Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Achtung im Kündigungsschutzprozess beim Streit um außerordentliche Kündigungen – Erweiterte Darlegungs- und Beweislast für den Arbeitgeber?

10.02.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einem aktuellen Urteil hat das Landesarbeitsgericht Köln entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht nur den wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung beweisen, sondern auch eine etwaige Rechtfertigung des Arbeitnehmers entkräften können muss.

Anzeige

Geprüfte/r Datenschutzbeauftragte/r

Kompakt in einem Lehrgang - alles, was ein Datenschutzbeauftragter wissen muss:

  • neue Datenschutzgrundverordnung
  • rechtliche Grundlagen im Datenschutz
  • Anforderungen und Aufgaben
  • Dokumentationen und Arbeitsmittel
  • Datenverarbeitung
  • Datenschutz

Zertifizierter 3-Tage-Lehrgang »

I. Einleitung

Die außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ist regelmäßig Gegenstand arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung. Dabei geht es häufig um angeblich nicht ordnungsgemäß abgerechnete Spesen, da der sogenannte „Spesenbetrug“ als strafrechtlich relevantes Verhalten ein anerkannter Grund für eine außer­ordentlich fristlose Kündigung ist. Im Kündigungs­schutz­verfahren hat der Arbeitgeber grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen, die als wichtiger Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung herangezogen werden sollen. Dagegen sind vom Arbeitnehmer grundsätzlich etwaig geltend gemachte Rechtfertigungs- oder Entschuldigungs­gründe geltend zu machen und unter Beweis zu stellen. Diese müssen vom Arbeitgeber ggf. widerlegt werden. Die Grundsätze dieser sogenannten gestuften Darlegungs- und Beweislast waren Gegenstand eines Urteils des Landesarbeitsgerichts Köln, in dem es um eine außer­ordentliche Kündigung eines Vertriebsleiters ging.

II. Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. November 2015

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Vertriebsleiters einer Firma zu überprüfen, die türkische Teppiche und Auslegware vertreibt. Der Vertriebsleiter verdiente monatlich ca. EUR 12.800,00 brutto. Anlass der außerordentlichen Kündigung war der Vorwurf der Arbeit­geberin, der Vertriebsleiter habe die Firmenkreditkarte für den Kauf privater Herrenbekleidung genutzt. Weiterhin seien andere Ausgaben, die der Vertriebsleiter für einen Kunden getätigt habe, nicht korrekt abgerechnet worden. Unstreitig war zwischen den Parteien, dass der Vertriebsleiter seine Spesen in der Vergangenheit stets pauschal abgerechnet hatte, ohne einzelne Belegnachweise zu führen und ohne die konkreten Ausgaben zu benennen.

Die Klage des Vertriebsleiters war vor dem Landesarbeitsgericht Köln erfolgreich. Dieses erachtet die fristlose Kündigung für unwirksam. Es führte dazu aus, dass kein „wichtiger Grund“ für eine Kündigung vorliege. Der Vertriebsleiter habe nämlich glaubhaft machen können, dass er mit der Firmenkreditkarte einen Einkaufs­gutschein für einen Geschäftskunden erworben habe. Auch habe er Kundenrechnungen zu Lasten der Arbeitgeberin übernommen, denen konkrete Leistungen des Kunden gegenüber gestanden haben. Die Rechtfertigung des Vertriebsleiters habe die Arbeitgeberin nicht widerlegen können. Das bloße Bestreiten, dass die vom Vertriebsleiter behauptete Rechtfertigung zutreffend sei, könne nicht „ins Blaue hinein“ erfolgen. Darüber hinaus müsse sich die Arbeitgeberin die bisherige Praxis der Spesenabrechnung vorhalten lassen. Die Arbeitgeberin habe insoweit selbst ausgeführt, dass Spesenabrechnungen immer dergestalt erfolgt seien, dass konkrete einzelne Belege nicht vorgelegt werden mussten.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat wegen der Frage der Darlegungs- und Beweislastverteilung bezogen auf den erforderlichen Umfang des Vortrags der Arbeitgeberin zu den Rechtfertigungsgründen des Vertriebsleiters die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

III. Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln zeigt, dass im Kündigungsschutzverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlich fristlosen Kündigung dem Arbeitgeber nicht nur die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Umstände trifft, die als wichtiger Grund geeignet sein sollen, sondern darüber hinaus beim Vorbringen von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen des Arbeitnehmers im Rahmen einer weiteren, abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitgeber substantiiert vorzutragen und ggf. Beweis darüber zu führen ist, weshalb die vom Arbeitnehmer behaupteten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungs­gründe nur vorgeschoben oder aus anderen Gründen widerlegt sind. Der Arbeitgeber kann sich innerhalb des Kündigungsschutzverfahrens daher nicht darauf beschränken, die Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers lediglich zu bestreiten.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat zwar wegen der Frage der Darlegungs- und Beweislastverteilung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch bereits in der Vergangen­heit (vgl. Urteil des BAG vom 18. September 2008, 2 AZR 1039/06) festgehalten, dass bei einer vom Arbeitnehmer behaupteten Rechtfertigung für sein Verhalten an die „sekundäre Behauptungslast“ des Gekündigten keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Behauptungslast des Gekündigten diene lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und seinerseits substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten. Diese Rechtsprechung legt den Schluss nahe, dass sich auch die Arbeitgeberin des Vertriebsleiters im Kündigungsschutzverfahren nicht darauf beschränken durfte, die Verteidigungsgründe des Vertriebsleiters zu bestreiten. Sie hätte vielmehr aufgrund der konkreten Angaben des Vertriebsleiters untersuchen müssen, ob sein Vortrag richtig ist und der Vorwurf des Spesenbetrugs aufrecht erhalten werden kann.

IV. Ausblick

Auch nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln bleibt es dabei, dass im Kündigungsschutz­verfahren eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast gilt, die bei einem Streit um die Wirksamkeit einer außerordentlich fristlosen Kündigung die primäre Darlegungs- und Beweislast dem Arbeitgeber auferlegt. Darüber hinaus ist er zu weiteren Sachverhaltsermittlungen verpflichtet, wenn der gekündigte Arbeitnehmer konkrete Angaben zu seiner Verteidigung macht. Unterlässt er dies, kommt er der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach und läuft so Gefahr, den Kündigungsschutzprozess allein aus diesem Grund zu verlieren.

Die Arbeitgeberin hat gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt (Az.: 2 AZR 110/15). Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht in naher Zukunft weitere Ausführungen zu der im Kündigungsschutzprozess so wichtigen Darlegungs- und Beweislast machen wird.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 26. November 2015 – 3 Sa 239/10


nach oben