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Betriebsausgabenabzug trotz nicht erbrachter Eingangsleistung - fehlerhafte Postzustellungsurkunde (Kommentar von Udo Cremer)

29.04.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Warum der Betriebsausgabenabzug nicht von einer fehlenden Eingangsleistung abhängig gemacht werden darf, erklärt Experte Udo Cremer anhand eines Beispiels.

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Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum einen als Finanzberater, zum anderen als Unternehmensberater. Gegenstand der Unternehmensberatung war vor allem die Unterstützung von Kleinunternehmen bei der Inanspruchnahme staatlicher Förderungen. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Nach dem Vorbringen des Klägers traten in den Streitjahren 2003 und 2004 Kunden an ihn heran, die förderfähige EDV-Schulungen in Anspruch nehmen wollten. Die Kunden nannten ihm bereits die Dienstleister, die die Schulungen ausführen sollten. Zu den Aufgaben des Klägers gehörten die Antragstellung bei einer öffentlich-rechtlichen Förderbank (F), über die das Bundesland die Zuschüsse gewährte, sowie die zur Erlangung der Subventionen erforderliche Dokumentation der Schulungen. Die Schulungsdienstleister wurden allerdings nicht unmittelbar von den Kunden des Klägers beauftragt. Vielmehr erteilten die Kunden die Schulungsaufträge an den Kläger; dieser beauftragte im eigenen Namen entsprechende Dienstleister. Nach den Feststellungen in einem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 30.9.2011 waren die Kunden des Klägers von dem Bestreben geleitet, gemeinsam mit unbekannt gebliebenen "Hintermännern" durch wahrheitswidrige Angaben Fördergelder für Schulungsmaßnahmen zu erlangen. Die Kunden reichten die vom Kläger vorbereiteten Stundennachweise und dessen Rechnungen bei F ein, obwohl die abgerechneten Leistungen tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht worden und die Fördervoraussetzungen daher nicht erfüllt waren. Der Kläger zeichnete die Stundennachweise ab, erstellte Schulungsberichte und erteilte den angeblichen Schulungsteilnehmern Teilnahmezertifikate, obwohl er die Schulungen weder selbst vorgenommen noch sich vergewissert hatte, dass die Schulungen in dem beantragten Umfang stattgefunden hatten. Die Kunden des Klägers bezahlten dessen Rechnungen und erhielten von F einen Zuschuss in Höhe von 90 % des Nettorechnungsbetrags. Der Kläger bezahlte seinerseits die von seinen Subunternehmern eingereichten Rechnungen für die angeblichen Schulungs-Dienstleistungen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Kläger wegen leichtfertigen Subventionsbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt.

Das FA versagte im Anschluss an eine Außenprüfung den Betriebsausgabenabzug aus den Rechnungen dreier Subunternehmer des Klägers (2003: insgesamt 168.812 EUR netto; 2004: insgesamt 53.360 EUR netto) mit der Begründung, diese Subunternehmen (zwei GmbH und ein Einzelunternehmen) hätten nicht existiert bzw. keinen Geschäftsbetrieb unterhalten. Aus diesen Gründen wies das FA auch den Einspruch des Klägers zurück. Im Einspruchs- und Klageverfahren machte der Kläger Angaben zum Geschäftsbetrieb seiner Subunternehmer und benannte die hinter den GmbHs stehenden Personen. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, der Betriebsausgabenabzug sei zu versagen, weil die abgerechneten Leistungen ganz oder teilweise nicht erbracht worden seien. Auch wenn nach den vorliegenden Zeugenaussagen ein Teil der Schulungen durchgeführt worden sein möge, sei eine Berücksichtigung abziehbarer Betriebsausgaben im Schätzungswege nicht möglich, weil nicht feststellbar sei, inwieweit tatsächlich Leistungen erbracht worden seien. Danach könne offen bleiben, ob es sich bei den Subunternehmern um Scheinunternehmer gehandelt habe.

Der erkennende Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung mit Beschluss vom 21.1.2014 zugelassen, der am 3.2.2014 ausgefertigt und an die Beteiligten abgesandt wurde. In der Zustellungsurkunde über die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten (P) des Klägers ist der 3.2.2014 als Tag der Zustellung angegeben. Die Revisionsbegründung ging am 4.3.2014 beim BFH ein. Nach einem Hinweis des BFH auf die Fristenproblematik hat P den Briefumschlag vorgelegt, auf dem der Zusteller den 5.2.2014 als Tag der Zustellung vermerkt hat.

Die Revision ist zulässig (BFH-Urteil vom 17.11.2015, X R 3/14). Insbesondere ist die einmonatige Revisionsbegründungsfrist eingehalten. Zwar hat der Postzusteller beurkundet, der Beschluss über die Zulassung der Revision sei P am 3.2.2014 zugestellt worden. Diese (private) Zustellungsurkunde begründet gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO wie eine öffentliche Urkunde den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Allerdings ist der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). An diesen Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Beweiswirkung muss vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass die Angaben der Zustellungsurkunde richtig sein können. Dies ist hier der Fall. Es ist denklogisch ausgeschlossen, dass ein am 3.2.2014 vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des BFH ausgefertigter und am frühen Nachmittag des 3.2.2014 von der Kanzlei des BFH per Briefpost abgesandter Zulassungsbeschluss dem P an dessen über 600 km entferntem Kanzleisitz noch am selben Tage zugestellt worden sein kann. Die Überzeugung des Senats von der Unrichtigkeit der Beurkundung des Zustellungsdatums wird noch dadurch bestärkt, dass der Zusteller selbst auf dem Briefumschlag den 5.2.2014 als Tag der Zustellung vermerkt hat.

Die Revision ist auch begründet. Unter den im Streitfall gegebenen Umständen durfte das FG den Betriebsausgabenabzug nicht davon abhängig machen, ob den vom Kläger an die Schulungsunternehmer geleisteten Zahlungen objektiv äquivalente tatsächlich erbrachte Gegenleistungen gegenüberstehen. Gemäß § 4 Abs. 4 EStG (hier i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Nach dem Regelungsziel des EStG seien Aufwendungen dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich für das Bestehen eines solchen Zusammenhangs sei zum einen die wertende Betrachtung des die Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Ergebe diese Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, seien sie als Betriebsausgaben anzuerkennen und - vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung - abziehbar. In der Literatur wird dazu unter Verweis auf den Wortlaut des § 4 Abs. 4 EStG ("veranlasst", nicht aber "verursacht") zutreffend ausgeführt, der Begriff der Veranlassung sei weiter als derjenige der Verursachung. Käme es auf die Verursachung an, wäre eine naturgesetzliche Notwendigkeit der betrieblichen Tätigkeit für die Aufwendungen erforderlich. Demgegenüber stelle die Veranlassung auf ein menschliches Verhalten ab; dieser Begriff beinhalte zunächst ein subjektives Element. Damit müsse der Betrieb aus der Sicht des Steuerpflichtigen auslösendes Moment für die Aufwendungen sein. Der objektive Zusammenhang mit dem Betrieb trete als Korrektiv hinzu; danach müsse der Betrieb auch aus objektiver Sicht zumindest unter anderem ausschlaggebend für die Aufwendungen sei

Ein Verschulden des Steuerpflichtigen - auch in Gestalt eines strafbaren, ordnungswidrigen oder "unmoralischen" Verhaltens - steht der betrieblichen Veranlassung von Aufwendungen wegen der Wertneutralität der Besteuerung und des Leistungsfähigkeitsprinzips grundsätzlich nicht entgegen. Danach setzt der Betriebsausgabenabzug nicht ausnahmslos voraus, dass den entsprechenden Aufwendungen ein nachgewiesener Leistungserfolg gegenüber steht. Vielmehr kann die steuerliche Abzugsfähigkeit auch darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige Zahlungen in der Annahme leistet, sie würden den beabsichtigten bzw. vertraglich ausbedungenen Erfolg herbeiführen. Als Korrektiv ist zusätzlich nur zu prüfen, ob die Aufwendungen auch bei einer abstrakt-objektiven Betrachtungsweise zur Förderung des Betriebs geeignet sind. Auf diesen Grundsätzen beruht auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach auch ein Aufwand, der bei einer objektiv-rückblickenden Betrachtung ohne Gegenleistung geblieben ist, betrieblich veranlasst sein kann. So schließt die Vergeblichkeit von Aufwendungen den Betriebsausgabenabzug nicht aus. Auch Aufwendungen, die wegen der Insolvenz oder der Leistungsunwilligkeit des Vertragspartners letztlich objektiv ohne Gegenleistung bleiben, sind als Betriebsausgaben abziehbar.

Im Streitfall ist nach den vom FA nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Strafgerichts und des FG revisionsrechtlich davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich nicht erkannt hatte, dass den an ihn gestellten Rechnungen (teilweise) keine Leistungen zugrunde lagen, auch wenn die fehlende Kenntnis des Klägers auf einer leichtfertigen Verletzung seiner Prüfungspflichten beruhte. Er ist daher zwar einerseits Täter eines Fahrlässigkeitsdelikts, andererseits aber auch selbst Opfer einer Vorsatztat Dritter. In einem solchen Fall handelt ein Steuerpflichtiger beim Tätigen der Aufwendungen noch in der Annahme, sie würden seinem Betrieb einen Nutzen bringen. Dies gilt hier umso mehr, als die bezogenen Eingangsleistungen aus Sicht des Klägers erforderlich waren, um die (tatsächlich erhaltenen und von ihm versteuerten) Betriebseinnahmen aus der Weiterberechnung der Schulungsleistungen, deren Höhe erheblich war und die der Betriebsausgaben überstieg, zu erzielen ("auslösendes Moment"). Die als Korrektiv vorzunehmende objektivierende Betrachtung führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Allgemeinen ist der Bezug und die Bezahlung von Eingangsleistungen betrieblich erforderlich, um gleichartige Ausgangsleistungen abrechnen und daraus betriebliche Einnahmen erzielen zu können.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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