Studien belegen: Weniger Vorbehalte gegen Zuwanderer in Deutschland und der Europäischen Union

19.04.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.

Mit der Flüchtlingskrise hat das Thema Migration große gesellschaftliche Brisanz erreicht. Entsprechend greifen auch sozialwissenschaftliche Studien das Thema zunehmend auf, um konkrete Fakten als Grundlage für die politische Debatte zu liefern. In diesem Sinne ist Migration auch das Hauptthema der aktuellen Ausgabe des Informationsdienstes Soziale Indikatoren (ISI) des GESIS - Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften.

In zwei Artikeln klärt der ISI, inwiefern Migration generell Einfluss auf die Einstellungen der deutschen Bevölkerung gegenüber Zuwanderern hat und ob die Willkommenspolitik mit den Einstellungen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zur Immigration übereinstimmt.

Auf Basis von Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) und einem Fragemodul der GESIS-Panel-Befragung von Mai/Juni 2016 haben Manuela S. Blumenberg und Johannes N. Blumenberg von GESIS die Einstellungen der Deutschen gegenüber Migranten ermittelt. 33% der westdeutschen und mehr als 40% der ostdeutschen Bevölkerung äußerten die Meinung, dass der Zuzug von Wirtschaftsmigranten völlig unterbunden werden sollte. Dennoch sprachen sich nur 7 (West) bzw. 8% (Ost) generell gegen den Zuzug von Asylsuchenden und politisch Verfolgten aus, was auf eine hohe Akzeptanz dieser Personengruppe schließen lässt. Außerdem interessant: Die deutsche Bevölkerung erachtet nicht die Abstammung, sondern die Achtung der Grundwerte und die Anpassung des Lebensstils als relevant für eine Einbürgerung von Migranten. Die christliche Religion hingegen wurde als eher unwichtiges Kriterium eingestuft.

Insgesamt stellen die Forschenden fest, dass die Vorbehalte gegenüber Einwanderern erheblich abgenommen haben. Dies hängt mit der Zunahme der persönlichen Kontakte zusammen: Hatten 1994 nur gut zwei Drittel der Befragten in den alten und knapp ein Viertel in den neuen Bundesländern in mindestens einem Lebensbereich Kontakt zu Ausländern, waren es 2016 80% der Westdeutschen und mehr als 60% der Ostdeutschen. Je mehr Kontakte vorhanden waren, desto positiver wurde Migration beurteilt. Zusätzlich war die Bewertung abhängig von generell autoritären Einstellungen der Befragten, von der Einstellung zu sozialen Hierarchien und der Einstufung der eigenen wirtschaftlichen Lage. Eine wichtige Rolle bei der Einschätzung spielte auch das Gefühl der Bedrohung: Je stärker eine Person ihren Wohlstand, ihre Freiheit und ihre Rechte bedroht sah, desto negativer stand sie Migranten gegenüber. Kaum einen Einfluss auf die Einstellungen hatten hingegen die Entwicklungen während der „Flüchtlingskrise“. Stattdessen entstanden negative Einstellungen in den meisten Fällen durch negative persönliche Kontakte und die Angst vor einer Bedrohung.

Diese Erkenntnisse werden durch die Studie von Christian Schnaudt (Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung) und Michael Weinhardt (Universität Bielefeld) untermauert. Die beiden Sozialwissenschaftler untersuchten die Einstellung von europäischen Bürgerinnen und Bürgern zu Immigration. Die Datengrundlage bildeten Individualdaten eines Themenmoduls, das in den Jahren 2002 und 2014 im Rahmen des European Social Survey (ESS) erhoben wurde. Die Befragten sollten angeben, wie vielen Migranten sie erlauben würden, in ihrem Land zu leben. Dabei sollten sie zwischen ethnischer oder sozioökomisch-geographischer Herkunft der Migranten unterscheiden. Tendenziell standen die Befragten der Immigration positiv gegenüber, die größte Akzeptanz erfuhren jedoch Einwanderer der Volksgruppe, die den Befragten am nächsten stand. 2002 waren sich 66% einig, „vielen“ oder „einigen“ Personen den Aufenthalt zu erlauben, im Jahr 2014 stieg diese Zahl sogar auf 73%. Auch für andere Volksgruppen war ein Anstieg von 8% zu verzeichnen. Relativ gleichbleibend war hingegen die geringere Akzeptanz von Zuwanderern aus ärmeren Ländern innerhalb bzw. außerhalb Europas.

Insgesamt steht die Mehrheit der europäischen Bürger Zuwanderern unabhängig von deren ethnischer oder sozioökonomisch-geographischer Herkunft positiv gegenüber und entspricht somit dem Grundtenor der Willkommenspolitik und der „Wir schaffen das!“-Mentalität. Zwischen den einzelnen europäischen Ländern gibt es jedoch zum Teil starke Unterschiede. So war die Akzeptanz von Immigration in Schweden 2014 mit einem Durchschnittswert von etwa 9 auf einer Skala von 0 bis 12 mehr als doppelt so hoch wie in Ungarn. Weiter zeigt die Studie, dass die Einstellung zur Immigration zunehmend polarisiert: So stieg sowohl die Anzahl der Befragten, die „vielen“ als auch derjenigen, die „niemandem“ die Einwanderung erlauben würden, an. Diese Tendenzen könnten ein Konfliktpotenzial für den innergesellschaftlichen Zusammenhalt in den Ländern Europas bergen.

Den ISI 57 können Sie hier kostenfrei herunterladen.





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