Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Bewertungsrechtliches Schachtelprivileg für Beteiligung an einer französischen SICAV (Kommentar von Udo Cremer)

30.06.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer nimmt das bewertungsrechtliche Schachtelprivileg einer Investmentgesellschaft unter die Lupe.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb, die Veräußerung sowie die Verwaltung von Beteiligungen an Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ist. Die Klägerin war in den Jahren 1991 und 1992 an der französischen Investmentgesellschaft S, einer sociéte d´investissement à capital variable (SICAV), mit mehr als 10 % beteiligt. Nach einer Außenprüfung stellte das seinerzeit zuständige Finanzamt mit geändertem Bescheid vom 7.7.2005 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1.1.1992 im Wege der Wertfortschreibung fest.

Der Wert der Beteiligung an der S war mit 25.172.617 DM berücksichtigt. Der Einspruch, mit dem die Klägerin das bewertungsrechtliche Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und der Französischen Republik (Frankreich) zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 geltend machte, blieb erfolglos. Die auf Herabsetzung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1.1.1992 um 25.172.617 DM gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG führte zur Begründung aus, für die Anteile der Klägerin an der S seien die Voraussetzungen des bewertungsrechtlichen Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Frankreich 1959/1989 erfüllt. Die S sei eine in Frankreich zwar steuerbefreite, dort jedoch abstrakt steuerpflichtige und i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/ 1989 ansässige und abkommensberechtigte Kapitalgesellschaft. Das Urteil des FG ist in EFG 2011, 1828 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der nunmehr zuständige FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Revision ist begründet (BFH-Urteil vom 20.1.2015, II R 42/12). Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht für die Beurteilung aus, ob die S die für die Gewährung des bewertungsrechtlichen Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Frankreich 1959/1989 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. BewG in der hier maßgeblichen Fassung werden für inländische Gewerbebetriebe (§ 95 BewG) Einheitswerte festgestellt. In dem Feststellungsbescheid (§ 179 AO) ist auch über die Frage der Gewährung der Vergünstigung für Schachtelgesellschaften zu entscheiden. Der Einheitswertbescheid ist nach § 182 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO für den Vermögensteuerbescheid bindend. Bei der Festsetzung der Vermögensteuer kann daher nicht mehr über Umfang und Wert des anzusetzenden Betriebsvermögens entschieden werden. Wirtschaftsgüter, die nach dem Vermögensteuergesetz oder anderen Gesetzen von der Vermögensteuer befreit sind, gehören gemäß § 101 Nr. 1 BewG nicht zum Betriebsvermögen. Im Streitfall kommt eine Steuerbefreiung nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Frankreich 1959/1989 in Betracht.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die in Frankreich gelegenen Vermögensteile ausgenommen, die nach diesem Abkommen in Frankreich besteuert werden können. Diese Regelung ist bei Dividenden gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 nur auf die Nettoeinkünfte anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören. Diese Bestimmung gilt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Frankreich 1959/1989 auch für Beteiligungen, deren Dividenden unter den Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 fallen würden. Bei dem bewertungsrechtlichen Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Frankreich 1959/1989 handelt es sich unbeschadet des Verweises auf Buchst. a dieser Vorschrift nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung, die ihre tatbestandlichen Voraussetzungen eigenständig anordnet.

Ob eine SICAV eine in Frankreich ansässige Person ist, ist nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 zu beurteilen. Danach ist "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine solche, die nach dem Rechte dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Das DBA-Frankreich 1959/ 1989 enthält allerdings keine Bestimmung darüber, wie der Begriff der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist. Insoweit ist daher gemäß Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich 1959/1989 auf das jeweilige innerstaatliche Recht zurückzugreifen. Für die Qualifizierung einer ausländischen Person (hier einer SICAV) als Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Frankreich 1959/1989 ist im Wege eines sog. Typenvergleichs entscheidend darauf abzustellen, ob sie nach deutschem Recht als Kapitalgesellschaft anzusehen ist. Die weitere Frage, ob diese Gesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt verstanden wird und damit grundsätzlich eine Steuerpflicht in Frankreich begründet, ist nach französischer Steuerrechtslage zu beantworten.

Die für die Gewährung des bewertungsrechtlichen Schachtelprivilegs erforderliche Ansässigkeit einer SICAV in Frankreich i.S. des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil (wie vom FG angenommen) eine SICAV eine in Frankreich zwar steuerbefreite, jedoch "abstrakt" (unbeschränkt) steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist. Vielmehr setzt die Gewährung des bewertungsrechtlichen Schachtelprivilegs voraus, dass es sich bei einer SICAV nach deutschem Recht um eine Kapitalgesellschaft handelt, die in Frankreich nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 aufgrund ansässigkeitsbegründender Merkmale prinzipiell steuerpflichtig ist. Auch das bewertungsrechtliche Schachtelprivileg kann demnach nur unter den Voraussetzungen gewährt werden, unter denen nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH (Urteil in BFHE 237, 356, BStBl II 2014, 240) die Voraussetzungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich 1959/1989 für Ausschüttungen einer SICAV an eine deutsche Kapitalgesellschaft erfüllt sind. Die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgehende Vorentscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob eine SICAV nach französischer Regelungslage als eigenständiges Steuersubjekt oder aber als steuerlich transparent angesehen wird und ob sie nach diesen Besteuerungsmaßgaben aus deutscher Sicht als Kapitalgesellschaft qualifiziert werden kann. Die Feststellung der einschlägigen ausländischen Rechtsnormen sowie die Ermittlung der für den Rechtsformtypenvergleich notwendigen gesellschaftlichen Merkmale gehört zu den vom FG zu klärenden tatsächlichen Rechtsgrundlagen.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

Die aktuellen Seminartermine von Udo Cremer finden Sie hier »




nach oben