kommt es nicht darauf an, ob eine dennoch gelieferte Begründung korrekt ist. Nach Ansicht der Richter geht es bei dem Widerrufsrecht allein um ein einfach zu handhabendes Recht, den Kauf im Versandhandel rückgängig machen zu können.

Rechtsmissbrauch in seltenen Ausnahmefällen

Aus dem Urteil lässt sich entnehmen, das ein Rechtsmissbrauch beim Widerrufsrecht möglich bleibt. Dies soll aber nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall sein können, etwa bei einem arglistigem Verhalten des Verbrauchers. Lässt sich etwa nachweisen, dass der Verbraucher eine Schädigung oder Schikane beabsichtigt, kann sich der Händler eventuell wehren. Da im aktuellen Fall der Verbraucher aber nur Preise verglichen hatte und letztlich den günstigeren Preis wollte, war das nicht der Fall. Die Richter meinten, die Ausnutzung einer Wettbewerbssituation sei dem Verbraucher nicht vorwerfbar.

Praxistipp

Der Einwand des Rechtsmissbrauchs greift in den seltensten Fällen. Ein Händler tut gut daran zu akzeptieren, dass im Versandhandel das Widerrufsrecht zum Geschäftsmodell gehört. Man darf nicht vergessen, dass gerade dieses Recht dem Kunden oft erst das Vertrauen gibt, einen Gegenstand zu erwerben, den er sich nicht anschauen kann. Da der Kunde ohne Begründung sein Recht ausüben darf, hat er sozusagen immer Recht, egal, welche Begründung er für die Ausübung seines Rechts anführt. Hochretournierer dürfen von künftigen Geschäften ausgeschlossen werden. „Leider konnten wir Sie mit unserem Angebot in der Vergangenheit nicht zufrieden stellen. Da Retouren hohe Kosten verursachen, die wir unseren Kunden letztlich berechnen müssen, haben Sie bitte Verständnis, dass wir künftig keine Bestellungen mehr von Ihnen annehmen können.“ So oder ähnlich kann ein Händler durchaus handeln, wenn er auf Kunden trifft, die überdurchschnittlich häufig retournieren. Es gilt Vertragsfreiheit.




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