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Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs - Schätzung des Bruttolistenpreises bei einem Importfahrzeugs (Kommentar von Udo Cremer)

27.03.2018  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Udo Cremer über die Schätzung des inländischen Bruttolistenpreises bei privater Nutzung eines betrieblichen Importfahrzeugs und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, eine spezialgesetzliche Regel für die Bewertung einer Nutzungsentnahme.

  1. Ist die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nach der 1 %-Regelung zu bewerten, ist der inländische Bruttolistenpreis zu schätzen, wenn das Fahrzeug ein Importfahrzeug ist und weder ein inländischer Bruttolistenpreis vorhanden ist noch eine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug besteht.
  2. Der inländische Bruttolistenpreis ist jedenfalls dann nicht zu hoch geschätzt, wenn die Schätzung sich an den typischen Bruttoabgabepreisen orientiert, die Importfahrzeughändler, welche das betreffende Fahrzeug selbst importieren, von ihren Endkunden verlangen.

Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Betriebsvermögen des Klägers befand sich ein Kraftfahrzeug der Marke Ford Mustang Shelby GT 500 Coupé. Der Kläger erwarb das Fahrzeug mit Vertrag vom 12.7.2013 zu einem Bruttopreis von 78.900 € von der Autohaus GmbH. Das Fahrzeug war am 2.7.2013 erstmals zugelassen worden. Es verfügt über folgende Sonderausstattungen: SVT Performance Package, SVT Track Pack, Electronics Package, Recaro Leder Sportsitze, Europa Navigation in Deutsch, Shaker Pro Audio-System.

Die Autohaus GmbH hatte ihrerseits das Fahrzeug mit Rechnung vom 29.6.2013 zum Bruttopreis von 75.999 € von dem Importeur erworben. Das Fahrzeug war zulassungsfertig und mit 24 Monaten Garantie, von USA auf Europa umgestelltem Navigationssystem sowie Hohlraum- und Unterbodenschutz ausgestattet. Die private Nutzung des Fahrzeugs ermittelte der Kläger mittels der 1 %-Regelung. Als Bemessungsgrundlage zog er mangels inländischen Listenpreises den amerikanischen Listenpreis in Höhe von umgerechnet 53.977 € (Tageswechselkurs vom 30.6.2013) heran. Hieraus ergab sich ein Bruttoentnahmewert von 3.725,57 € sowie eine außerbilanzielle Hinzurechnung für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte in Höhe von 420,12 €.

Im Rahmen einer für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass als Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Anschaffungskosten des Fahrzeugs in Höhe von 78.900 € heranzuziehen seien. Hieraus ergab sich ein Entnahmewert in Höhe von 5.453,57 €. Dem folgte das FA mit Bescheid vom 6.5.2015. Im Einspruchsverfahren wurde die Festsetzung mit Bescheid vom 5.8.2015 aus anderen Gründen geändert. Im Übrigen wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.9.2015 als unbegründet zurück.

Die Klage hatte teilweise Erfolg (EFG 2017, 122). Das FG änderte die Festsetzung dahingehend, dass die Einkommensteuer unter Ansatz eines geschätzten inländischen Bruttolistenpreises des Fahrzeugs in Höhe von 75.999 € zu berechnen sei. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH Urteil vom 9.11.2017, III R 20/16). Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei der nach der 1 %-Regelung bewerteten Nutzungsentnahme als Bruttolistenpreis kein geringerer Wert als 75.999 € anzusetzen ist.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Die Vorschrift bezweckt die vereinfachte Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge und enthält deshalb mit der darin statuierten 1 %-Methode eine grundsätzlich zwingende, grob typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stellt eine spezialgesetzliche Regel für die Bewertung einer Nutzungsentnahme dar, die mit der privaten Nutzung eines zu mehr als 50 % betrieblich genutzten Kraftfahrzeugs einhergeht.

Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgt die Bewertung von Nutzungsentnahmen nicht nach der allgemeinen Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Vielmehr hat der BFH aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 6 Abs. 1 EStG und aus der Teilwertdefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gefolgert, dass diese Vorschrift nur für bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter gilt. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG regelt daher lediglich die Bewertung der Sachentnahmen und trifft für die Bewertung der Nutzungsentnahmen keine Aussage. Die insoweit für die Bewertung von Nutzungsentnahmen bestehende Gesetzeslücke hat der BFH in der Weise geschlossen, dass der durch diese verursachte Aufwand und damit die tatsächlichen Selbstkosten als entnommen angesetzt werden. Entsprechend ist auch bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs die Nutzungsentnahme nur dann nach allgemeinen Regeln mit dem darauf entfallenden Aufwand zu bewerten, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht vorliegen. Dies kann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige von dem in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch macht und die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist oder die betriebliche Nutzung des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 50 % beträgt. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stellt zur Bewertung der privaten Nutzungsentnahme nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kraftfahrzeugs, sondern auf den Listenpreis ab.

Der Ansatz des Listenpreises statt der Anschaffungskosten entspricht dem Erfordernis, die Entnahme des Steuerpflichtigen für die private Lebensführung nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem Steuerpflichtigen zukommt. Die Anwendung der 1 %-Regelung bezweckt, den beim Steuerpflichtigen entstandenen Vorteil der Nutzung eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil umfasst mithin nicht nur das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst, sondern auch die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur– und Wartungskosten sowie insbesondere der Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im Bruttolistenneupreis noch in den tatsächlichen Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar abbilden.

Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenneupreises bezweckt also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der Bruttolistenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs selbst. Denn der tatsächliche geldwerte Vorteil entspricht dem Betrag, der vom Steuerpflichtigen für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs erspart. Grundlage dieser Bewertung des Nutzungsvorteils sind statistische Erhebungen, in welche die durchschnittlichen Gesamtkosten aller auch privat genutzten betrieblichen Fahrzeuge eingegangen sind.

Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung ist die an diesem Stichtag maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt. Auch die Aufpreise für werkseitig zusätzlich eingebaute Ausstattungen sind mit den Werten anzusetzen, die sich aus der Preisliste des Herstellers ergeben. Sie erhöhen den Listenpreis des Fahrzeugs entsprechend. Mit der Anknüpfung an die Preisempfehlung des Automobilherstellers hat der Gesetzgeber eine stark vereinfachende, typisierende und damit für alle gleichen Fahrzeuge einheitliche Grundlage für die Bewertung der Nutzungsvorteile geschaffen. Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes. Dementsprechend erhöht etwa der nachträgliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die im Streitfall vom FG durchgeführte Schätzung des Bruttolistenpreises revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuer­beraterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxis­orientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblatt­sammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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