Weniger Kinderehen – doch der Weg ist noch weit

11.05.2023  — Samira Sieverdingbeck.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, hat den Bericht „Is an end to child marriage within reach?“ veröffentlicht. Zwar zeigt der Bericht, dass Kinderehen insgesamt seltener geworden sind, die Baustellen jedoch noch sehr groß sind.

Die Schätzungen des Kinderhilfswerks wurden anhand der neuesten verfügbaren Daten aus 103 Ländern errechnet. Sie zeigen:

  • Der Anteil junger Frauen in Kinderehen ist in den letzten fünf Jahren insgesamt rund zwei Prozent, von 21 auf 19 Prozent, gesunken.
  • Heute ist jede fünfte Frau im Alter von 20 bis 24 schon als Kind verheiratet worden. Vor zehn Jahren war noch fast jede vierte Frau davon betroffen.
  • Derzeit leben etwa 640 Millionen Mädchen und Frauen weltweit, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden.
  • Jedes Jahr werden rund 12 Millionen Mädchen noch vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet.

Die Fortschritte sind überwiegend auf Südasien zurückzuführen. Besonders in Indien ist die Zahl der Kinderehen gesunken. Nichtsdestotrotz ist Indien weltweit weiterhin das Land mit den meisten Kinderehen. Ein Drittel der weltweit durchgeführten Kinderehen, wird noch immer in Indien geschlossen. Die Region ist auf einem guten Weg, doch die vollständige Abschaffung ist noch nicht in Sicht.

Oft geht die frühe Heirat auf Traditionen zurück. Doch viele Familien gehen die Kinderehe in der Hoffnung ein, ihren Kindern dadurch ein sichereres Leben zu ermöglichen. Je höher der Leidensdruck durch gewaltvolle Konflikte, Armut oder die Folgen des Klimawandels, desto öfter wählen Familien die vermeintliche Sicherheit einer Kinderehe. Beispielsweise werden Mädchen, die in fragilen Staaten leben (d. h. in Staaten, die ihren zentralen Aufgaben nicht nachkommen können), doppelt so häufig im Kindesalter verheiratet wie der weltweite Durchschnitt.

Auch Covid-19 hat mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorkommen von Kinderehen beeinflusst. Die Pandemie führte zu sozialer Isolation, ökonomischer Disruption und dem vermehrten Sterben der Eltern. UNICEF schätzt, dass dadurch bis 2030 zusätzliche 10 Millionen Mädchen schon als Kinder verheiratet werden.

Während das Bevölkerungswachstum im globalen Norden zurückgeht, steigen die Geburtenraten im globalen Süden unablässig. Da im globalen Süden Kinderehen ohnehin deutlich verbreiteter sind als im globalen Norden, weist UNICEF darauf hin, dass der Bevölkerungsanstieg auch die Anzahl der Kinderehen in die Höhe treiben könnte. Besonders im Süden Afrikas wird ein erhöhtes Risiko für junge Mädchen bestehen. Trends, die die Vermutungen von UNICEF bestätigen, zeichnen sich bereits jetzt ab.

Frauen, die schon als Kind verheiratet werden, werden nicht nur verfrüht in eine Erwachsenenrolle gedrängt. UNICEF führt auf, dass sie meist auch eine geringere Chance haben, zur Schule zu gehen und häufiger von frühen Schwangerschaften betroffen sind. Auch vor diesem Hintergrund betont UNICEF die enorme Wichtigkeit und Dringlichkeit, Kinder vor Kinderehen zu bewahren und letztere abzuschaffen.

Hier finden sie den Bericht „Is an end to child marriage within reach“ von UNICEF.



Da Kinderehen meist junge Mädchen treffen und auch UNICEF sich vorwiegend auf Mädchen und Frauen bezieht, die zu einer Hochzeit im Kindesalter genötigt werden, ist auch in unserem Artikel die Rede von Mädchen und Frauen.

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