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Änderungen bei der Erbschaftsteuer werden erforderlich - BMF legt Eckwerte einer Neuregelung vor

07.04.2015  — Daniela Karbe-Geßler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Am 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Verschonungsregelungen in der Erbschaftsteuer bei der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen entschieden. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Inhalt des Urteils und die Folgerungen für eine Neuregelung.

  1. Grundlegende Aussagen des Urteils

    Das Bundesverfassungsgericht hat die Verschonungsregelungen zum Betriebsvermögen (§§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des ErbStG) in Teilen für verfassungswidrig erklärt.

    Trotz der Verfassungswidrigkeit wurde aber die Rechtfertigung der Verschonung von Betriebsvermögen aufgrund der (über den Erhalt von Arbeitsplätzen definierten) Gemeinwohlorientierung in der Erbschaftsteuer bestätigt. Die Richter des BVerfG betonen in der Entscheidung, dass der Schutz von Familienunternehmen und Arbeitsplätzen grundsätzlich einen legitimen Zweck darstellen, um Betriebe teilweise oder vollständig von der Erbschaftsteuer zu befreien.

    Das aktuelle Gesetz gilt zunächst bis zum 30. Juni 2016 weiter. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Gesetzgeber eine Neuregelung vorlegen. Vertrauensschutz besteht seit dem 17. Dezember 2014 nicht mehr, denn der Gesetzgeber kann die Neuregelungen ganz oder zum Teil rückwirkend zum 17. Dezember 2014 in Kraft treten lassen.

  2. Einzelheiten der Urteilsbegründung

    Das BVerfG hat sich zu allen aktuellen Voraussetzungen geäußert, die Unternehmen für eine Verschonung von Betriebsvermögen nach Ansicht der Richter erfüllen müssen.

    Die Verschonungsregelung ist nach Ansicht der Richter grundsätzlich erforderlich, weil kein anderer Weg erkennbar ist, auf dem die Begünstigung der ererbten oder unentgeltlich übertragenen Unternehmen oder Unternehmensteile und damit der Erhalt der Arbeitsplätze gleich wirksam erreicht werden könnten.

    1. Schutzwürdige Unternehmen

      Die Verfassungsrichter bestätigen, dass die Verschonung von kleinen und mittleren Unternehmen mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Diese sollen deshalb geschützt werden, weil sie durch einen besonderen "personalen Bezug" des Erblassers oder Erben das Unternehmen prägen.

      Bei größeren Unternehmen fordern die Richter hingegen zusätzlich zur Einhaltung der aktuellen oder neu zu regelnden Verschonungsvoraussetzungen eine sog. „Bedürfnisprüfung“. Unternehmen müssen demnach weitere Nachweise erbringen, um die Verschonung von der Erbschaftsteuer zu erhalten. Das BVerfG schließt jedoch nicht aus, dass auch sehr große Unternehmen durch eine entsprechend hohe Erbschaft- oder Schenkungsteuerlast der Nachfolger in finanzielle Schwierigkeiten geraten und an Investitionskraft verlieren könnten, Arbeitsplätze abbauen, verkauft oder sogar aufgelöst werden müssten.

      Wie die „Bedürfnisprüfung“ im Detail geregelt wird, liegt im Ermessen des Gesetzgebers. In jedem Fall soll das Unternehmen nachweisen müssen, dass eine Verschonung von der Erbschaftsteuer zwingend nötig ist, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und damit die Arbeitsplätze zu erhalten.

      Grundsätzlich obliegt es dem Gesetzgeber, die Abgrenzungskriterien zwischen kleinen/mittleren und großen Unternehmen festzulegen. Als Beispiel für eine Abgrenzung nennen die Richter die geltende europäische KMU-Definition (unter 250 Arbeitnehmer und entweder maximal einen Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von 43 Millionen Euro) oder z. B. eine Höchstgrenze für förderungsfähiges Betriebsvermögen ohne „Bedürfnisprüfung“ in Höhe von 100 Millionen Euro.

    2. Vermögensarten

      Die derzeitige Festlegung der begünstigungsfähigen Vermögensarten (Anteile an Kapitalgesellschaften von über 25 Prozent, Betriebe und Anteile an gewerblichen Personengesellschaften, land- und forstwirtschaftliche Betriebe) wurde nicht beanstandet.

    3. Vollständige Verschonung

      Die bisherige Optionsverschonung (hundertprozentige Verschonung) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme dieser Option wurden nicht beanstandet.

    4. Haltefristen und Lohnsummenregelung

      Die aktuell geltenden Haltefristen von 5 und 7 Jahren (Regel- und Optionsverschonung) und die jeweiligen Lohnsummenregelungen (400 und 700 Prozent) sind verfassungsgemäß und wurden ebenfalls nicht beanstandet.

    5. 20-Arbeitnehmer-Grenze

      Als verfassungswidrig hingegen beurteilt das Gericht die pauschale Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Lohnsummenregelung. Die 20-Arbeitnehmer-Regelung sei zu unpräzise und ermögliche zu vielen Unternehmen, unter vereinfachten Bedingungen die Verschonung in Anspruch zu kommen. Rund 95 Prozent der Unternehmen fallen unter diese Ausnahmeregelung.

      Der mit dem Nachweis und der Kontrolle der zu erhaltenden Lohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand sei auch für diese Betriebe nicht so hoch, weil solche Betriebe bereits unabhängig von Verpflichtungen oder Obliegenheiten aus dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht eine Lohnbuchhaltung zu führen hätten – etwa aus ertragsteuer- und arbeits- sowie sozialversicherungsrechtlichen Gründen. Ein Nachweis der Entwicklung der Lohnsummen sei danach auch diesen Betrieben ohne größeren zusätzlichen Aufwand möglich und damit zumutbar. Eine zusätzliche Überwachung der Entwicklung der Lohnsummen würde keine Steigerung des Bürokratieaufwands bei den Finanzämtern mit sich bringen, die verfassungsrechtlich erheblich sei.

      Grundsätzlich dürfen aber aus Vereinfachungsgründen kleine Unternehmen von der Einhaltung einzelner Voraussetzungen ausgenommen werden. Jedoch muss die Anzahl der Beschäftigten dabei so gering sein, dass schon einzelne unkalkulierbare Wechsel in der Belegschaft und damit ein Nichteinhalten der Lohnsummenregelung sich kaum vermeiden ließen. Die Freistellung von der Lohnsummenpflicht wird auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzt werden müssen.

    6. Verwaltungsvermögen

      Die Regelung zum Verwaltungsvermögen ist nicht verfassungsgemäß. Zu diesem gehören u. a. Wertpapiere, Anteile an Unternehmen unter 25 Prozent, Forderungen, aber auch liquide Mittel sowie an Dritte überlassene und nicht betrieblich genutzte Grundstücke. Bisher dürfen Unternehmen, die eine Verschonung von 85 Prozent in Anspruch nehmen wollen, maximal ein Verwaltungsvermögen von 50 Prozent haben. Bei einer Verschonung von 100 Prozent darf dieses nur 10 Prozent betragen.

      Diese Regel ist den Richtern zu pauschal. Es sei damit zu weitgehend möglich, privates Kapitalvermögen zu begünstigtem Betriebsvermögen zu machen. Damit würden Vermögen verschont, ohne einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund zu haben.

      Auch das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ wurde kritisiert. Gefördert werden soll nur das produktive Vermögen. Daraus könnte geschlossen werden, dass das Verwaltungsvermögen grundsätzlich aus der Verschonung auszunehmen ist und nur das restliche „produktive“ Vermögen begünstigt werden kann. Die Richter äußern sich aber nicht dazu, in welcher Höhe eine Mitbegünstigung von Verwaltungsvermögen zulässig sein könnte. Die bisherige 10prozentige Grenze für das Verwaltungsvermögen bei der Optionsverschonung wird in diesem Zusammenhang nicht angesprochen.

    7. Gestaltungsmöglichkeiten

      Der Gesetzgeber muss bei einer Nachfolgeregelung Gestaltungsmöglichkeiten ausschließen. Darunter fallen die (bereits gesetzlich versagte) Cash-GmbH, die Betriebsaufspaltungen und Gestaltungen in Konzernen.

  3. Eckwerte des Bundesfinanzministeriums zur Neuregelung der Erbschaftsteuer

    Da der Gesetzgeber nunmehr gezwungen ist, die Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen neu zu regeln hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Ende Februar 2015 Eckwerte zur Neuregelung der Erbschaftsteuer vorgelegt. Diese sehen wie folgt aus (Auszüge als Zitate):

    • „Der Begriff des begünstigten Vermögens wird neu definiert. Die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens kann entfallen. Zum begünstigten Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, die im Erwerbszeitpunkt zu mehr als 50 % (überwiegend) einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit (Hauptzweck) dienen. Nicht begünstigt sind Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50 % oder die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen. … Die Ermittlung des begünstigten Vermögens gilt rechtsformneutral für alle Unternehmensformen (Einzelbetrieb, Personalgesellschaft, Kapitalgesellschaft).
      Zur folgerichtigen Umsetzung des Hauptzwecks werden die betrieblichen Schulden konsolidiert und anteilig dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugeordnet (konsolidierte Netto-Betrachtung). Beträgt der Anteil des Verwaltungsvermögens 10% oder weniger des Vermögens, ist dies unschädlich.“
    • „Für die Verschonung des begünstigten Vermögens gilt eine erwerbsbezogene Obergrenze von 20 Mio. Euro (Freigrenze). Liegt der Erwerb innerhalb der Freigrenze, erhält der Erwerber, wie gehabt, eine 85 Prozent- oder 100 Prozent-Verschonung unter Einhaltung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen. Die Freigrenze gilt für das insgesamt erworbene begünstigte Vermögen. Mehrere Erwerbe innerhalb von 10 Jahren werden zusammengerechnet. Der Erwerber kann dadurch die Freigrenze alle 10 Jahre in Anspruch nehmen. Übersteigt das erworbene begünstigte Vermögen die Freigrenze, bedarf es einer individuellen Bedürfnisprüfung. Der Erwerber muss nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld sofort aus sonstigem nicht betrieblichen bereits vorhandenen Vermögen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen Privatvermögen zu begleichen. Zumutbar ist es, dass er 50 Prozent dieses verfügbaren Vermögens einsetzt.
      Muss der Erwerber Vermögensgegenstände erst noch liquidieren, kommt eine Stundung der Steuer in Betracht. Reichen die sofort verfügbaren Mittel nur teilweise dazu aus, die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerschuld zu tilgen, wird der Restbetrag erlassen (Voraussetzung: Einhaltung der bisherigen Haltefristen und Lohnsummenregelungen).“
    • „Auf die Prüfung der Lohnsummenregelung wird bei Unternehmen mit einem Unternehmenswert bis 1 Mio. Euro verzichtet (Aufgriffgrenze). Mit der Aufgriffgrenze werden diese Unternehmen sowie die Verwaltung von Bürokratie entlastet. Wegen der geringen Wirtschaftskraft solcher kleineren Unternehmen besteht ein besonderes Bedürfnis, sie von Bürokratieaufwand und damit verbundenen Kosten zu entlasten. Die Haltefristen sind auch bei diesen Unternehmen zu beachten. Mehrere Erwerbe begünstigten Vermögens von demselben Schenker/Erblasser innerhalb von 10 Jahren werden zusammengerechnet, um Gestaltungen durch mehrere aufeinanderfolgende Übertragungen zu vermeiden.“

  4. Bewertung aus Sicht der Wirtschaft

    Die Vorschläge zur Neuregelung bedeuten, aus Sicht des DIHK und anderer Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft, eine Änderung der geltenden Rechtssystematik. Zum einen muss bei einem Erwerber bei der eingeführten „Bedürfnisprüfung“ für Übertragungen bei großen Unternehmen geprüft werden, in welchem Umfang nicht begünstigtes Betriebsvermögen vorhanden ist. Zum anderen muss auch geprüft werden, in welcher Höhe sonstiges nicht betrieblich bereits vorhandenes Vermögen oder mit aus der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenes Privatvermögen des Erben berücksichtigt werden muss.

    1. Neudefinition des Verwaltungsvermögens

      Das Bundesverfassungsgericht fordert die Abschaffung des bisherigen "Alles-oder-Nichts-Prinzips". Daher muss eine andere Abgrenzung beim Verwaltungsvermögen gefunden werden. Beim Vorschlag des BMF, die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens zu streichen und die Abgrenzung anhand des "notwendigen Betriebsvermögens" vorzunehmen, stellen sich noch weitere Fragen.

      Der Vorschlag, dass zum begünstigten (produktiven) Vermögen alle Wirtschaftsgüter zählen sollen, die zu mindestens 50 % der gewerblichen Tätigkeit dienen, könnte potenziell zu einer Verbesserung im Vergleich mit der bisherigen Regelung führen. Voraussetzung ist jedoch die klare und handhabbare Definition von betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigem Vermögen.

      Es besteht die große Gefahr, dass sich in der Praxis erhebliche Probleme ergeben, den „Hauptzweck“ von Wirtschaftsgütern festzulegen. Es sollte jedenfalls nicht allein im Ermessen eines jeden Finanzamtes liegen, letztlich zu definieren, welche Wirtschaftsgüter im Einzelnen betriebsnotwendig sind und welche nicht. Wer soll über die dafür erforderlichen Kenntnisse der Branche und im Zweifel des (internationalen) Marktes verfügen, um dies angemessen ohne Gefährdung von notwendigen Investitionen festzustellen? Es stellen sich hier z. B. noch weitere Fragen die bei einer Neuregelung geklärt werden sollten: Ist es zukünftig schädlich, Liquidität vorzuhalten (z. B. zur Absicherung, Vorsorge, Expansion oder für Krisenzeiten)? Was ist mit Gesellschafterdarlehen – sind diese per se betriebsnotwendig oder Privatvermögen?

    2. Abgrenzung „großer“ Unternehmen

      Der Wert von 20 Mio. Euro je Erwerb zur Abgrenzung von „großen“ Familienunternehmen ist zu niedrig, vor allem dann, wenn es sich um eine Freigrenze handelt. Die vorgeschlagene Freigrenze ist nicht geeignet, für den Standort Deutschland eine adäquate Bestimmung eines mittelständischen Unternehmens in Abgrenzung zu Großunternehmen vorzunehmen. Dies gilt umso mehr als das zugrundeliegende Bewertungsverfahren in der Regel zu überhöhten Unternehmenswerten führt (beim vereinfachten Ertragswertverfahren liegt der Kapitalisierungsfaktor auf den durchschnittlichen Gewinn abzüglich 30 % Steuern aktuell bei 18,21). Hier sollte noch einmal eingehend geprüft werden, diesen Wert deutlich zu erhöhen, z. B. auf 100 Mio. Euro pro Erwerb.

      Auf jeden Fall sollte die Grenze als Freibetrag ausgestaltet sein: Nur, der über einen Freibetrag hinausgehende Teil des Betriebsvermögens sollte für die Bedürfnisprüfung eine Rolle spielen, für den Unternehmenswert bis zum Freibetrag sollten die normalen Verschonungsregeln gelten.

    3. Bedürfnisprüfung

      Das Bundesverfassungsgericht fordert den Nachweis, dass auch große Unternehmen ein Bedürfnis für eine Verschonung haben. Dieses Bedürfnis betrifft die fehlende Liquidität, die sich aus Sicht der Wirtschaft für Familienunternehmen aus der vertraglichen Bindung der Gesellschafter und deren Mittel im Betrieb ergibt!

      Die notwendige Bedürfnisprüfung sollte statt beim Erwerber auf der Ebene des Unternehmens angesiedelt und dort anhand der zentralen Charakteristiken der Familienunternehmen in Deutschland durchgeführt werden. Sie könnte aus Sicht des DIHK zudem 2-stufig ausfallen.

      Familienunternehmen finanzieren sich in Deutschland typischer Weise nicht über den Kapitalmarkt. Eine mögliche Erbschaftsteuer führt in diesem Fall zu einer besonderen Belastung. Liquidität wird in diesen Unternehmen für Investitionen und Innovationen benötigt.

      Die Kapitalmarktorientierung könnte daher ein vorgeschaltetes, in der 1. Stufe leicht zu überprüfendes Kriterium sein, um das Bedürfnis nach einer erbschaftsteuerlichen Verschonung zu rechtfertigen:

      Als gesetzliche Definition bietet sich hierbei § 264d Handelsgesetzbuch an, der von einer Kapitalmarktorientierung ausgeht, sofern sich das Unternehmen über einen organisierten Markt finanziert (Anteilsscheine, Schuldtitel etc.).

      Ist ein Familienunternehmen kapitalmarktorientiert (z. B. weil es eigene Unternehmensanleihen aufgelegt hat), sollten in einer 2. Stufe die nachfolgend genannten fünf Kriterien geprüft werden, um festzustellen, ob auch für diese Unternehmen das „Bedürfnis“ nach einer Verschonung von der Besteuerung vorliegt. Im Hinblick auf das Betriebsvermögen müssen bei einer Bedürfnisprüfung sogenannte qualitative Merkmale des Unternehmensanteiles (Merkmale der Familienunternehmen und des Mittelstandes) berücksichtigt werden.

      Die Unternehmen können für ein zutreffendes Kriterium die im Detail noch festzulegenden Nachweise erbringen, soweit sie nicht ohnehin bereits vorliegen, wie zum Bespiel die Gesellschaftsverträge.

    Folgende Kriterien sollten in eine Bedürfnisprüfung einfließen:

    aa. Veräußerungsbeschränkungen

    Viele Gesellschaftsverträge von Familienunternehmen sehen ein Verbot der Veräußerung des Unternehmensteils an Nicht-Familienmitglieder vor. Den Nachfolgern ist es in diesen Fällen nicht möglich, die Mittel für eine mögliche Erbschaftsteuerschuld durch eine Veräußerung des Unternehmens(-teils) zu erhalten. Letztlich ist das Vermögen im Unternehmen gebunden.

    bb. Abfindungsbeschränkungen

    Es existieren häufig Regelungen, die einem Gesellschafter bei Ausscheiden aus dem Gesellschafterkreis eine zum Teil nur weit unter dem Marktpreis liegende Abfindung zugestehen. Solche Abfindungsklauseln wirken faktisch wie ein Veräußerungsverbot. Im Ergebnis ist es den Nachfolgern in diesen Fällen nicht möglich, die Erbschaftsteuerschuld aus einem etwaigen Veräußerungserlös zu begleichen.

    cc. Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen

    Familienunternehmen sehen in ihren Gesellschaftsverträgen in der Regel vor, dass nur ein bestimmter Teil des Jahresüberschusses von den Gesellschaftern entnommen bzw. an diese ausgeschüttet werden kann. Mit dem Verbleib eines in der Regel (häufig bis zu 70 bis 90 Prozent) hohen Anteils der Erträge im Unternehmen soll vor allem die Finanzierungskraft und das Wachstum des Unternehmens sichergestellt werden. Diese Mittel stehen den Gesellschaftern deshalb auch nicht für die Zahlung einer etwaigen Erbschaftsteuer oder gar für persönliche Ausgaben zur Verfügung.

    dd. Persönliche Einflussnahme auf die Geschäftsführung

    Ein besonderes Merkmal der Familienunternehmen ist die Geschäftsführung seitens der Gesellschafter, mindestens deren Einflussnahme auf diese qua ihrer Gesellschafterstellung. Dies ist auch der zentrale Grund für die regionale Verankerung der Betriebe in Deutschland. Diese Verbundenheit mit dem Standort Deutschland und eine nachhaltige Unternehmenskultur sind bedeutender Teil der Rechtfertigung einer Verschonung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer. Hierbei sollte auf eine Mindestbeteiligung (Sperrminorität) von 25 Prozent abgestellt werden. Ergänzend sollte eine Poolmöglichkeit zur Zusammenfassung mehrerer Gesellschafter vorgesehen werden.

    ee. Persönliche Einflussnahme auf Kontrollorgane

    Auch Familienunternehmen, deren Gesellschafter Einfluss auf die Kontrollorgane des Unternehmens (Aufsichtsrat bzw. Beirat o. ä.) nehmen, sind ebenso regional mit dem Standort Deutschland verbunden, verknüpft mit einer ebenso nachhaltigen Unternehmenskultur. Deshalb ist das Kriterium der direkten Einflussnahme (Sitz im Aufsichtsrat bzw. Beirat), aber auch der indirekten Einflussnahme (Entsenderecht in den Aufsichtsrat bzw. Beirat) auf die Kontrollorgane der Unternehmen mit einzubeziehen.

    d) Berücksichtigung von Privatvermögen

    Das Verfassungsgericht hatte in Randziffer 175 des Urteils den Gesetzgeber bei dieser Frage lediglich mit einer "Erwägung" argumentiert. In keinem Fall kann hieraus eine Verpflichtung zur Einbeziehung abgelesen werden.

    Es gibt betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich überzeugende Argumenten dafür, das Privatvermögen bei der Bedürfnisprüfung nicht zu berücksichtigen: Mitübertragendes Privatvermögen würde definitiv doppelt erfasst – zum einen durch die Erbschaftsteuer unmittelbar, zum anderen mittelbar als Kriterium dafür, ob dem Erben die Zahlung der Erbschaftsteuer finanziell zugemutet werden kann.

    Ein Zugriff sogar auf vorhandenes Privatvermögen würde einen deutlichen, volkswirtschaftlich schädlichen Fehlanreiz bei der privaten Vermögensbildung verursachen.

    Die vorgeschlagene "Deckelung" des Zugriffs auf die Hälfte des Privatvermögens würde diesen Systembruch auch nicht heilen. Zudem muss das komplette Privatvermögen bewertet und auf Liquidierbarkeit geprüft werden – was zu erheblichen Problemen für die Finanzverwaltungen führen dürfte.

    e) Ausnahmen von der Lohnsumme bei kleinen Unternehmen

    Zur Abgrenzung von Unternehmen, die von der Einhaltung der Lohnsummenregelung befreit werden dürfen, will das BMF nach den Eckwerten nicht auf die Zahl der Arbeitnehmer abstellen, sondern auf den Unternehmenswert.

    Die neu festzulegende Grenze für Vereinfachung bei den Verschonungsvoraussetzungen sollte sich weiterhin an einer konkreten Arbeitnehmerzahl orientieren. Hierdurch könnte rechtssicher und in einem administrativ vertretbaren Umfang die Verschonungsregelung für kleine Unternehmen überprüft werden. Zur Bestimmung der Grenze sollte aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei kleinen Unternehmen ein nicht planbarer Wechsel von Beschäftigten (zum Beispiel, wenn ein(e) Mitarbeiter(in) Elternzeit wahrnimmt) zu einer besonderen Volatilität der Lohnsumme führen und so die Einhaltung der Verschonungsregelungen gefährden kann. Diese Problematik verstärkt sich insbesondere aufgrund der regional sehr unterschiedlichen demografischen Entwicklung und der sich daraus ergebenden Probleme, Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu finden.

    Die Festlegung eines Unternehmenswertes führt vor allem zu einem hohen Bewertungsaufwand.

    In aktuellen Gesprächen finden sich bereits Andeutungen, in diesem Punkt doch eher auf die Arbeitnehmeranzahl abzustellen.

    Fazit: Aktuell finden auf allen Ebenen Gespräche statt, wie die Neuregelung der Erbschaftsteuer und damit die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichts aussehen kann. Sowohl in den Ländern als auch in den Bundestagsfraktionen findet ein reger Austausch mit der Wirtschaft statt. Eine eigens für die Neuregelung geschaffene Arbeitsgruppe, an der Vertreter der Länder und auch des BMF teilnehmen, tagte erstmalig am 30. März 2015. Anschließend sollen die Finanzminister am 07.05.2015 die Ergebnisse beraten. Es ist zu erwarten, dass im Nachgang hierzu der Referentenentwurf für das Gesetzgebungsverfahren erarbeitet und eventuell noch im Mai veröffentlicht wird. Es bleibt also weiter spannend.

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