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"Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer" in § 3 Abs. 8 UStG (Kommentar von Udo Cremer)

26.05.2015  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erklärt, wo eine Lieferung als ausgeführt gilt und welche Auswirkungen das auf die Schuldnerschaft der Einfuhrumsatzsteuer hat.

Die Klägerin war im Streitjahr umsatzsteuerrechtliche Organträgerin u.a. der in H (Inland) geschäftsansässigen X-GmbH und der Y-GmbH. Zum Konzern der Klägerin gehörte auch die in der Schweiz geschäftsansässige B-AG, eine Enkelgesellschaft der Klägerin.

Die Y-GmbH, die Betriebsabteilung "C", führte das Buchgeschäft in eigenem Namen, aber für Rechnung, im Interesse und auf Risiko der X-GmbH. Die Y-GmbH schloss die Verträge mit den Kunden von "C" ab und belieferte im Streitjahr die Kunden im Versandhandel mit Schallplatten, CD's, Videokassetten, Büchern und Ähnlichem. Wie in den Vorjahren versandte "C" auch im Jahr 2007 Kataloge an die Kunden, aus denen diese vierteljährlich mindestens einen Artikel per Bestellkarte bestellen mussten. Unterblieb die Bestellung, versandte "C" an die Kunden für das Vierteljahr einen sog. Hauptvorschlag. Auf der Beitrittserklärung von "C" in der Fassung 2007 hieß es dazu u.a.: "Ich kaufe in einer Filiale oder per Postbestellung mit Versandkostenanteil; es gelten die Lieferbedingungen bei Versandbestellungen (siehe vorletzte Katalogseite). Erfüllungsort H." In den auf der vorletzten Seite der verwendeten Kataloge abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) heißt es: "Sie bevollmächtigen uns, alle für die Einfuhr aus der Schweiz notwendigen Erklärungen abzugeben. Hierfür fallen derzeit keine Steuern an. Bei Änderungen werden wir anfallende Steuern und sonstige Kosten natürlich für Sie übernehmen." In Fettdruck hieß es abschließend: "Weitere Vereinbarungen gibt es nicht." Die Kunden mussten die Entgelte für die von ihnen bei "C" gekauften Waren auf ein inländisches Konto einer deutschen Bank bezahlen. Nachdem bis April 1998 die Belieferung der Kunden vom inländischen Zentrallager H aus erfolgte, erfolgte danach die Versendung von Großartikeln des Sortiments (z.B. Serien-CD's, Hauptvorschlags-CD's) für ganz Europa (Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Niederlande) aus Q in der Schweiz. Die Deutsche Post AG, für die die P GmbH & Co. OHG bzw. die P Vertriebs GmbH und Co. KG (P) tätig wurden, holte die Ware aus Q ab und erledigte die Zollformalitäten.

Dies geschah, indem die P an der Grenze dem deutschen Zoll (Zollamt) einen von der Y-GmbH nicht auf amtlichem Vordruck gefertigten "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" mit folgendem Text vorlegte: "Hiermit beantragen wir (Y-GmbH) die Freischreibung der Sendungen nach Art. 27 der EG-Verordnung Nr. 918 aus dem Jahr 1983." Dieses Verfahren entsprach einem zwischen der Deutschen Post AG und dem deutschen Zollamt abgestimmten Verfahren. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Deutschen Post AG aus dem Jahr 1998 und die hierauf erfolgte Bestätigung des deutschen Zolls per Stempelvermerk Bezug genommen. Nachfolgend differenzierte das Dokument tabellarisch zwischen Büchern und CD's sowie der Anzahl und der Art der Titel und der Gesamtzahl der Sendungen. Die Erklärung endete mit dem Vermerk: "Die Sendungen gehen an diverse Empfänger in Deutschland. Die Einfuhr erfolgt im Namen der Empfänger. Der Wert pro Sendung liegt unter 43 DM/22 €.“ Danach verbrachte die P die Waren in ihr Zentrallager in L (Inland). Von dort aus belieferte sie die im Inland ansässigen Kunden von "C". Die Lieferungen ab Q umfassten ausschließlich Produkte, deren Warenwert je Einzelsendung 22 € nicht überstieg. In 2007 versandte die B-AG ab dem schweizerischen R unter Verwendung einer Spezialverpackungsmaschine von ihrem schweizerischen Auslieferungslager im Auftrag der Y-GmbH Ein-Titel-Sendungen mit einem jeweiligen Warenwert von bis zu 22 € an im Inland ansässige Kunden von "C". Mehr-Titel-Sendungen und solche, die einen Warenwert von 22 € überstiegen, wurden direkt aus dem in H unterhaltenen Zentrallager an die Kunden ausgeliefert. Die Klägerin reichte am 27.2.2009 eine gemäß § 168 Satz 1 AO nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuer-Erklärung für 2007 ein, in der sie die Warenlieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € ab dem schweizerischen Auslieferungslager an im Inland ansässige Kunden als steuerpflichtige Umsätze behandelte. Am 20.3.2009 legte sie gegen die Steuerfestsetzung Einspruch ein. Während des Klageverfahrens erließ das FA am 8.10.2013 einen Änderungsbescheid, der gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde und mit dem die streitige Belieferung der Kunden als im Inland steuerbar und steuerpflichtig behandelt wurde.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines in EFG 2014, 688 veröffentlichten Urteils führte das FG aus, das FA habe zu Recht die streitigen Lieferungen aus der Schweiz als gemäß § 3 Abs. 8 UStG im Inland erbracht angesehen. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (BFH-Urteil vom 29.1.2015, V R 5/14). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Y-GmbH aus der Schweiz an ihre deutschen Kunden gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Klägerin zuzurechnen sind und im Inland der Umsatzsteuer unterliegen. Die streitigen Umsätze sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar, weil der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG im Inland liegt.

Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG). Ob hier die X-GmbH oder die Y-GmbH die P mit der Beförderung der Gegenstände an die Kunden beauftragte, kann offenbleiben, da beide Gesellschaften Organgesellschaften der Klägerin sind. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten (§ 3 Abs. 6 Satz 4 UStG). Vorliegend begann die Versendung mit der Abholung der Gegenstände durch die P vom Logistikzentrum im schweizerischen Q. Abweichend von § 3 Abs. 6 UStG bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. In diesem Fall gilt der Ort der Lieferung als im Inland gelegen. Dass Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich anfällt, ist nicht entscheidend. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S. des § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gemäß § 5 UStG steuerfrei sind. Der Annahme einer Lieferung im Inland steht daher nicht entgegen, dass die Lieferungen der Klägerin gemäß § 1a der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung vom 11. August 1992 nicht der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen, weil es sich um Sendungen von Waren mit geringem Wert handelt, deren Gesamtwert je Sendung 22 € nicht übersteigt. Die Klägerin lieferte die Waren aus der Schweiz, einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG). Sie gelangten bei der Versendung in das Inland (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG). Die Klägerin war auch "Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer". Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 UStG i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften über die Zölle.

Der Autor:

Udo Cremer

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.

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