25.04.2019 — Markus Hiersche. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Mehr Frauen in den deutschen Aufsichtsräten bedeuten mehr weibliche Vorstände. So zumindest die Hoffnung. Doch die Studie „Die Macht hinter den Kulissen“ der AllBright-Stiftung zeigt, dass diese Rechnung nicht aufgeht: Denn obwohl der Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten der 160 deutschen Börsenunternehmen von gut 25 Prozent im September 2016 auf knapp über 30 Prozent im Februar 2019 angestiegen ist, stagniert der Anteil von Frauen in den Vorständen bei kläglichen 8,8 Prozent. Damit ist er so niedrig wie in kaum einem anderen westlichen Industrieland.
Besonders auffällig ist: Je höher auf der Karriereleiter desto weniger Frauen finden sich im Führungspersonal. Deutschlandweit gibt es beispielsweise durchschnittlich gerade einmal 2,5 Prozent weibliche Vorstandsvorsitzende. Unter den DAX30-Unternehmen finden sich sogar gar keine Frauen als Vorstandsvorsitzende. Die Studie spricht deshalb von einem „Aufsichtsratsversagen“, schließlich bestimmt dieser über die Besetzung von Führungspositionen mit.
Die Ursachen für die Geschlechterungleichheit sind laut Studie vor allem struktureller Natur: Denn in deutschen Börsenunternehmen bestimmt heute nach wie vor ein männlicher Aufsichtsratsvorsitzender mit einem ebenfalls oft männlich dominierten Besetzungsausschuss in enger Abstimmung mit einem – meist männlichen – Vorstandsvorsitzenden über die Besetzung von Führungspositionen. Oft entscheiden sich die Verantwortungsträger dann für „jüngere Kopien von sich selbst“, auch aus der Überzeugung heraus, dass sie diese für den Job am geeignetsten halten. Damit werden allerdings traditionelle, Frauen ausschließende Machtstrukturen stets auf neue fortgeschrieben.
Selbst wenn professionelle Headhunter*innen Suche und Auswahl von möglichem Führungspersonal übernehmen, gehen sie oft den Weg des geringsten Widerstandes und wählen (männliche) Personen aus, die am wahrscheinlichsten die sofortige Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden findet. Ähnlich handelt auch der Aufsichtsrat. Frauen werden so systematisch benachteiligt.
Seit 2015 sind die 160 Börsenunternehmen gesetzlich dazu angehalten, in regelmäßigen Abständen bis 2022 Zielgrößen für die Steigerung der Frauenquote in ihren Vorständen zu veröffentlichen.
Das Aberwitzige daran: Unternehmen dürfen sich selbst auch eine „Zielgröße Null“ verordnen – und davon machen nicht wenige Gebrauch: 53 Aufsichtsräte geben ausdrücklich „keine Frauen“ als Zielgröße vor, darunter Großkonzerne wie der Brillenhersteller Fielmann, der Energiegigant RWE, die Autovermittlung Sixt, das Karriereportal XING oder der Moderiese Zalando. Hier wird das Aufsichtsratsversagen wohl am deutlichsten. Auf Nachfrage von Spiegel Online zeigen sich einige der Unternehmen mit der Zielvorgabe „Null“ immerhin peinlich berührt.