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Dashöfer

120.000 Euro Schadensersatz für Nacktfotos

02.10.2023  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das Eindringen und Veröffentlichen von Details einer Person aus deren intimen Lebensbereich, ohne deren Einwilligung, ist schon für sich betrachtet zu verachten. Das LG Düsseldorf hat in seiner aktuellen Entscheidung im Urteil vom 14.6.2023 (Az. 12 O 55/22) klar gemacht, dass solche Verletzungshandlungen auch Geld kosten können. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei Wienke & Becker, erläutert die Entscheidung.

Genau genommen ging es um Videos mit dem Inhalt sexueller Handlungen, die die Klägerin zeigten. Diese hatte der beklagte Immobilienmakler Anfang 2021 unter zahlreichen URL verbreitet. Die Klägerin ist eine öffentlich bekannte Person. Der Beklagte hatte sich unter falschem Namen das Vertrauen der Klägerin über einen Tinder-Kontakt erschlichen und sie im Rahmen zunehmend intimerer Korrespondenz gedrängt, entsprechende intime Videos zuzusenden. So erhielt er von der Klägerin rund 15 Videos mit autoerotischen Inhalten. Bei dem Beklagten handelt es sich um den Inhaber einer Firma, die sich auf den Verkauf exklusiver und hochpreisiger Immobilien in Luxemburg spezialisiert hatte.

Als dieser Ende Februar 2021 den Kontakt zur Klägerin abrupt abbrach und ihre Telefonnummer bei WhatsApp blockierte, schwante der Klägerin nichts Gutes.

Sie suchte bei Google nach ihrem Namen und fand drei der Videos unter der URL eines Pornoportals für jedermann abrufbar vor. Der Vor- und Nachname der Klägerin war in der jeweiligen URL eingebettet und auch in der Bezeichnung des Videos genannt. Die Videos fanden sich auch noch knapp ein Jahr nach dem Upload im Netz, nachdem die Klägerin auch anwaltlich vertreten den Betreiber des Portals erfolglos zur Löschung aufgefordert hatte. Bis dahin war das Video bereits 9.387 Mal angesehen und vier Mal mit „Daumen rauf“ und sechs Mal mit „Daumen runter“ bewertet worden.

Der Beklagte meldete sich dann einen Monat nach dem letzten Kontakt und behauptete zunächst, ihm sei das Telefon gestohlen worden. Später teilte er mit, er habe nur die „Only me“-Funktion des Portals nutzen wollen und die Videos wegen seiner Ehefrau und der Kinder auf das Portal verschieben wollen. Immerhin gelang es dem Anwalt der Klägerin später, die URL bei Google löschen zu lassen. Dennoch tauchten Videos auf anderen Portalen auf. Der Polizei gelang es schließlich, die Identität des Beklagten zu ermitteln. Im Zuge der daraufhin veranlassten Hausdurchsuchung stellte die luxemburgische Polizei am 11.11.2021 das Smartphone und den PC des Beklagten sicher. Es folgten Abmahnung und Schadensersatzforderungen in Höhe von 150.000 Euro (= 10.000,00 Euro je Video). Der Beklagte gab keine Unterlassungserklärung ab und bot lediglich 7.500 Euro als Entschädigung an.

Die Richter des LG Düsseldorf sahen sich auch bei dem Bezug nach Luxemburg für international zuständig und stellten eine schwere Persönlichkeitsverletzung fest. Die Verletzung wurde neben den Inhalten noch durch die Aufnahme des Klarnamens der Klägerin in die URL verstärkt. Die Verbreitung der 15 Videos im Internet stellten jeweils einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar. Darstellungen des nackten Körpers zählen, ebenso wie der Bereich der Sexualität als Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung zur absolut geschützten Intimsphäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1985, Az. VI ZR 28/93; BVerfG, Beschl. v. 13.06.2007, Az. 1 BvR 1783/05, Rn. 88, zitiert nach juris). Damit war der Unterlassungsanspruch, ungeachtet des Grades des Verschuldens des Beklagten, gerechtfertigt.

Zum Schadensersatz

Bei dem Schadensersatzanspruch hatte das Gericht Gelegenheit, auch das Verschulden festzustellen. Für den Upload nahm das Gericht sogar Vorsatz an.

Alles spricht dafür, dass er die Videos bewusst und somit auch vorsätzlich veröffentlicht hat. Soweit er in der Klageerwiderung vorträgt, er habe die Videos lediglich versehentlich auf der Internetseite www.B.com veröffentlicht, als er diese in „seinem“ privaten Account („Only-me-Account“) habe speichern wollen, steht dies zu dem von der Klägerin geschilderten zeitlichen Ablauf erkennbar im Widerspruch. Denn das erste oben unter I.1.a) genannte Video wurde am 10.02.2021 auf dem Pornovideoportal www.A.com (u.a. unter https://de.A.com/…/…/) veröffentlicht, während die Veröffentlichungen der 14 weiteren Videos auf dem Pornovideoportal www.B.com erst zwei Tage später, ab dem 12.02.2021, erfolgten, nämlich an dem Tag, an dem der Account eingerichtet worden war. Dies belegen neben dem auf www.A.com genannten Upload-Datum (10.02.2021) auch das dokumentierte Erstelldatum des B-Account sowie die Screenshots der Suchergebnisse bei „Google“ aus dieser Zeit. Insofern kann der Ursprung der Veröffentlichung des ersten Videos im Internet nicht – wie der Beklagte schildert – in der angeblich versehentlich erfolgten Veröffentlichung auf www.B.com liegen. Ein weiteres gewichtiges Indiz für ein vorsätzliches Veröffentlichen liegt in der Art und Weise, wie der Beklagte die Videos bei den beiden Pornovideoportalen benannt hat und welche Angaben er bei der Erstellung des B-Account gemacht hat. Die Benennung der einzelnen Videos in englischer und deutscher Sprache mit entsprechend anzüglichen Titeln zielt erkennbar auf ein breiteres Publikum. Auch ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte bei der von ihm angeblichen beabsichtigten Geheimhaltung der „Affäre“ den vollständigen Klarnamen der Klägerin für die Benennung des Accounts verwendet, deren Alter und deren Herkunft („Deutschland“) angibt. Denn für den Geheimnisschutz ist es nicht erforderlich, sondern gerade abträglich, dass der Beklagte die von ihm eingegebenen personalisierte Angaben „, weiblich, Deutschland“ macht und ein Nacktbild von ihr als Profilbild frei zugänglich und abrufbar hoch lädt. In der Tat hätte es dann – wie die Klägerin vorträgt – nähergelegen, dass der Beklagte die Videodateien auf einem kostenlosen Cloud-Dienst hochgeladen hätte. Soweit die Klägerin die Existenz der Only-Me-Funktion bestritten hat, hat der Beklagte die technische Möglichkeit und die genaue Arbeitsweise dieser Funktion auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Nach alldem handelt es sich bei der Behauptung, er habe die Only-Me-Funktion auf dem Pornovideoportal www.B.com aktiveren wollen bzw. aktiviert, um eine Schutzbehauptung. Die Angaben des Beklagten hierzu sind insgesamt nicht glaubhaft. Dies gilt auch für das angeblich versehentliche Hochladen des einen Videos auf dem Pornovideoportal www.A.com. Wie bei der Erstellung einer kurzen Videoanimation, eines GIFs, (mit welcher Software?) das in Rede stehende Video konkret verwendet wurde, legt der Beklagte bereits nicht dar. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, dass das (behauptete) bloße Verwenden einer Videodatei dazu führt, dass diese im Internet veröffentlicht wird. Insofern passt es auch ins Bild, wenn die Klägerin vorgetragen hat, dass sie das zuletzt mit dem Beklagten geführte Telefonat irritiert habe, als dieser zu ihr gesagt habe, dass „der Pornokanal jetzt voll sei, bis auf ein gemeinsames Sextape.“

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes bezogen die Richter Motive, Erkennbarkeit und Folgen für die Klägerin ein und orientierten sich an einer Vielzahl von Entscheidungen:

Erfolgt der Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre – wie hier – durch die Veröffentlichung von Nacktvideos und/oder Sexvideos, sprechen die Gerichte den Geschädigten üblicherweise eine Geldentschädigung von mehreren Tausenden von Euro je Veröffentlichungshandlung zu. Die Höhe der Entschädigung hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Abzustellen ist insoweit insbesondere darauf, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck die Bilder bzw. Videos gefertigt wurden, wie der Schädiger an die Bilder bzw. Videos gelangt ist, was auf diesen genau zu erkennen ist, ob die betreffende Person darauf zu erkennen ist bzw. ob Hinweise auf deren Identität gegeben sind, wer von den Bildern bzw. Videos Kenntnis erlangt hat, welche Folgen privater, beruflicher und/oder finanzieller Art die Bekanntgabe der Fotos hatten und aus welchen Motiven heraus (z.B. aus Rache nach einer beendeten Liebesbeziehung) die Veröffentlichung im Internet erfolgte (vgl. LG Düsseldorf Urt. v. 16.11.2011, 12 O 438/11: 5.000,00 EUR für ein Nacktfoto eines Nacktmodells bei einer Malaktion; LG Kiel, Urt. v. 27.04.2006, Az. 4 O 251/05, NJW 2007, 1002: 25.000,00 EUR für drei Nacktfotos im Internet, die die Geschädigte zum Teil vollständig nackt zeigten, wobei zudem deren vollständiger Name und ihre Anschrift genannt wurde; LG Berlin, Urt. v. 07.10.2014, Az. 27 O 166/14: 15.000,00 EUR für die Veröffentlichung eines Privatpornos im Internet; AG Neukölln, Urt. v. 25.03.2021, Az. 8 C 212/20: 3.000,00 EUR für die Versendung eines Fotos und eines kürzeren Sexvideos über einen Messenger-Dienst an eine Verwandte der betroffenen Person nach dem Ende der Liebesbeziehung; OLG Hamm, Urt. v. 20.02.2017, Az.: 3 U 138/15, NJW-RR 2017, 1124: 7.000,00 EUR für ein Foto einer 16-Jährigen, das diese beim Oralverkehr zeigt und OLG Hamm, Urt. v. 03.03.1997, Az. 3 U 132/96, NJW-RR 1997, 1044: 20.000 DM für ungenehmigte Veröffentlichung von Aktfotos auf dem Titelblatt einer Zeitschrift; vgl. hierzu auch die Übersicht bei Krumm, FamRB 2019, 124, 127).

Da 12 der 15 Videos nicht lediglich Nacktaufnahmen, sondern explizite sexuelle Inhalte aufwiesen und auf drei Portalen länger weltweit abrufbar waren, zudem das Gesicht der Klägerin zu erkennen und ihre Stimme teils mit Ansprache an den Kläger zu hören war und der Name verwendet wurde, sah das Gericht eine Summe von 120.000 Euro Gesamtentschädigung als gerechtfertigt an. Dabei spielte auch die wirtschaftliche Stellung des Beklagten als Immobilienmakler hochwertiger Immobilien eine Rolle. Allerdings berücksichtigte das Gericht auch den Umstand, dass die Aufnahmen nicht heimlich entstanden waren.

Fazit

Die Entscheidung ist zu Recht ergangen und nach der Einschätzung des Autors ist das Gericht eher in einem unteren Bereich geblieben. Jedenfalls wird man das Gefühl nicht los, dass der beklagte Immobilienmakler trotz der Eignung seiner Handlungen zur Vernichtung des persönlichen Achtungsanspruchs der Klägerin recht glimpflich davongekommen ist. Hier ist zu konstatieren, dass das deutsche Schmerzensgeldrecht leider bei solchen Situationen nicht mehr herzugeben scheint.

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