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Berücksichtigung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Einkommensteuerrecht (Kommentar von Udo Cremer)

19.02.2016  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein Beispiel für die Abziehbarkeit eines häuslichen Arbeitszimmers gibt Experte Udo Cremer.

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Der Kläger bewohnte im Streitjahr 2006 mit seiner Ehefrau ein beiden Ehegatten gehörendes Einfamilienhaus. Er erklärte für das Streitjahr aus der Vermietung mehrerer Objekte Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 94.047 € und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 99.852 €. Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 machte der Kläger erstmals für ein häusliches Arbeitszimmer in dem Einfamilienhaus Aufwendungen in Höhe von 804 € bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil das Zimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde.

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Dabei verwies der Kläger auf einen "Tätigkeitsbericht" über die Arbeiten, die er in diesem Raum verrichtet habe, sowie auf Fotos u.a. eines Schreibtisches, diverser Büroschränke und Regale sowie diverser Leitzordner. Im Arbeitszimmer steht ein Computer. Das FA ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Das FG gab der Klage überwiegend statt und berücksichtigte in seinem in EFG 2012, 2100 veröffentlichten Urteil die geltend gemachten Aufwendungen für das Zimmer in Höhe von 60 % der entstandenen Raumkosten als gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbare Werbungskosten. Der Kläger könne 60 % seiner Aufwendungen (804 € x 60 % = 482 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzen, obwohl er den Raum zur Überzeugung des Senats nicht (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung genutzt habe. Eine Nutzung im Umfang von 60 % habe er indes nachgewiesen.

Die dem GrS zur Entscheidung vorgelegten Fragen:

  1. Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird?
  2. Sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) aufzuteilen?

sind von grundsätzlicher Bedeutung (BFH Beschluss vom 27.7.2015, GrS 1/14). Ob der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraussetzt, dass dieses (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird und ob bei einer gemischten Nutzung die Aufwendungen für den Raum aufzuteilen sind, ist seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 ungeklärt und wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Die aufgeworfenen Fragen stellen sich nicht nur bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch bei anderen Einkunftsarten. Überdies ergibt sich die grundsätzliche Bedeutung daraus, dass der X. Senat (Beschluss vom 21. August 2013) und der VIII. Senat (Beschluss vom 19. Juni 2013) entgegen der Auffassung des vorlegenden IX. Senats die Aufwendungen für ein gemischt genutztes Zimmer in der häuslichen Sphäre, auch wenn es nach seiner Ausstattung dem Typus des Arbeitszimmers entspricht, generell vom Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug ausschließen wollen.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) i.d.F. des JStG 2010 kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall ist die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; allerdings gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG die Beschränkung der Höhe nach nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Die Finanzverwaltung setzt für die Qualifikation eines Raums als häusliches Arbeitszimmer eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung voraus. Lediglich eine untergeordnete private Mitbenutzung soll unschädlich sein (BMF-Schreiben vom 2. März 2011, BStBl I 2011, 195, Rz 3). Dies gelte insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 (BMF-Schreiben vom 6. Juli 2010, BStBl I 2010, 614, Rz 7).

Nach der Entscheidung des Großen Senats sind Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenen Raum, der sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch (in mehr als nur untergeordnetem Umfang) zu privaten Zwecken genutzt wird, insgesamt nicht abziehbar.

Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Das gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält ein Abzugsverbot für bestimmte Betriebsausgaben. Selbst wenn die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich veranlasst sind, sind sie grundsätzlich nicht abziehbar; gleiches gilt für Werbungskosten (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Nachprüfung der Nutzung durch die Finanzbehörden wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich ist. Nur wenn kein anderer Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung steht oder das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, ist ein Abzug in Höhe bis zu 1.250 € bzw. im zuletzt genannten Fall in tatsächlicher Höhe möglich. Der Steuerpflichtige ist in diesen Fällen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann.

Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. So hat die Rechtsprechung bei einer Notarztpraxis angenommen, dass die Aufwendungen hierfür in vollem Umfang abziehbar seien; gleiches gilt z.B. für ein häusliches Tonstudio und ein Warenlager. Der für die Abzugsbeschränkung maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z.B. als Werkstatt) und/oder wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.

Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden. Bereits der Gesetzeswortlaut legt nahe, unter einem "häuslichen Arbeitszimmer" nur einen Raum zu verstehen, in dem Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. Ein Zimmer, das zwar büromäßig eingerichtet ist, das aber in nennenswertem Umfang neben der Verrichtung von (Büro-)Arbeiten auch anderen Zwecken dient, etwa als Spiel-, Gäste- oder Bügelzimmer, ist bereits nach dem allgemeinen Wortverständnis kein Arbeitszimmer. Der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG liegt überdies die Prämisse zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur bei ausschließlich betrieblicher oder beruflicher Nutzung und auch dann regelmäßig nur beschränkt abziehbar sein sollen. Selbst die Aufwendungen für Zimmer, die den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilden, sollen nur abziehbar sein, wenn sie "regelmäßig und ausschließlich betrieblich oder beruflich" genutzt werden. Der Gesetzgeber hat damit erkennbar an den überkommenen Typusbegriff des Arbeitszimmers angeknüpft, der neben einer büromäßigen Ausstattung auch eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung für betriebliche oder berufliche Zwecke verlangte. Denn wenn der Gesetzgeber einen in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägten Begriff (wie hier den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers) in ein Gesetz einfügt, ist davon auszugehen, dass er ihn auch entsprechend dieser Prägung verwenden und im Gesetz festschreiben will. Dies gilt umso mehr, wenn sich eine entsprechende Absicht in der Gesetzesbegründung widerspiegelt. Damit gehört die ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung des Raums zur Erzielung von Einnahmen zum Inhalt des Tatbestandsmerkmals "häusliches Arbeitszimmers", sodass ein Abzug anteiliger Aufwendungen für gemischt genutzte Zimmer ausscheidet.

Dies gilt auch für Zimmer, die räumlich sowohl zur Erzielung von Einnahmen ("Arbeitsecke") als auch zu privaten Wohnzwecken genutzt werden. Denn wenn schon Aufwendungen für einen als Büro eingerichteten Raum im Grundsatz nicht abziehbar sind, gilt dies umso mehr für Räume, die ihrer Ausstattung nach sowohl der Erzielung von Einkünften als auch privaten Wohnzwecken dienen. Der Ausschluss der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer gilt daher erst recht für Räume, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht dem Typus des Arbeitszimmers zuzurechnen sind, sondern ihrer Art (z.B. Durchgangszimmer) oder ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen.

Auch der Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG steht einer Aufteilung der Aufwendungen entgegen. Aufwendungen für ein Arbeitszimmer wurden vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, um zu "einer sachgerechten Abgrenzung des beruflichen und des privaten Bereichs des Steuerpflichtigen" zu gelangen, "Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern". Diese Ziele würden verfehlt, wären Aufwendungen für als Arbeitszimmer ausgestattete Räume in betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen einerseits und privat veranlasste Kosten andererseits aufzuteilen.

Der Umfang der jeweiligen Nutzung lässt sich objektiv nicht überprüfen. Die Behauptungen des Steuerpflichtigen, zu welcher Zeit er auf welche Weise ein in die häusliche Sphäre eingebundenes Zimmer nutzt, sind regelmäßig nicht verifizierbar. Auch ein "Nutzungszeitenbuch" ist kein geeignetes Mittel, die jeweiligen Nutzungszeiten nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Die darin enthaltenen Angaben besitzen keinen über die darin liegende Behauptung des Steuerpflichtigen hinausgehenden Beweiswert und sind regelmäßig (anders als etwa Fahrtenbücher) nicht anhand eines Abgleichs mit anderen Informationen überprüfbar. Ebenso mangelt es an hinreichenden Maßstäben, anhand derer die jeweiligen Anteile geschätzt werden können.

Eine sachgerechte Abgrenzung des betrieblichen/beruflichen Bereichs vom privaten Bereich ist bei einer Aufteilung der Aufwendungen für ein gemischt genutztes Arbeitszimmer demnach nicht gewährleistet. Auch der mit der Regelung verfolgte Vereinfachungszweck würde in sein Gegenteil verkehrt, müsste man die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten jeweiligen zeitlichen Nutzungsanteile (soweit überhaupt möglich) im Einzelnen auf ihre Plausibilität überprüfen.

Der Große Senat beantwortet die ihm vorgelegten Rechtsfragen wie folgt:
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Damit erübrigt sich die Antwort auf die gestellte weitere Frage.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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