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BFH: Rückgängigmachung von Erwerbsvorgängen

12.11.2019  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.

Ist nach § 17 Abs. 2, 3 GrEStG eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, ist der Erwerbsvorgang gegenüber dem dafür zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 08.07.2011 erwarb der Kläger 71 % der Anteile an einer grundbesitzenden GmbH von insgesamt vier Anteilseignern. Einen Anteil in Höhe von 9 % erwarb der Kläger von K. Der Kläger selbst war zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs bereits zu 29 % an der GmbH beteiligt. Der beurkundende Notar übersandte jeweils eine Abschrift des beurkundeten Vertrages am 18.07.2011 einem im Bundesland X gelegenen Finanzamt (FA-A) – Grunderwerbsteuerstelle – für die in dessen Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH und einem im Bundesland Y gelegenen Finanzamt (FA-B) – Grunderwerbsteuerstelle – für die in dessen Bezirk belegenen Grundstücke der GmbH.

Das FA-A wandte sich mit Schreiben vom 21.09.2011 an das FA und bat um eine gesonderte Feststellung nach § 17 GrEStG für den in der Mitteilung vom 18.07.2011 bezeichneten Grundbesitz. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Erkenntnis, dass durch den Erwerb der Anteile mit Vertrag vom 08.07.2011 der Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt und es für die Erstellung des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG zuständig sei. Am 04.02.2013 wurde die GmbH nach Verlegung ihres Sitzes im Handelsregister des Amtsgerichts, das zum Zuständigkeitsbereich des FA-B gehört, eingetragen. Davon hatte das FA ausweislich der Grunderwerbsteuerakten durch eine elektronische Abfrage am 11.03.2013 erfahren. Mit Bescheid vom 15.03.2013 stellte das FA für den Erwerb der Grundstücke aufgrund der Anteilsvereinigung vom 08.07.2011 die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 17 GrEStG gesondert fest. Gegen den Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27.11.2012 habe ein Rückerwerb der 9 %-Anteile an der Gesellschaft durch K stattgefunden. Während des Einspruchsverfahrens wurde der Bescheid vom 15.03.2013 im Hinblick auf eine zunächst unrichtige Urkunden-Nr. mit Bescheid vom 07.06.2013 geändert.

Am 08.01.2014 erteilte das Finanzamt, das im Bundesland Y für die Grunderwerbsteuer zentral zuständig ist, dem FA die Zustimmung, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid weiter fortführen zu können. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.02.2014 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das FA vertrat die Auffassung, dass § 16 Abs. 2 GrEStG nach § 16 Abs. 5 GrEStG nicht anzuwenden sei, da keine ordnungsgemäße Anzeige des Anteilserwerbs nach § 18 bzw. 19 GrEStG erfolgt sei. Durch die Anzeigen bei den anderen Finanzämtern, in deren Bezirk sich die Grundstücke der Gesellschaft befunden hätten, habe der Notar der Anzeigepflicht nicht genügt. Eine Weiterleitungspflicht für die nicht zuständigen Finanzämter innerhalb der Anzeigefrist habe nicht bestanden.

Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des FG hat das FA die Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG im Hinblick auf § 16 Abs. 5 GrEStG zu Unrecht ausgeschlossen. Zwar sei das FA im Zeitpunkt der gebotenen Anzeige sachlich und örtlich für das im vorliegenden Fall vor der Festsetzung der Steuer vorgeschriebene Feststellungsverfahren zuständig gewesen, so dass die Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des FA hätte gerichtet werden müssen. Die bei den Grunderwerbsteuerstellen der Belegenheitsfinanzämter innerhalb der Anzeigefrist abgegebenen Anzeigen seien jedoch fristwahrend, da diese aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls dem von § 16 Abs. 5 GrEStG verfolgten Normzweck genügten. Die Entscheidung ist in EFG 2016, 1903 veröffentlicht.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (BFH Urteil vom 22.5.2019, II R 24/16). Das FG hat zu Unrecht angenommen, § 16 Abs. 5 GrEStG stünde im Streitfall der Aufhebung des Feststellungsbescheids nicht entgegen.

Der Erwerb der Anteile der anderen Gesellschafter durch notariell beurkundeten Vertrag vom 08.07.2011 erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind im Streitfall erfüllt. Durch Vertrag vom 08.07.2011 hat der Kläger die restlichen, von ihm bis dahin noch nicht gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden GmbH erworben. Ab diesem Zeitpunkt war er Alleingesellschafter. Die Besteuerungsgrundlagen waren nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellen, weil die GmbH über Grundbesitz verfügt, der außerhalb des Zuständigkeitsbereiches ihres Sitzfinanzamts belegen ist. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG liegen dem Grunde nach vor. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus. Es genügt dabei, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird. Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang wurde im Streitfall rückgängig gemacht. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27.11.2012 hat der frühere Gesellschafter K seinen Anteil an der GmbH in Höhe von 9 % zurückerworben. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger nicht mehr mit mindestens 95 % an der grundbesitzenden GmbH beteiligt. Entgegen der Auffassung des FG steht der Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG).

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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